Konzert
Der eigentümliche Pop-Barde Xavier Naidoo, die Reichsbürger und ein idiotischer Vorwurf

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:17 Uhr
−Foto: Foto: Isa Foltin

Eigentümliche Stimmung beim Konzert des Soul-Barden Xavier Naidoo im Schloss von St. Emmeram: Draußen demonstrierte die Antifa gegen den Sänger, der zeigte sich betont lässig - überzeugte aber nicht gänzlich.

REGENSBURG Die Geschichte des Xavier Naidoo sagt viel über unsere Gesellschaft, über Mechanismen, wie Halbwahrheiten zu festen Bildern gerinnen, und zwar in die eine, wie in die andere Richtung. Noch bei keinem Konzert bei den Schlossfestspielen jedenfalls wurde der Hintereingang zum Schloss verriegelt, weil der Veranstalter befürchten musste, dass Demonstranten, die sich nicht an die Auflagen der Polizei halten, das Schloss betreten. Etwa 100 Demonstranten waren am Emmeramsplatz zusammen gekommen, um gegen Xavier Naidoo und letztlich auch gegen Gastgeberin Gloria von Thurn und Taxis zu demonstrieren. Die zog am Samstagabend den Grünen Hügel in Bayreuth dem Konzert Naidoos jedenfalls vor.

Dem wirft man vor, zwischen christlich-fundamentalistischen Liedtexten Homophobie zu fördern, der kruden Reichsbürgerbewegung nahezustehen, die behauptet, Deutschland sei nur irgendsoetwas wie eine private GmbH, von den Alliierten nach wie vor besetzt und kein souveräner Staat. Überhaupt glaubt Naidoo, dass die Amerikaner den 11. September selbst verursacht haben. Diesen kruden Unsinn unterstrich der Sänger damit, dass er vor denkwürdigen Leuten eine Rede hielt.

Auf der anderen Seite der Medaille unterstellt man einen dunkelhäutigen Mann mit Migrationshintergrund, aber breitem Dialekt seiner Heimatstadt Mannheim, rechtsextremes Gedankengut zu befördern. Die Figur Naidoo steht also symbolisch dafür, wie man in Zeiten des Shitstorms und der Verschwörungstheorien Opfer und Täter zugleich werden kann.

Dann gibt es aber auch noch diese Seite: Naidoo ist nicht nur stimmlich einer der besten Sänger Deutschlands. Seine Lieder haben Millionen bewegt: „Dieser Weg“ war die Hymne der Weltmeisterschaft von 2006, „Frei sein“ ist ein Hit ebenso wie „Sie sieht mich einfach nicht.“ Letzteres schrieb der Barde als Soundtrack für einen Asterix und Obelix-Film, das Lied ist einfach wunderschön und wenn Naidoo nicht über seine christlich verbrämten Wolkenkuckucksheime nachdenkt, dann textet er ebenso wunderbar, wie er Melodien schreibt und sie dann auch singt.

Schräger wurde es bei Textzeilen wie „Bist Du aufgewacht? Hast Du darüber nachgedacht?“ Frei sein, aufwachen, seinen Weg gehen, ins Licht, weg vom Dunkel: Da kommt Naidoos eigentümliches Weltbild rüber. Das kann man komisch finden, und in Regensburg spürte man beim Konzert auch eine wirklich seltsame Atmosphäre, performen kann Naidoo wie kaum ein anderer Künstler in Deutschland. Das goutierte das Publikum auch mit viel Applaus, es gefiel den meisten Zuhörern, was Naidoo auf der Bühne machte. Und der Künstler, dessen Eltern aus Südafrika eingewandert sind, fand auch einen Draht zum Publikum: „Wir sind heute das Naabtal runter gefahren. Leute, Ihr habt hier in Regensburg schon paradiesische Zustände“, attestierte Naidoo dem Publikum. Als nach einer Pause (Naidoo: „Ich habe noch nie eine Pause gemacht in einem Konzert“) viele viel zu spät eintrudelten, unterhielt er sich quasi mit jedem einzeln und sorgte für Schmunzeln.

Und dass Naidoo keineswegs irgendwie rechtes Gedankengut befördert, das merkte man auch an einem Lied, das er vor vielen Jahren textete, und das den etwa 100 Demonstranten vor den Toren des Schlosses sicher aus dem Herzen gesprochen hätte. „Mein Herz schlägt für Dich, Europa/Du hast mich vor langem erobert/Nur Deine Fürsten verstehe ich nicht./Man nennt Dich die Festung Europa/So viele seien schon hier./Wir können nur verlieren, wenn uns Europa zerrinnt.“ Das war ein Statement, gegen Grexit, Frontex, gegen Isolationismus auf dem Kontinent.

Übrigens fand sich auch das halbe Priesterseminar Regensburgs unter den Gästen. Die Herren fühlten sich sichtlich wohl bei dem, was Naidoo da sang – „Dieser Weg wird kein leichter sein“ könnte ja auch als so etwas wie ein Motto dienen für die Männer des Herrn. 

Regensburg