Debatte
Domspatzen-Werbung: Die ewig gleichen Nörgler machen Regensburg überregional lächerlich

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:32 Uhr
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Die Debatte über eine Werbung der RTG mit den Domspatzen schadet uns allen. OB Joachim Wolbergs sprach gegenüber dem Wochenblatt davon, dass sich mancher „aufgeilt“ an der Skandalisierung, SPD-Fraktionschef Hartl spricht von „Trittbrettfahrern, die zu viel Zeit haben.“

REGENSBURG Wieder mal ging ein Rauschen durch den Blätterwald, ausgelöst durch einen Bericht des Bayerischen Rundfunks. Der hatte eine Postkarte aufgegriffen, die man, so die Kollegen, auch falsch interpretieren könnte. Gezeigt wird ein offensichtlich überforderter Kirchenchor, die abgebildeten Mädchen zupfen sich die Kleider zurecht, statt anständig zu singen, ein junger Mann mit dunkler Hautfarbe ist auch zu sehen. Im Vordergrund steht ein Domspatz, der sich am Kopf kratzt – und drüber steht: „Nichts ist besser als das Original.“ Verteilt werden sollte die Postkarte in ganz Deutschland. Doch dann kam ein Aufschrei der Empörung, ausgelöst durch den BR-Bericht. Die Chefin der für die Werbung verantwortlichen Tourismus-GmbH, Sabine Thiele, ist indes durch ungeschickte Aktionen und Streitereien mit Hoteliers derzeit ein leichtes Ziel. Schnell war sie also auch bei der Debatte um die Domspatzen-Karte in der Defensive. Doch was warf man der Werbeaktion eigentlich vor?

„Diese Werbung vermittle den Eindruck, als würde Regensburg sich als Brutstätte von Zucht und Ordnung gerieren und als wäre ein Chor aus Mädchen und Jungen gleich welcher Herkunft natürlich schlecht und aus Regensburger Sicht abzulehnen“, kommentierte die Linksfraktion im Regensburger Stadtrat die Werbeaktion. „Diese Bewerbung der Stadt spiele offen mit sexistischen Stereotypen.“ Dumm nur: Sowohl die abgebildeten Mädchen, als auch der Farbige sind Mitarbeiter der RTG – wie widersinnig also, ihr die Verbreitung von Stereotypen vorzuwerfen. Nun kann man die Linken gut und gerne als die üblichen Verdächtigen für solcherlei Anwürfe sehen – doch dann schaltete sich der CSU-Bundestagsangeordnete Philipp Graf von und zu Lerchenfeld ein, der bisher eher durch gewagte Parlamentswechsel und Klagen in eigenen Grundstücksangelegenheiten auffiel, ein. „Diese Werbeaktion beschämt mich und ist nicht das Bild, das ich von meiner Heimatstadt vermittelt sehen möchte“, ließ er verbreiten.

OB Wolbergs zog zunächst genervt den Stecker aus der Kampagne. Verteilt wurde die Karte nicht. Auch ein Video über Regensburg, auf das man mittels eines QR-Codes kommen sollte, wurde zunächst eingestampft – dann aber wieder online gestellt, weil viele ihr Unverständnis über die krude Debatte artikulierten.

Wolbergs: „Die geilen sich geradezu auf daran“ Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat, Norbert Hartl, findet deutliche Worte für die Debatte der letzten Tage. „Die Werbeaktion wäre meine Sache nicht. Aber wenn so Leute wie dieser Graf von der CSU auf einen Zug aufspringen, nur um selbst in die Medien zu kommen, dann nenne ich die Trittbrettfahrer – und zwar auf Kosten Regensburgs!“ Noch drastischere Worte findet sein Chef, Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. „Ich glaube, solche Leute haben zu viel Zeit. Wenn sie sich wirklich um Zukunftsvisionen für diese Stadt kümmern würden, dann würden sie auf so eine Debatte gar nicht erst einsteigen.“ Wörtlich spricht Wolbergs davon, dass sich bestimmte Politiker und Bedenkenträger aus Regensburg „an so etwas geradezu aufgeilen. Und das finde ich sehr bedenklich.“ Immer wieder werde er überregional von seinen OB-Kollegen auch darauf angesprochen, wenn die Rede auf solche Debatten wie die um die Werbung mit den Domspatzen kommt. „Aber die Kollegen fragen dann, was wir für komische Typen hier haben.“ Übrigens werde Wolbergs auch immer wieder auf die Werbung „mit angeblich halb nackten Frauen“ auf unseren Bussen angesprochen. Auch der Regensburger Bürgermeister Jürgen Huber warnt vor „einer hysterischen Diskussion und ständiger Skandalisierung“. Seiner Ansicht nach muss man daran arbeiten, dass Regensburg überregional positiv bekannter wird. „So schlecht kann unser Ruf aber nicht sein, immerhin kommen jedes Jahr viele Tausend Menschen in unsere Stadt – und es werden jedes Jahr mehr. Auch die konkrete Werbeaktion der RTG habe Hubers Ansicht nach „zumindest zum Bekanntheitsgrad Regensburg weiter positiv beigetragen, die Leute bilden sich über so etwas schon ihre eigene Meinung“.

KOMMENTAR

Das hat den Domspatzen jetzt gerade noch gefehlt. Warum auch immer der Bayerische Rundfunk das aufgriff, die üblichen hirnrissigen Reflexe waren sicher: Eine Werbekarte, die von der unglücklich agierenden Regensburger Tourismus Gesellschaft (RTG) deutschlandweit verteilt werden sollte, zeigte einen sichtlich unfähigen Kirchenchor. Davor ein Domspatz – mit dem Werbespruch: Nichts ist besser als das Original. Nun ist der Kirchenchor bunt gemischt, einige Mädels kümmern sich mehr um ihre Kleidung als ums Singen und weil ein Farbiger auch noch in Reih und Glied steht, schreien die üblichen Verdächtigen: Rassismus! Frauenfeindlichkeit! Überraschend ist dabei auch noch, dass nicht nur die Linksextremen in Nazi-Wahn Rassismus in der Werbekampagne verorten, sondern auch noch der konservative Bundestagsabgeordnete Philipp Graf von und zu Lerchenfeld.

Nun wäre der Aufschrei ja berechtigt, wüsste man nicht, dass die Mitarbeiter der RTG es selbst waren, die als Modelle für die Werbeaktion vor der Kamera standen. Da sind nun ein Homosexueller, ein Schwarzer und mehrere Frauen zu sehen – und das soll jemanden diskriminieren? Klar, bei den Domspatzen können Mädels nicht mitsingen. Fauenfreundlich ist die katholische Kirche ja auch nicht. Aber ausgerechnet jetzt, wo die Domspatzen mit massiven Nachwuchssorgen kämpfen, ist eine solche Debatte völlig daneben. Ausländerfeindlichkeit kann man der RTG schon per se nicht vorwerfen, wenn sie selbst aus einer solch bunt gemischten Truppe besteht. Dumm sind diejenigen, die unsere weltweit bekannten Domspatzen wieder mit Dreck bewerfen. Pfuideibel!

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