Lesung mit Autor
Drei Schicksale, die zu Herzen gehen

08.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:30 Uhr
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Auf Einladung des Kreisverbandes von „Pfad für Kinder”, einem Selbsthilfeverein von Pflege- und Adoptiveltern, hielt der mehrfach ausgezeichnete Autor und Hörfunkmoderator Charly Kowalczyk aus Potsdam am Freitag eine Lesung in der Stadtbücherei Pfarrkirchen.

PFARRKIRCHEN Dabei las er Geschichten aus drei seiner Bücher, in denen Pflege- und Adoptivkinder, Pflegeeltern und prominente Schriftsteller zu Wort kommen. „Die Bücher sind entstanden, weil ich anfangs nicht verstehen konnte, warum meine eigenen Pflegekinder dies oder jenes tun. Später habe ich auch auf die Perspektive der Pflegeeltern geblickt”, erklärte Kowalczyk zu Beginn der Lesung, an der auch Vertreter des Kreisjugendamtes teilnahmen. Die Frage nach der Lesung, ob er seine Kinder dank der Bücher besser verstand, beantwortete Kowalczyk mit einem „Ja, in der Tat”.

In der ersten Geschichte, aus der Charly Kowalczyk liest, geht es um ein zwölfjähriges Mädchen, das mit drei Jahren zu ihren Adoptiveltern kam. Von Jungen ist sie meist genervt. Im Streit sagt sie zu ihren Adoptiveltern nur selten, dass sie ja nicht ihre echten Eltern seien. Und wenn, dann habe sie meist ein schlechtes Gewissen. Irgendwann, so sagt sie, werde sie nach ihren echten Eltern forschen.

Schwere Kost bot Kowalczyk mit der zweiten Geschichte, die aus der Perspektive eines Ehepaares im Alter von Mitte 50 geschrieben ist, das sich dazu entschließt, ein Pflegekind bei sich aufzunehmen. Die neunjährige Angelika wurde von den männlichen Mitglieder ihrer „echten” Familie missbraucht und lebte auf einer Müllhalde. All das wussten die Pflegeeltern anfangs nicht, erst im Laufe der Zeit kristallisierte sich dies heraus. Und als Angelika in die Pubertät kam, gab es große Probleme.

Sie hätten in ihrem eigenen Haus Angst gehabt und alle Freunde verloren, aber dafür viele nette Menschen kennen gelernt und geheult, als die Pflegetochter auszog. Kowalczyk beließ es nicht bei den Erzählungen, recherchierte auf eigene Faust nach: Angelika sei heute verheiratet und habe ein wunderbares Verhältnis zu ihren ehemaligen Pflegeeltern. Sie habe ihr Leben nicht wirklich im Griff, sei aber glücklich, so Kowalczyk.

Die dritte Geschichte ist aus einem Buch der Kinder- und Jugendbuchautorin Mirjam Pressler, die heute in Landshut wohnt und einst selbst in einer Pflegefamilie lebte. Diese seien relativ arm gewesen und es sei in der Familie schon derb zugegangen. Aber sie habe dort auch erstmals Kontakt zum Lesen und Büchern gehabt. „Wer weiß, was aus mir ohne Bücher geworden wäre” zeigt sie sich deshalb froh darüber, in einer Pflegefamilie aufgwachsen zu sein.

In der anschließenden Diskussionsrunde gab Charly Kowalczyk zu, dass er selbst überrascht davon war, dass die Pflege- und Adoptivkinder so große Lust hatten, zu reden. Mit Kontakten zu den leiblichen Eltern würden die Kinder selbst viel offener umgehen als die Pflegeeltern, wenn auch nicht immer. Die Pflegeeltern würden sich manchmal mehr Informationen über die Kinder und eine bessere Begleitung durch das Jugendamt wünschen.

„Der Druck bei den Pflegeeltern ist oft sehr groß. Sie wollen immer das Beste für das Pflegekind tun, weil es ja so viel mitgemacht hat im bisherigen Leben. Das überfordert sie häufig. Mann kann nur das tun, was man leisten kann. Dann hat man schon viel erreicht”, so die Philosophie von Charly Kowalczyk, dessen Bücher auch in der Fachwelt hoch anerkannt sind.

Rückblickend auf seine Zeit als Pflegevater sagt er: „Es war oft eine furchtbare, aber auch eine total schöne Zeit. Die Kinder haben viel bekommen, wir aber auch”, schmunzelte er bei der Lesung. Da sie häufig Beziehungsabbrüche zu verkraften müssen, könnten sie diese oft nicht halten und sie verkraften keine Harmonie. „Sie können einfach kein Glück vertragen”, sagt Kowalczyk. Damit müsse man erst einmal zurecht kommen. Das Wichtigste sei, mit den Kindern ehrlich umzugehen.

Im Bild (v. li.): Jugendamtsleiter Manfred Weindl, Autor Charly Kowalczyk, Gerlinde Kaiser und Vorsitzender Martin Wimberger (beide „Pfad für Kinder) sowie der Leiter der Stadtbücherei Pfarrkirchen Michael Kroneder.

Rottal-Inn