Zensur-Irrsinn
Facebook sperrt PaWo-Redakteur wegen Posting von Polizei-Fahndungsaufruf

07.07.2017 | Stand 27.07.2023, 18:06 Uhr

Weil PaWo-Redakteur Martin Reitmeier per PaWo-Facebook-Posting am Freitag einen Polizei-Fahndungsaufruf mit Foto veröffentlicht hat, ist er am Abend für 24 Stunden von Facebook gesperrt worden – weil er angeblich gegen Facebook-Richtlinien verstoßen hat. Sein Bericht:

PASSAU  „Die Polizeiinspektion Passau bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei der Fahndung und Identifizierung eines unbekannten rabiaten Ladendiebes", heißt es in der offiziellen Pressemeldung (hier). „Die Polizei ist auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen."Eine Pressemitteilung wird deshalb an die Presse geschickt, damit diese sie veröffentlicht, um die Bevölkerung zu informieren. Und das macht man dann als Schreiberling in der Printausgabe – oder im Jahr 2013 „gegebenenfalls" auch per Internet. Dass ausgerechnet die Sittenwächter von Facebook etwas gegen einen öffentlichen Polizei-Fahndungsaufruf einzuwenden haben, war mir bislang neu.

Als Administrator der PaWo-Facebook-Seite postete ich den Fahndungsaufruf mit Foto und Link und bat unsere Facebook-Fans, das Foto mit Artikel zu teilen, um die Polizei bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Viele PaWo-Facebook-Fans folgten dem Aufruf und das Posting wurde auch eifrig kommentiert. Es ging vor allem um einen möglichen rechten Hintergrund des Täters, da er auf dem Foto ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Landser Deutsche Wut“ mit Bild eines Soldaten aus dem 2. Weltkrieg trägt.

Als ich am Freitagabend zuhause ankam und per iPhone auf Facebook gehen wollte, ging plötzlich nix: Ich müsse mich neu anmelden, hieß es. Auch das ging nicht. Als ich mich auf meinem Computer einloggen wollte, erschien sogleich die Meldung, dass ich mit besagtem Posting gegen die Facebook-Richtlinien verstoßen hätte und für 24 Stunden gesperrt sei. Um zu verhindern, dass ich erneut gesperrt werde, solle ich die Standards der Facebook-Gemeinschaft gelesen und verstanden haben.

Ich weiß seit mittlerweile dreieinhalb Jahren und tausenden von Postings auf Facebook, dass man beispielsweise mit Nackedei-Fotos Probleme bekommen kann. Nun ja, nicht immer: „Wir sind auch der Meinung, dass Stillen etwas Natürliches und Schönes ist, und freuen uns, dass es den Müttern wichtig ist, diese Erfahrung mit anderen auf Facebook zu teilen. Der Großteil dieser Fotos entspricht unseren Richtlinien", belehrt mich Facebook hier. „Daher werden wir nichts dagegen unternehmen. Fotos, die eine vollständig entblößte Brust zeigen, während das Baby nicht aktiv trinkt, verstoßen gegen Facebooks Erklärung der Rechte und Pflichten." Aha.Der Busen stillender Mütter ist mit Einschränkung erlaubt:

Gegen was habe ich dann also mit dem PaWo-Posting verstoßen? Ich schaue noch mal die Liste durch: Gewalt und Drohungen? Nö. Selbstverletzung? Auch nicht. Mobbing und Belästigung? Normalerweise nicht. Hassreden? Nein. Explizite Inhalte, Nacktheit, Pornographie? Nö. Der ganze Rest auch nicht. Was also tun?

Inzwischen habe ich mich offiziell beschwert und mehrere Nachrichten an diverse aufgeführte Facebook-Kontaktmöglichkeiten geschickt. Immerhin habe ich schon eine automatisierte E-Mail zurückgekriegt – die Facebook-Mitarbeiter trinken vermutlich schon ihr Feierabend-Bierchen:Die schlauen Facebook-Götter haben mir nämlich nicht mitgeteilt, gegen welche Richtlinien ich genau verstoßen habe.

„Hallo, Danke für Dein Feedback. Wir arbeiten stets an der Verbesserung von Facebook. Dein Feedback ist uns wichtig. Obwohl wir auf E-Mails mit Feedback leider nicht einzeln antworten können, lesen wir alle E-Mails. Falls Du Probleme mit Deinem Konto haben solltest, findest Du Informationen zu Facebook sowie Antworten auf viele Deiner Fragen in unserem Hilfebereich. www.facebook.com/help  Danke, Das Facebook-Team"

Ja, danke auch. Im tollen Hilfsbereich war ich nämlich schon und konnte mich über stillende Mütter informieren. Meine Vermutung: Eine automatisierte Facebook-Zensur hat möglicherweise das T-Shirt das gesuchten Täters erfasst und mich als Urheber des Postings als Nazi-Verherrlicher oder was weiß ich eingestuft. Ich kann mich aberrrrrrr (starrrrk rrrrollendes „R") auch täuschen.

Dass es an diversen Kommentaren lag (wie momentan einige PaWo-Fb-User mutmaßen), glaube ich nicht: Wenn ich als Fußballfan an die krassen Beleidigungen denke, die unter harmlosen Manuel Neuer-Postings standen, als er von Schalke zum FC Bayern gewechselt war, müsste nach dieser Logik der Torhüter eigentlich schon längst lebenslanges Facebook-Verbot erhalten haben.

Auf Facebook kann ich nach wie vor reinschauen – nur posten oder kommentieren geht bei mir als „Facebook-Verbrecher" nicht, es erscheint immer der gleiche nette Hinweis (siehe Screenshot oben). Bis Samstagabend bin ich also höchstwahrscheinlich nur ein gezwungenermaßen passives Facebook-Mitglied. Ich gehe nämlich davon aus, dass die Facebook-Mitarbeiter nach ihren Freitagabend-Bierchen bis Samstagabend vermutlich nicht dazukommen werden, ihre Nachrichten zu checken (Ironie wieder aus).

Um die Langeweile ohne Facebook zu überbrücken (Ironie wieder an) schrieb ich also diesen Artikel, von dem ich weiß, dass er sicherlich nicht von irgendwelchen Zuckerbergs gelöscht wird.

Ich bedanke mich bei dem netten Kollegen, der den Artikel in meinem Auftrag auf der PaWo-Facebook-Seite gepostet hat und bin gespannt, ob ich mit diesem Text möglicherweise erneut gegen Facebook-Richtlinien verstoßen habe...

Passau