Moserbräu und die mysteriösen Gutachten
Denkmalamt: "Diese 80 Prozent – ich kann nicht sagen, wo die herkommen"

07.07.2017 | Stand 13.09.2023, 1:21 Uhr
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80 Prozent der Bausubstanz könnte man erhalten, würde man das Moserbräu-Gebäude sanieren. Das – sagen Gegner eines Abrisses – würden Gutachten des Landesamtes für Denkmalpflege zeigen. Jetzt stellt sich raus: Die Zahl stimmt nicht, solche Gutachten gibt es gar nicht.

LANDSHUT Im Streit um den Moserbräu-Abriss wird es immer kurioser. Die Landshuter Zeitung berichtete in ihrer Montagsausgabe darüber, dass „das Denkmalamt“ in „verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen“ immer wieder dargelegt habe, „dass die historische Bausubstanz durch eine Sanierung zu rund 80 Prozent erhalten werden könnte.“ Das Problem daran: Auf Anfrage des Wochenblattes wollte die Pressesprecherin des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLFD), Beate Zarges, das nicht bestätigen. Auf hartnäckiges Nachfragen der Redaktion distanzierte sie sich gar von dieser Aussage. Zarges: „Diese 80 Prozent – ich kann ihnen nicht sagen, wo die herkommen.“

In der Moserbräu-Diskussion war das immer wieder von den Gegnern eines Abrisses als Argument für einen Erhalt des Gebäudes angeführt und das BLFD als Quelle genannt worden. Zu irgendwelchen Aussagen über den tatsächlichen Anteil der erhaltenswerten Bausubstanz wollte sich die Pressesprecherin des BLFD aber gar nicht äußern.

Das wird wohl daran liegen, dass es bisher tatsächlich nur ein Experten-Gutachten gibt. Das ist durch das Büro „Bauer Beratende Ingenieure“ in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Leinhäupl im Auftrag der Ellergruppe angefertigt worden und war dann wohl auch die Grundlage für die Beurteilung durch das BLFD.

In diesem Gutachten kamen die beauftragten Experten zu dem Ergebnis, dass nach erfolgter Sanierung insgesamt maximal noch 20 Prozent ungestörter erhaltenswerter Bausubstanz übrig sei. Auch Johann Eller von der Ellergruppe weiß deshalb nicht, woher diese mysteriösen 80 Prozent kommen. Interessieren würde ihn das aber natürlich brennend, zumal seine Gegner immer wieder damit argumentieren. Eller: „Ich kenne nur ein Gutachten. Das haben wir in Auftrag gegeben.“

Des Rätsels Lösung könnten Stellungnahmen des Landesamtes für Denkmalpflege sein, die den Sitzungsunterlagen der Bausenatssitzung vom 8. Februar 2012 beigefügt waren, in der der Abriss behandelt wurde. Laut Verwaltung war – im Unterschied zu den bisherigen Abriss-Anträgen – erstmals eine grundlegende Analyse des Bestandes vorgenommen worden.

In der Stellungnahme der Verwaltung zu den besagten Sitzungsunterlagen heißt es: „Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, dem das Gutachten (das Eller hatte anfertigen lassen, Anm. der Redaktion) und das Instandsetzungskonzept zur Stellungnahme zugeleitet wurde, vermutet in seinem dreiseitigem Antwortschreiben vom November 2010, dass sich die zu erwartenden Eingriffe in die historische Bausubstanz für die Wohngeschosse in vertretbaren Grenzen (etwa 20 Prozent) halten werden.“

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass explizit von den Wohngeschossen die Rede war, worauf auch die Sprecherin des BLFD im Gespräch mit dem Wochenblatt hinweist. Nach Informationen des Wochenblattes geht es auch nur um ein Zimmer, das „voraussichtlich“ zu 80 Prozent erhalten werden könnte.

Auch heißt es in der Stellungnahme der Verwaltung für den Bausenat: „Bei der Ortsbesichtigung am 2. November 2011, bei der nun auch die bisher nicht beurteilbaren Bereiche im 1. OG zugänglich gemacht wurden, musste festgestellt werden, dass auch eine erhebliche statische Schädigung der Außenwände vorhanden ist.“ Der in der Tageszeitung genannte Experte, der Bauforscher Oliver Lindauer, auf den das BLFD laut „LZ“ in der Sache bestanden habe, hatte das Gebäude aber offenbar zu einem viel früheren Zeitpunkt gesehen.

Auch eine barocke Treppe, die laut Tageszeitung „abgesägt wurde“, könne man ihm nicht anlasten, so Johann Eller. Die habe es zum Zeitpunkt des Hauskaufs bereits nicht mehr gegeben, so die Ellerguppe auf Anfrage der Redaktion.

Beim Landesamt für Denkmalpflege geht man derweil davon aus, dass in der öffentlichen Diskussion offenbar einiges missverstanden worden ist. Es seien völlig falsche Zusammenhänge hergestellt worden, war aus der Behörde zu hören. Zudem seien die Stellungnahmen des BLFD auch gar nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für die Behörden und die zuständigen Gremien bestimmt gewesen. Verbindlich antworten wollte man aber nur auf schriftliche Anfragen durch die Redaktion. Die bekam das BLFD dann auch prompt am Montag.

Unter anderem wollte das Wochenblatt wissen: „Hat sich ein Gutachter der Behörde das Haus ganz angesehen? Wenn ja: Wann?“ Auch baten wir um Auskunft, ob der jetzige Besitzer schuld an dem schlechten baulichen Zustand des Hauses sei und ob es eine schriftliche Förderzusage in sechsstelliger Höhe für die Ellergruppe im Fall einer Sanierung gegeben habe.

Die Antwort der Behörde auf sechs Wochenblatt-Fragen fiel mit einem Satz denkbar knapp aus: „Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat sich seit 1986 für den Erhalt des Moserbräus eingesetzt und die gestellten Abbruchanträge abgelehnt.“

Landshut