Frau verlor Baby – Verhandlung vor Gericht
Schwangerer Frau in den Bauch getreten

07.07.2017 | Stand 28.07.2023, 3:58 Uhr
−Foto: n/a

Weil er seiner schwangeren Frau in den Bauch getreten hat und die zwei Tage später ihr Kind verlor, stand in Landshut ein 50-jähriger Mann vor Gericht. Er kam mit einer milden Strafe davon. Ein Zusammenhang zwischen den Tritten und dem Abgang sei nicht nachzuweisen, so das Gericht.

LANDSHUT Eine „rohe Gesinnung“ bescheinigte Vorsitzender Richter Robert Mader einem 50-jährigen ehemaligen Kraftfahrer, der seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau (37), die in der zehnten Woche schwanger war, mit Tritten in den Bauch traktiert zu haben. Ob die allerdings ursächlich für den zwei Tage später erfolgten Abgang des Fötus waren, konnte im Prozess vor der 2. Strafkammer des Landgerichts nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden. So kam der angehende Frührentner mit einer moderaten Bewährungsstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung davon.

Die Anklage warf dem 50-Jährigen, der jetzt in Ehingen lebt und in den 90er Jahren bereits eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verbüßt hatte, vor, am 27. März 2011 seiner damaligen schwangeren Ehefrau mindestens drei kräftige Fußtritte in den Bauch versetzt und damit einen Abgang zumindest billigend in Kauf genommen zu haben.

Tatsächlich bekam die heute 37-jährige Mutter von zwei Söhnen in der Folge starke Schmerzen und dann in den Morgenstunden des 29. März Blutungen. Da suchte sie zwar noch das Krankenhaus auf, es konnte ihr aber nicht mehr geholfen werden: Die gelernte Krankenschwester hatte einen Abgang.

Bereits vor einem Jahr hatte sich das Schöffengericht beim Amtsgericht mit dem Fall zu beschaffen, wo der Kraftfahrer – ebenso wie seine Ex-Ehefrau mit litauischen Wurzeln – mit einem Freispruch die Anklagebank verlassen konnte. Das Schöffengericht hatte den damit begründet, dass sich nicht mehr aufklären lasse, was damals passiert und auf was die Fehlgeburt letztlich zurückzuführen sei. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen den Anklagevorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung mit Schwangerschaftsabbruch als erwiesen angesehen und eine Vollzugsstrafe von zweieinhalb Jahren für den 50-Jährigen beantragt.

Gegen den Freispruch ging die Staatsanwaltschaft in Berufung und so saß der 50-Jährige, der inzwischen krankheitsbedingt Rente beantragt hat, erneut auf der Anklagebank, diesmal vor der 2. Strafkammer des Landgerichts, wo er bei seiner Version blieb: „Ich habe sie nicht geschlagen und schon gar nicht in den Bauch getreten.“

Streit habe es damals praktisch ständig gegeben, weil seine Ex-Frau trotz Schwangerschaft Alkohol im Übermaß getrunken und sich nicht um die Kinder, vor allem nicht um den acht Jahre alten gemeinsamen Sohn gekümmert habe. In der Nacht zum 27. März sei sie offenbar auf der Treppe im Haus gestürzt: „Ich habe im Schlafzimmer in Gepoltere gehört und nachgefragt, sie hat aber gesagt, dass alles in Ordnung sei.“

Am nächsten Morgen – einem Sonntag – habe sie dann darauf bestanden, dass er beim Bäcker noch eine Flasche Weinbrand hole. Davon habe sie sich dann – gemischt mit Cola¨– reichlich bedient und er habe aus Ärger darüber mitgetrunken, „aber wesentlich weniger.“ Dann sei seine Ex wieder ausgerastet, habe ihn beleidigt und geschlagen. Er habe daraufhin die Wohnung demoliert und sei dann mit dem Auto weggefahren. „Ich wollte mich sogar umbringen“, beteuerte der 50-Jährige.

Tatsächlich hatte die 37-Jährige wie die spätere Atemalkoholmessung durch die Polizeibeamten nachwies, rund zwei Promille intus, die dem Ex-Ehemann entnommene Blutprobe ergab rund 1,7 Promille. Elena D. hatte sich nach der Auseinandersetzung zu einem Nachbarn geflüchtet, der wiederum die Polizei verständigte. Ihm hatte sie auch erzählt, dass sie von ihrem Mann geschlagen und getreten worden sei, während den Beamten gegenüber nur noch von Schlägen die Rede war.

Die Ex-Ehefrau blieb bei ihrer Schilderung: Ihr völlig betrunkener Ex-Ehemann habe um die Mittagszeit zunächst in der Küche randaliert und sich dann mit dem acht Monate alten Sohn im Wohnzimmer auf die Couch gelegt. Weil er das Baby in den „Schwitzkasten“ genommen habe, habe sie ihm den Buben abnehmen wollen und sich dazu zunächst zu seinen Füßen auf die Couch gesetzt. Dort habe er dann mit den Füßen seitlich auf ihren Bauch eingetreten. Als der damals neunjährige Sohn dazu gekommen sei, habe er von ihr abgelassen. Sie habe das Baby gepackt und sei damit zu einem Nachbarn geflüchtet. Der bestätigte, dass ihm die 36-Jährige erzählt habe, von ihrem Mann geschlagen und getreten worden zu sein.

Für die 37-jährige Oberärztin des Landshuter Klinikums, die die Schwangere zunächst in der Ambulanz untersucht hatte, war die Erklärung mit den Tritten für den Abgang „sehr plausibel“. Sie konnte allerdings nicht ausschließen, dass die Fehlgeburt auch auf einen Treppensturz, auf übermäßigen chronischen Alkoholmissbrauch bzw. auf eine Chromosomenanomalie zurückzuführen sei.

Die Kammer sah letztlich – wie auch Staatsanwalt Tilman Roß und Nebenklägervertreter Wolfgang Heidersberger – nur noch die vorsätzliche Körperverletzung durch die Fußtritte als erwiesen an, was die Fehlgeburt angehe, lasse sich die Kausalität nicht mit letzter Sicherheit nachweisen, so Vorsitzender Richter Robert Mader in der Urteilsbegründung. Anton D. kam mit einer Bewährungsstrafe von neun Monaten davon, in die auch noch die bereits verhängte Strafe für die damalige Trunkenheitsfahrt nach der Auseinandersetzung einbezogen war.

Die Tritte, so die Kammer, habe auch der inzwischen elfjährige Stiefsohn beobachtet und bestätigt. Zugunsten des Angeklagten habe sich seine damalige Verärgerung über die Trinkerei seiner schwangeren Frau ausgewirkt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr auf Bewährung, der Nebenklägervertreter sogar eine Vollzugsstrafe von einem Jahr gefordert. Die Verteidigerin hatte auf Widersprüche in der Aussage der Ex-Ehefrau verwiesen und die Vermutung geäußert, dass ihr 11-jähriger Sohn auf seine Aussage entsprechend „vorbereitet“ gewesen sei. Sie beantragte Freispruch.

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