60.000 Euro für umstrittene sakrale Kunst
Das Kreuz mit dem Kreuzweg in Landshut

05.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:29 Uhr
Alexander Schmid
−Foto: n/a

Der neue Kreuzweg bei Landshuts Wahrzeichen, der Martinskirche, sorgt für Diskussionen, nicht nur bei den Katholiken in der Stadt. Manch einem sind 60.000 Euro für "einen Haufen verrostetes Metall" einfach zu viel.

LANDSHUT Für den einen ist es Kunst, für die pensionierte Kunstlehrerin Lore M. (Name der Redaktion bekannt) einfach nur ein kostspieliger Haufen verrostetes Altmetall. Mit dem neuen Kreuzweg hinter der Martinskirche kann sie nicht nur aus gestalterischen Gründen nicht viel anfangen. „Wie kann es sein, dass 60.000 Euro Spendengelder in einer Zeit von gigantischen Umweltkatastrophen für einen Kreuzweg ausgegeben werden“, fragt sich wohl nicht nur sie.

Denn auch andere Kirchenbesucher mit eher konservativen Geschmack in Bezug auf sakrale Kunst stehen ratlos und mit dem Kopf schüttelnd vor der modernen Installation gleich neben dem Seitenportal. In der Hand haben sie einen gelben Zettel, auf denen die einzelnen Stationen aufgeführt sind und den sie von einem Stapel in der Martinskirche haben. Ohne diesen Zettel ist es praktisch unmöglich, die einzelnen Stationen des Kreuzweges nur anhand der Kunstwerke aus Eisen, Bronze und äthiopischen Sandstein zu erkennen.

„Jesus wird mit Dornen gekrönt“, heißt zum Beispiel die dritte Station des Kreuzweges. Erkennen kann man sie an den römischen Ziffern unterhalb des Kunstwerkes. Zu sehen sind verbogene und verrostete Metallteile. Mit Dornen hat das nicht nur für Lore M. jedenfalls nicht viel zu tun. Mit Jesus schon gar nicht. „Für mich sieht das nur so aus, als hätte da jemand allerlei rostige Metallteile zusammengeschweißt“, so die ehemalige Kunsterzieherin. Allerdings für jede Menge Geld. 

60.000 Euro, die ein Privatmann der Kirche für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte, zahlte die Kirche dem Künstler Reinhard „Biwi“ Köppl. Der hatte den Kreuzweg zunächst auf sein eigenes Risiko hin installiert. Doch das Gesamtkunstwerk gefiel Pfarrgemeinderat, Kirchenverwaltung und auch der Stadt so gut, dass ein „angemessenes Honorar“ floss.

Angemessen findet Lore M. das nicht, sondern eher „traurig, wenn ich erst eine Gebrauchsanleitung brauche, um den Schrott überhaupt zu verstehen.“

Auf diese Kritik war man seitens der Pfarrgemeinde gefasst. „Kunst hat schon immer provoziert und das soll sie auch und das ist auch gut so“, so Pfarrgemeinderatsvorsitzender Manfred Gebel. Er findet es schön, dass über den Kreuzweg diskutiert werde „und man sich damit auseinandersetzt“.

In Anbetracht des wuchtigen Baus der Martinskirche habe der Künstler etwas „untergeordnetes und ganz minimiertes“ schaffen wollen. Und an den „Strichmanderln“, wie es ein Kritiker ihm gegenüber genannt habe, störe er sich selbst nicht. Denn: „Strichmännchen gibt es schließlich schon so lange es die Menscheit gibt.“ Es gebe allerdings auch positive Stimmen. „Die finden es großartig, dass man den Glauben nach außen trägt, auf einen dafür prädestinierten Platz.“

Auch die Randalierer haben die Kunstwerke bereits für sich entdeckt. Einige Metallteile seien laut Gebel bereits verbogen worden.

Kommentar: Teure Kunst statt schlichter "Kreizerl"

Kunst ist bekanntlich Geschmackssache. Und dass über den neuen Kreuzweg diskutiert und gestritten wird, das war angesichts der tatsächlich äußerst reduzierten Art und Weise der Darstellung und der Auswahl der Materialien abzusehen. Der Künstler mag sich bei jeder Station so seine Gedanken gemacht haben. Ob’s gefällt oder nicht, das muss jeder selbst entscheiden. Unstrittig ist dagegen wohl, dass 60.000 Euro für einen Kreuzweg ein mehr als happiger Betrag sind. Wenn ein privater Spender, wie hier geschehen, ein gutes Werk tun möchte und der Kirche so viel Geld zur Verfügung stellt, dann hätte man vielleicht zuerst an etwas anderes denken müssen. Zum Beispiel an das Kreuz, das andere Menschen zu tragen haben und denen man mit solch einem stattlichen Betrag unter die Arme hätte greifen können. Stattdessen können sich Stiftspropst und die Pfarrgemeinde jetzt an einem künstlerisch herausragenden Kreuzweg erfreuen und müssen sich nicht mehr nur die wenig repräsentativen schlichten „Kreizerln“ (wie der Stiftspropst in der Tageszeitung zitiert wurde) im Kircheninneren ansehen. Das ist ja auch was wert.

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