Kann Mheddin Saho noch geholfen werden?
Abschiebe-Drama um blinden Syrer aus Rottenburg!

21.08.2019 | Stand 12.10.2023, 10:57 Uhr
−Foto: n/a

Mheddin Saho hat konkrete Pläne. Der junge Syrer möchte neue Methoden erforschen, die den Spracherwerb für Sehbehinderte erleichtern. Saho weiß, wie schwierig das aktuell ist, denn der 25-Jährige ist blind. Doch dem Asylbewerber droht nun die Abschiebung. Schon am Donnerstag soll der junge Mann nach Spanien geflogen werden.

ROTTENBURG Dabei hat Saho mittlerweile in Rottenburg bei Gerhard und Gisela Zierer ein neues Zuhause gefunden. „Mheddin wohnt seit Juli bei uns und gehört längst zur Familie“, sagt Gisela Zierer, die es nicht fassen kann, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den blinden Syrer am Donnerstagmorgen zwischen 3 und 7 Uhr abholen und zum Flughafen bringen will.

„Mheddin ist aufgrund seiner Blindheit zu 100 Prozent schwerbehindert und extrem auf Hilfe angewiesen. Hier in Rottenburg kümmert sich einerseits sein bereits anerkannter und integrierter Cousin um ihn. Andererseits haben wir ihn als Familie bei uns aufgenommen, da der Cousin oft beruflich unterwegs ist. Hier hat er alles, was er braucht“, sagt Gisela Zierer. Saho lebt mietfrei bei der Rottenburger Familie, die sich um seine Papiere, die Wäsche und sonstige Dinge kümmert, bei denen er als Blinder besondere Hilfe braucht. „Im Gegenzug hilft er im Rahmen seiner Möglichkeiten im Haushalt und verbessert unsere Englisch-Kenntnisse.“ Darüber hinaus engagiert sich der 25-Jährige in der Volkshochschule, hilft anderen Flüchtlingen.

Rechtlich ist der Fall kompliziert. Saho, der von 2014 bis Januar 2019 an der Elitehochschule Middle Eastern Technical University in Ankara/Türkei Anglistik studiert und seinen Abschluss mit Bestnote gemacht hatte, könnte nun ein zweiwöchiger Aufenthalt im spanischen Bilbao – im Rahmen des Erasmus-Programms – zum Verhängnis werden. Aus dieser Zeit stammt das spanische Visum, das aufgrund der sogenannten Dublin-Verordnung jetzt zum Tragen kommen könnte.

Bereits am 22. Juli wurde der 25-Jährige überraschend von der Polizei aus seinem Zimmer geholt und zum Flughafen gebracht, um nach Barcelona überführt zu werden. Als der blinde Syrer im Flugzeug war, bekam er Panik. Daraufhin hatte sich der Pilot entschieden, Saho nicht mitzunehmen.

Doch dieses Schicksal droht nun ein weiteres Mal. Am Donnerstagvormittag soll der 25-Jährige endgültig in den Flieger nach Barcelona steigen. Die Zierers sind schockiert. „In Spanien hat er weder Freunde noch Verwandte, die sich um ihn kümmern und ihn versorgen können. Als Ausländer bekommt er auch keine Hilfe von der spanischen Blinden-Organisation und kann sich dort nicht zurechtfinden“, sagt Gisela Zierer. Dies habe Saho bereits schmerzlich feststellen müssen, als er im Rahmen des Erasmus-Programms an einem Studentenaustausch in Bilbao teilgenommen hatte. Zierer zum Wochenblatt: „Nach nur zwei Wochen musste Mheddin den Aufenthalt abbrechen, weil es auf den Straßen für ihn lebensgefährlich war.“

Hier in Rottenburg habe er Familienanschluss sowie die Zusage seines Professors von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), dass er auf jeden Fall sein Studium im Oktober antreten dürfe, auch wenn der Aufenthaltstitel noch nicht endgültig geklärt sei. Sein geplantes Engagement im Bereich der Sprachlerndidaktik wäre für viele erblindete Menschen von großem Nutzen.

Die Zierers haben nun alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Abschiebung des 25-Jährigen zu verhindern. Binnen weniger Tage hat Gisela Zierer mehr als 500 Unterschriften gesammelt, hinzukommen mehr als 70 Unterschriften der zugehörigen Online-Petition auf avaaz.org. Darüber hinaus bittet die Familie in einem direkten Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer um einen Abschiebestopp für den blinden Syrer. „Die Begründung des Abschiebebescheides für Mheddin ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar“, schüttelt Gisela Zierer den Kopf. „Außerdem würde die Überstellungsfrist am 6. September ablaufen.“

Die Zierers und vor allem Mheddin Saho hoffen nun, dass die Abschiebung des blinden Syrers doch noch schnell gestoppt werden kann. Gisela Zierer bleibt kämpferisch: „Wir werden in diesen wenigen Stunden alles versuchen. Die Hoffnung ist das Letzte, das wir aufgeben...“

Landshut