Warnstreiks bei den BMW-Betrieben
IG Metall macht Druck nach abgebrochenen Verhandlungen

01.02.2018 | Stand 25.07.2023, 2:37 Uhr
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Am Freitag ruft die IG Metall-Geschäftsstelle Landshut in vier Betrieben von Landshut bis Dingolfing zu ganztägigen Warnstreiks im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie auf. Die Metallgewerkschaft hat in den letzten drei Tagen ein Mitgliedervotum durchgeführt, in dem die Gewerkschaftsmitglieder darüber abstimmen konnten, ob sie ihre Gewerkschaft bei einem Warnstreik rund um die Uhr unterstützen.

LANDSHUT Der Streikleiter der IG Metall, Robert Grashei, sagt zum Ergebnis des Votums: „Wir haben eine überwältigende Zustimmung zum ganztägigen Warnstreik unserer Mitglieder in den fünf befragten Betrieben erhalten. Ja, die Beschäftigten sind streikbereit und wollen ein besseres Ergebnis als die Arbeitgeber für die Branche bisher angeboten haben.“ Die ganztägigen Arbeitsniederlegungen sind die Reaktion der Gewerkschaft auf die abgebrochenen Verhandlungen vom vergangenen Wochenende in Stuttgart. Dort sollte im Pilotbezirk Baden-Württemberg eine Lösung für die gesamte Branche mit rund 3,9 Millionen Beschäftigten gefunden werden.

Nach Angaben der Gewerkschaft ist sie den Arbeitgebern weit entgegengekommen und hätte für eine kräftige Erhöhung der Einkommen in diesem Jahr eine Laufzeit des neuen Tarifabschlusses von 27 Monaten akzeptiert. Dies hätte den Betrieben eine langfristige Planungssicherheit gegeben. Im Paket wäre auch der Einstieg in die „verkürzte Vollzeit“ bis zu 28 Wochenstunden beinhaltet gewesen. Hierbei hätten Schichtarbeiter, Beschäftigte die ihre Kinder betreuen oder Angehörige pflegen müssen, einen Teilausgleich für ihr Einkommen erhalten. Dieser wäre über die Erhöhung des Urlaubsgeldes finanziert worden und die Beschäftigten hätten dabei wählen können, ob sie die Zeit oder das Geld nehmen.

Aber diese Kompromissvorschläge seien von den Arbeitgebern bekanntlich am Samstagmittag in Stuttgart vom Tisch gewischt und somit der Abbruch provoziert worden. Metaller Grashei kommentiert: „Jetzt müssen wir wieder von vorne anfangen. Mit den ganztägigen Warnstreiks gilt die überreichte Forderung vom November vergangenen Jahres. Die IG Metall will für ihre Mitglieder 6 Prozent mehr Geld für 12 Monate und Arbeitszeiten, die besser zum Leben passen. Die Arbeitgeber haben mit ihrer fehlenden Kompromissfähigkeit jetzt die ökonomischen Folgen selbst zu verantworten.“

Beginnen wird die größte Einzelgewerkschaft am Freitagmorgen mit der Frühschicht von BMW in Dingolfing. Dort sollen die rund 5.000 Beschäftigten um 5 Uhr erst gar nicht zur Arbeit erscheinen, wenn sie dem Aufruf der Metallgewerkschaft folgen. Alle folgenden Schichten sollen sich ebenfalls am Warnstreik beteiligen und somit für einen Produktionsausfall von 1.600 Fahrzeugen beim Premiumhersteller sorgen. Weiter geht es dann im Landshuter Komponentenwerk der BMW AG. Dort beginnt der Warnstreik ab 6 Uhr morgens und wird auch rund um die Uhr zu einem Stopp in der Produktion führen.

Damit trifft die IG Metall den Nerv des Automobilherstellers. Denn mit den eng verketteten Produktionssystemen und dem sensiblen Logistiknetzwerk wird ein hoher Druck beim bayerischen Autobauer erzeugt. Um diese Wirkung vollends zu entfachen hat die Metallgewerkschaft auch den Logistikdienstleister Schnellecke in Dingolfing und Betriebsteile von Kühne+Nagel in Niederaichbach mit einbezogen.

Vorerst nicht zum Warnstreik rund um die Uhr ist das Filterwerk von Mann+Hummel in Marklkofen aufgerufen. Dort soll am Freitag ganz normal gearbeitet werden. Ebenso werden auch die beiden Standorte für die Auslieferung von Ersatzteilen der BMW Group in Bruckberg und Wallersdorf nicht vom ganztägigen Warnstreik betroffen sein. Der Streikleiter der IG Metall, Robert Grashei, begründet die Entscheidung seiner Gewerkschaft: „Wir wollen in erster Linie die Endhersteller treffen. Sie sind entscheidend für die Branche. Deshalb halten wir uns bei Betrieben, die überwiegend für den Ersatzteilemarkt produzieren oder Ersatzteile an Werkstätten ausliefern zurück.“

Nach Gewerkschaftsangaben werden rund 15.000 IG Metall-Mitglieder zum ganztägigen Warnstreik von Landshut bis Dingolfing aufgerufen. Die IG Metall geht aber von einer noch größeren Beteiligung aus, so Grashei: „Es gibt eine breite Solidarität, und viele Beschäftigte unterstützen uns als Gewerkschaft, obwohl sie keine Streikunterstützung bekommen.“ Die Gewerkschaftsmitglieder erhalten während der Arbeitsniederlegung rund um die Uhr ein Streikgeld. Diese richtet sich nach der Höhe ihres Mitgliedsbeitrages. So bekommt ein Metaller, der sich mit dem Ausfall seiner ganzen Schicht am Streik beteiligt zwischen 70 und 90 Euro.

Dabei nutzt die IG Metall im Zeitalter der Digitalisierung diese Möglichkeiten und hat ihre Mitglieder mit Streikkarten ausgestattet. Hiermit können sich Streikende bequem von zu Hause auf der Internetseite ihrer Gewerkschaft anmelden, als Streikende registrieren und mit einem Code ihre Streikgeldüberweisung in Gang setzen. So kommt der Arbeitskampf auch im 21. Jahrhundert an.

Mit Beginn der seit Mittwoch gestarteten ganztägigen Warnstreiks setzt die Metallgewerkschaft am Freitag eine Spitze und bestreikt flächendeckend die Automobilhersteller. Damit sollen die Arbeitgeber und ihre Verbände bewegt werden, um am Samstag wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Denn während der Warnstreiks finden keine Verhandlungen mehr statt. Wie die Tarifrunde in der Branche weitergeht und welche Lösungsmöglichkeiten die IG Metall sieht, wird in zwei Kundgebungen während des ganztägigen Warnstreiks am Freitag den Interessierten bekanntgegeben.

In Dingolfing wird diese vor dem Tor 3 des BMW Werkes 2.4 ab 13 Uhr stattfinden. Dort wird der Bayerische Verhandlungsführer der IG Metall, Bezirksleiter Jürgen Wechsler, zu den Streikenden sprechen. In Landshut findet die Kundgebung vor dem Tor 2 des BMW Werkes 4.1 in der Meisenstraße ab 13.30 Uhr statt. Nach Angaben der Streikleitung erwartet die IG Metall keine Störungen ihrer Warnstreikaktionen.

Nach neuem Recht im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dürfen Leiharbeitnehmer nicht in einem Betrieb eingesetzt werden, der in einem Tarifkonflikt von der Gewerkschaft bestreikt wird. Ausdrücklich verboten ist der Einsatz einer Leiharbeitskraft auf einem Arbeitsplatz von einem am Streik sich beteiligendem Beschäftigten des bestreikten Unternehmens. Deshalb erwartet Robert Grashei von der IG Metall einen reibungslosen Ablauf: „Wir haben uns mit den Werkleitungen im Vorfeld der bestreikten Betriebe verständigt und Notdienstarbeiten vereinbart. Schließlich wollen wir ein Tarifergebnis erzielen und nur kurzfristig Produktionsausfälle verursachen. Die Betriebsanlagen müssen funktionsfähig erhalten werden.“

Landshut