Erhebliche Fehler bei Befunderhebung?
Nach der Stammzellen-Spende klagt Bernd Wiesner gegen seine Hausärztin!

22.01.2018 | Stand 13.09.2023, 6:27 Uhr
−Foto: n/a

Das Schicksal von Bernd Wiesner hat niemanden kalt gelassen. Der 43-Jährige ist an einer bösen Form der Leukämie – MDS (myelodysplastische Syndrome mit Höchst-Risiko-Gruppe) – erkrankt (das Wochenblatt berichtete). Der Hohenthanner unterzog sich im Oktober einer Stammzellen-Transplantation. „Ob mein Mann geheilt ist, wissen wir erst in zwei Jahren“, sagt Ehefrau Sonja Wiesner. Die Familie aus Hohenthann führt neben dem Kampf gegen die Leukämie nun noch ein zweites, juristisches Gefecht: Man hat Klage gegen die behandelnde Hausärztin eingereicht.

HOHENTHANN Thomas Hofknecht, Anwalt der Dr. Jockisch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Fachanwalt für Medizinrecht, zum Wochenblatt: „Wir sind uns sicher, dass der Ärztin bei der Befunderhebung erhebliche Fehler unterlaufen sind.“ Aufgrund einer Diabetes-Erkrankung war Bernd Wiesner bereits seit 2015 in engmaschiger ärztlicher Kontrolle – und hier wurde regelmäßig – alle ein bis zwei Monate – das Blut kontrolliert. „Bereits im September 2016 verringerte sich die Zahl der Thrombozyten im Blut stark, so dass diese bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich unter dem Normalwert lagen“, sagt Thomas Hofknecht. Innerhalb eines halben Jahres habe die Anzahl um gut die Hälfte abgenommen. Bis zum März vergangenen Jahres fiel der Wert sogar weiter auf 84.000 pro Mikroliter Blut. Normal sei eine Zahl von etwa 150.000 bis 361.000.

Darüber hinaus habe Wiesner zunehmend über Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit geklagt. Trotz dieser Symptome sei die Ärztin weiter von einer Autoimmunerkrankung ausgegangen. Hofknecht: „Diese Diagnose war zu diesem Zeitpunkt vom Facharztstandard her aufgrund der vorliegenden Befunde unvertretbar und ist als fundamentaler Irrtum zu werten. Jeder Arzt hätte anhand der geschilderten Symptome und des Blutbildes, insbesondere der stark sinkenden Zahl der Thrombozyten, die Diagnose Leukämie gestellt.“

Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Knochenmarksuntersuchung dringend nötig gewesen. Der Anwalt und auch der behandelnde Arzt der Uniklinik Regensburg (eine Stellungnahme liegt vor) gehen auch davon aus, dass sich beim Erkrankten infolge der Leukämie ein Abszess gebildet hat, der im Mai 2017 unter Vollnarkose operiert werden musste. Im Rahmen der Voruntersuchungen zu dieser OP wurden im Achdorfer Krankenhaus die gesunkenen Thrombozyten-Werte festgestellt.

Sonja Wiesner: „Daraufhin wurden wir zum ersten Mal über die sinkenden Werte informiert, aber all unsere Sorgen bezüglich einer Leukämie oder einem Tumor permanent, bis zuletzt beschwichtigt.“ Die Ärztin habe zu ihr gesagt: „Frau Wiesner, schauen Sie nicht so panisch, Ihr Mann hat nichts Schlimmes.“ Erst als Ende Juni die Thrombozyten nur noch bei 29.000 lagen, habe die Hausärztin ihren Mann ins Klinikum Landshut zur Abklärung geschickt. „Erst dort wurde dann Ende Juni mittels Knochenmarkspunktion die Diagnose gestellt“, so Sonja Wiesner. Die chronische Form („myelodysplastisches Syndrom“) habe im weiteren Verlauf eine schwere Form – „akute Leukämie“ bzw. „akute myeloische Leukämie“ – angenommen. Diese sei am 5. Oktober vergangenen Jahres festgestellt worden. Nach einer hoch dosierten Chemotherapie über acht Tage wurde bei Bernd Wiesner am 24. Oktober im Klinikum Regensburg eine Transplantation von Stammzellen vorgenommen.

Anwalt Thomas Hofknecht: „Bei der rechtzeitigen Diagnose, spätestens im März 2017 und Einleitung der Behandlung wäre die Leukämie deutlich milder verlaufen. Dies wäre schon bei einer drei Monate früheren Diagnose der Fall gewesen. Sie wäre sicher nicht ,akut‘ geworden und es hätten dann vor der Transplantation im Oktober schon drei Tage Chemotherapie ausgereicht.“ Rechtsanwalt Dr. Martin Jockisch ist sich zudem sicher: „Die Ärztin hätte viel früher – mindestens drei Monate – Alarm schlagen und aktiv werden müssen.“

Auch wenn sich Bernd Wiesner aktuell langsam auf dem Weg der Besserung befinde, könne es durchaus sein, dass er unter Spätfolgen leiden müsse. Thomas Hofknecht: „Infolge dieser längeren intensiveren Chemotherapie und schwereren Leukämieform ist in Zukunft die Entstehung von Tumoren auch noch in Jahren begünstigt.“

Für Sonja Wiesner geht es derweil nicht um Schmerzensgeld. „Ich will, dass den Ärzten genauer auf die Finger geschaut wird. So geht man nicht mit Patienten um. Man muss die Ängste und Sorgen ernst nehmen. Das war bei meinem Mann, der nur Kassenpatient ist, nicht der Fall!“

Die Ärztin wollte keine Stellungnahme abgeben.

Landshut