Wie sich die Pferdeführer gegen Pferdetritte schützen
Mit Carbonfaser im Schuh ins Mittelalter

12.07.2017 | Stand 21.07.2023, 9:37 Uhr
−Foto: n/a

Rund 1.000 Kilo, dazu mit Eisen beschlagene Hufe - es braucht keine Fantasie um sich auszumalen, dass es nicht nur schmerzhaft, sondern auch gefährlich ist, wenn bei der Landshuter Hochzeit ein Pferdehuf auf einen Menschenfuß trifft. Die Pferdeführer haben deshalb heuer ganz besondere Stiefel an.

LANDSHUT Pferdeführer bei der Landshuter Hochzeit leben während der Aufführung nicht ganz ungefährlich. Von Zeit zu Zeit kann es passieren, dass eines der schweren Tiere, die zum Beispiel den Brautgutwagen ziehen oder die Sänfte tragen, nicht dahin tritt, wo es hintreten soll. Dumm, wenn dann ausgerechnet der Fuß eines Kostümierten im Weg steht. „Die Tiere wiegen zwischen 700 und 1.000 Kilo“, sagt der 27-jährige Sebastian Forster, der selbst in der Gruppe der Pferdeführer aktiv ist. Was passiert, wenn ein mit Eisen beschlagener Huf auf den Pferdeführerfuß tritt, kann man sich vorstellen. „Das gibt üble Verletzungen“, sagt Forster. Deshalb hat er sich zusammen mit seinem Vater Robert (56), er wirkt ebenfalls bei der Landshuter Hochzeit bei den Zünften mit, etwas einfallen lassen: Die beiden, die zusammen ein orthopädisches Schuhgeschäft am Regierungsplatz in Landshut führen, haben ganz besondere Stiefel kreiert. Zum Einsatz kamen dabei nicht nur Werkstoffe, die man schon im Mittelalter genutzt hat, sondern auch ein Material, dass vor allem Autobauer nutzen: Carbonfaser.

Die spitzen Lederstiefel, wie man sie im Mittelalter getragen hat, mit Stahlkappen auszurüsten, das ist praktisch nicht möglich. „Die Schuhe werden dann steif und klobig. Man könnte in ihnen kaum noch gehen. Die Pferdeführer müssten dann wie Enten watscheln“, erklärt Vater Robert. Ungeschützt neben einem Pferd hergehen, das ist allerdings auch eine riskante Sache. Die Tiere werden schon einmal unruhig durch die Menschenmassen beim Umzug. In der Vergangenheit ist es deshalb immer wieder mal zu Verletzungen beim Umgang mit den Tieren gekommen. Vor vier Jahren haben Vater und Sohn deshalb etwas ausprobiert: Sie haben die Stiefel eines Pferdeführers im Fußbereich mit einer Carbonfaser-Folie verstärkt, die mit Leim verfestigt wurde. Die Stiefel blieben so an der Spitze beweglich, sodass man darin noch ordentlich gehen konnten – und sie bewährten sich auch im Ernstfall. „Der Betreffende wollte sich zwar nicht absichtlich von einem Pferd treten lassen, damit wir sehen, ob das funktioniert“, erinnert sich Robert Forster.

Allerdings passierte ausgerechnet ihm am Ende der Landshuter Hochzeit genau das, wovor jeder Pferdeführer höllischen Respekt hat: Eines der schweren Tiere latsche auf den Fuß seines Führers und es passierte: nichts!

Die carbonverstärkten Stiefel haben den Fuß des Kostümierten vor einem schlimmen Schaden bewahrt. „Das Gefährliche ist ja, wenn das Pferd mit seinem beschlagenen Huf auf dem Fuß auch noch abrutscht“, so Sebastian Forster. Die Zehen würden dann regelrecht zerquetscht. Die Kanten der eisernen Hufe seien brandgefährlich.

Davor schützen jetzt die Hightech-Mittelalter-Stiefel, denen man ihr modernes Innenleben von außen nicht ansieht. Rund eineinhalb Tage dauert es, bis ein Paar der Sicherheitsstiefel fertig ist.

„30 Paar der Stiefel haben wir für die Förderer angefertigt“, so der Schuhmacher. Wenn also tatsächlich bei der kommenden Aufführung eines der Pferde auf den Fuß eines Pferdeführers steigt und der trotzdem „Halloooo...“ und nicht „Auaaaaaa....“ schreit, dann ist das Robert und Sebastian Forster zu verdanken.

Landshut