Verfahren gegen suspendierten Beamten
Körperverletzung auf der Landshuter Polizeiwache: Beamter (49) gesteht Fehler ein

11.07.2017 | Stand 24.07.2023, 14:53 Uhr
−Foto: n/a

Ein Beamter der Landshuter Polizei, der auf der Wache in der Neustadt einen jungen Asylbewerber zu hart angepackt hatte, hat im Berufungsverfahren sein Fehlverhalten eingeräumt. Das Gericht verhängte gegen ihn eine Geldstrafe.

LANDSHUT Der Strafrichter beim Amtsgericht hatte einem (suspendierten) 49-jährigen Polizeihauptkommissar noch angekreidet, dass „ein gstandner bayerischer Polizist nicht dazu steht, was er falsch gemacht hat” und deshalb gegen ihn wegen Körperverletzung im Amt und versuchter Nötigung eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten verhängt. Vor der Berufungskammer des Landgerichts räumte der ehemalige Dienstgruppenleiter bei der PI Landshut einen „Fehler” ein und kam mit einer Geldstrafe von 6.000 Euro (150 Tagessätze à 40 Euro) davon.

Was war passiert? Drei afghanische Jugendliche waren im August 2015 aus der Unterkunft in Landau ausgerissen und mit dem Zug „schwarz” nach Landshut gefahren, wo sie von Bundespolizisten gestellt und dann einer Polizeistreife übergeben wurde. In den Räumen der PI Landshut weigerten sie sich dann nicht nur, ihre Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung abzugeben, sondern randalierten, setzten sich mit Händen und Füßen zur Wehr, so dass die Streifenbeamten u.a. vom Dienstgruppenleiter und anderen Kollegen unterstützt wurden.

Zu allem Überfluss streikte dann auch noch der Scanner, die drei Jugendlichen sollten deshalb zur Abnahme der Fingerabdrücke in den ersten Stock in die Räume des Kriminaldauerdienstes gebracht werden. Dabei packte der Polizeihauptkommissar einen auf dem Boden sitzenden, mit Handschellen und Klettfesseln an den Beinen fixierten 17-Jährigen an der Verbindungskette der Handschellen und zog die Arme des jungen Afghanen „bis zum Anschlag der Schultergelenke” nach oben, so dass sich der Oberkörper zeitweise in der Luft befunden habe, wie es in der Anklage hieß. Der 17-Jährige habe vor Schmerz geschrien und der Dienstgruppenleiter erst von ihm abgelassen, als er von Kollegen lautstark aufgefordert worden sei, aufzuhören.

Gegen das Urteil des Strafrichters, der neben der Bewährungsstrafe noch eine Geldauflage von 1000 Euro verhängt hatte, legten sowohl der Polizeibeamte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Zum Auftakt der Neuauflage machten die Verteidiger zunächst deutlich, dass sie einen Freispruch anstrebten. Sein Mandant, so Verteidiger Christoph Lang, habe lediglich versucht, durchzusetzen, was polizeilich im Rahmen eines unmittelbaren Zwangs notwendig und angemessen gewesen sei.

Verteidiger Hubertus Werner monierte seinerseits, dass die afghanischen Jugendlichen nie vernommen worden seien und es nie Bemühungen gegeben habe, ihrer habhaft zu werden. Außerdem kündigte er Anträge auf verschiedene Gutachten an. Das juristische Vorgeplänkel, in dessen Rahmen Staatsanwalt Thomas Rauscher den Polizeibeamten aufforderte, zu seinem Fehlverhalten zu stehen, mündete schließlich auf Initiative von Vorsitzendem Richter Markus Knoblach in Verständigungsgesprächen.

Und die liefen für den ehemaligen Dienstgruppenleiter durchaus positiv. So wurde der Vorwurf der versuchten Nötigung, der in erster Instanz auch beim Strafmaß eine Rolle gespielt hatte, eingestellt. Im Urteil wurde damals davon ausgegangen, dass der Beamte damals ein von ihm gewohnheitsmäßig getragenes Messer mit einer feststehenden Klinge gezogen und vom 17-Jährigen gefordert habe: „Give me your fingerprints or I’ll take it („Gib mir die Fingerabdrücke oder ich nehme mir sie”). Der 49-Jährige hatte dazu erklärt, dass er das Messer routinemäßig gezogen habe, um es zu arretieren, „damit es niemand greifen kann.”

Außerdem wurde dann im Rahmen der Verständigung dem Ex-Dienstgruppenleiter unter der Voraussetzung, dass er die Körperverletzung einräume, eine Geldstrafe zwischen 120 und 180 Tagessätze in Aussicht gestellt. Zu diesem Geständnis rang er sich dann letztlich durch.

Verteidiger Werner wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass der Dienstgruppenleiter in der aufgeheizten Situation nur einen kurzen Zeitraum gehabt habe, um zu handeln. Er habe den 17-Jährigen, von dem aktiver Widerstand ausgegangen sei und der Kollegen verletzt habe, keinesfalls quälen bzw. verletzen wollen, allerdings die falsche Wahl der Mittel getroffen. Er stehe zu diesem Fehler, den er ausdrücklich bedauere. Im übrigen sei der 49-Jährige ein leidenschaftlicher Polizist, der für seinen vorbildlichen Einsatz auch bereits mehrfach mit einer Leistungsprämie ausgezeichnet worden sei. Durch die Suspendierung habe er nicht nur erhebliche finanzielle Einbußen, sondern auch gesundheitliche und psychische Probleme bis hin zu Existenzangst erlitten. Wegen des Augenblicksversagens sah der Verteidiger einen „,minder schweren Fall” und beantragte wie sein Kollege Lang eine Geldstrafe am unteren Rand der Verständigung.

Staatsanwalt Rauscher stellte in seinem Plädoyer fest, es sei wichtig gewesen, dass der 49-Jährige jetzt zu seinem Fehler stehe, wobei es sich aus Sicht der Anklage um ein massives Fehlverhalten gehandelt habe, so dass von einem „minder schweren Fall” keine Rede sein könne. „Wie könnten wir noch jemand wegen Widerstands gegen Polizisten verurteilten, wenn wir das tolerieren”, so der Anklagevertreter. Aus seiner Sicht sei eine Geldstrafe von 180 Tagessätze à 50 Euro, insgesamt also 9000 Euro, die unterste Grenze.

Wie die Verteidiger, so ging auch die Berufungskammer letztlich von einem „minder schweren Fall” der Körperverletzung im Amt aus. In der Gesamtschau, so Vorsitzender Richter Knoblach, spreche dafür, dass es von den afghanischen Jugendlichen bereits zuvor erhebliche Widerstandshandlungen gegeben habe, außerdem die Verletzungsfolgen nicht gravierend gewesen seien. In die Gesamtschau seien sich auch die dienstrechtlichen und gesundheitlichen Folgen des Polizeibeamten strafmildernd einbezogen worden. Wichtig sei außerdem gewesen, dass er jetzt zu seinem Fehler stehe.

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