Prozess vor dem Landgericht
Drogendeals in der Asylunterkunft: Welche Rolle spielte eine Polizistin?

11.07.2017 | Stand 04.08.2023, 3:45 Uhr
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Sie sitzt zwar nicht mit auf der Anklagebank vor der 4. Strafkammer, wo sich vier Asylbewerber wegen bandenmäßigen, schwunghaften Drogenhandels von der Unterkunft in der Niedermayerstraße aus zu verantworten haben, doch der Name einer Polizistin aus dem Vilstal taucht immer wieder auf. Der Verdacht: Die Freundin eines 34-jährigen Irakers soll brisante Informationen weiter gegeben haben.

LANDHSUT Die von Staatsanwältin Nina Wittig vertretene Anklage geht davon aus, dass sich der 34-jährige Ammar A., für den es sage und schreibe noch neun Alias-Personalien gibt, der gleichaltrige Palästinenser Jalal A. und der 27-jährige irakische Estrichleger Usama N. im Mai vergangenen Jahres zum bandenmäßigen Handel mit Marihuana und Kokain zusammenschlossen. Der 38-jährige syrische Schneider Oso H., damals in Geisenhausen untergebracht, soll sich ihnen angeschlossen und als Bunkerhalter fungiert haben.

Im Zeitraum von 20. September bis 14. November 2015 soll das Quartett von dem in Köln ansässigen Schwarzafrikaner „Toni“, gegen den ein gesondertes Ermittlungsverfahren läuft, bei vier Deals jeweils mindestens 900 Gramm Marihuana erworben haben. Bereits im August 2015 soll der Afrikaner dem Estrichleger 200 Gramm Kokain geliefert haben.

In der Unterkunft soll dann ein reger Handel en gros und en Detail betrieben worden sein: Erwachsene Abnehmer soll ein bis zu 50 Gramm erstanden haben. Unter den „Kunden“, so listete die Anklage auf, soll auch ein 15-Jähriger gewesen sein, der bei insgesamt 15 Besuchen in der Unterkunft jeweils Mengen zwischen zwei und zehn Gramm erstanden haben soll.

Zum Prozessauftakt legte als einziger der Angeklagten Estrichleger Usama N. – weitgehend in deutscher Sprache – ein umfassendes Geständnis ab. Er bestätigte, dass man das Marihuana bei „Toni“ zum Grammpreis von etwa 6,50 Euro auf Kommission gekauft und dann pro Gramm um neun bzw. zehn Euro verscherbelt habe. Für das Kokain habe er pro Gramm 70 Euro bezahlt und es für 100 Euro verkauft. Die Einnahmen, so der 27-Jährige, seien bei ihm gelandet. Große Gewinne habe man allerdings nicht zu verteilen gehabt, da alle Beteiligten auch einen erheblichen Eigenkonsum betrieben hätten.

Die Geschäfte hätten in erster Linie er und Ammar A. abgewickelt. Kennengelernt habe man „Toni“, als der zu bei anderen Mitbewohnern, die er offenbar ebenfalls mit Drogen versorgt hatte, zu Besuch war. Den Geisenhausener Schneider entlastete er: Der sei tatsächlich nur Bunkerhalter gewesen und habe pro Lieferung lediglich 200 bis 300 Euro für seine Dienste erhalten. Der Estrichleger brachte dann auch die Polizeibeamtin ins Gespräch: Sie sei die Freundin seines Partners Ammar A. gewesen: „Mit ihr zusammen wurde auch Kokain geraucht.“ Von Verkäufen an Minderjährige wollte der 27-Jährige allerdings nichts mitbekommen haben.

Mehr oder weniger nur an „Kifferrunden unter Freunden“ wollte dagegen Ammar A. teilgenommen haben: „Ich war selten in der Unterkunft, meistens bei meiner Freundin.“ Er konsumiere seit 16 Jahren Drogen und habe sich die in ganz Landshut („Da gibt es überall welche“) besorgt. Kleinere Mengen habe er dann auch an Freunde verkauft und die wiederum bei ihm eingekauft: „Es waren gegenseitige Geschäfte und vom Verkauf an Kinder habe ich nichts mitbekommen.“ Auf Vorhalte, dass seine polizeiliche Aussage noch anders ausgefallen sei, fiel ihm dann ein: „Da war ein Junge, der wollte was und ich habe ihm was verkauft.“

Der Palästinenser Jalal A. bestätigte, dass „viele Leute in die Unterkunft gekommen sind, die was gekauft haben.“ Die Leute, an die er selbst verkauft habe, ließen sich an einem Finger ab zählen. Die Kokain-Abnehmer kenne er nur vom Sehen: „Das waren Türken, ich habe sie öfter in der Stadt gesehen.“

Wegen der Polizistin, so der Palästinenser, habe es mehrfach Diskussionen gegeben: „Wir haben Ammar A. aufgefordert, von ihr Abstand zu nehmen, aber er hat nur gesagt, dass uns das nichts angeht.“ Wenn sie in die Unterkunft gekommen sei, seien die Kifferrunden umgehend aufgelöst worden: „Aber möglicherweise hat sie was gerochen.“ Sie selbst habe er nie rauchen gesehen, es sei auch nie die Rede davon gewesen, dass sie Bescheid wisse.

Oso H. – als einziger auf freiem Fuß – wollte zunächst nur bei den Mitangeklagten eingekauft haben. Auf Vorhalte räumte dann doch ein, „ein- oder zweimal was gebunkert zu haben.“ Dafür sei ihm Geld angeboten worden, allerdings habe er das nicht angenommen, lediglich sich ab und zu einen Joint gegönnt. Nach und nach rückte er mit der Sprache raus: „Ammar A. hat mir gedroht, seine Freundin, die Polizistin, kann mir was anhängen, wenn ich nicht mitmache.“ Nach seiner Aussage bei der Polizei sei er bedroht und von zwei Schwarzafrikanern sogar geschlagen worden. Er habe auch mitbekommen, dass an Minderjährige verkauft worden sei: „Einem sogar eine ganze Handvoll Marihuana.“

Für den Prozess sind bis in den Januar hinein noch sieben Verhandlungstage angesetzt. Als eine der letzten Zeuginnen ist die Polizeibeamtin geladen, die, so wurde am Rande kolportiert, ihren irakischen Freund mit Informationen z.B. über anstehende Razzien bzw. Observationen versorgt haben könnte. Gegen sie laufen ein Ermittlungs- und angeblich auch ein Disziplinarverfahren.

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