Dicke Luft in der Landshuter Inspektion
Der Kommissar als Taxifahrer

10.07.2017 | Stand 28.07.2023, 22:52 Uhr
−Foto: n/a

Die Landshuter Polizei hat zu wenig Beamte und muss auch noch Gefangene – über 800 mal im Jahr – durch ganz Deutschland kutschieren. Das sorgt für Ärger.

Eigentlich hätte Werner O. (Name von der Redaktion geändert) etwas Besseres zu tun. Zum Beispiel in Landshut für Recht und Ordnung sorgen. Stattdessen macht der Kommissar zusammen mit seinem Kollegen heute mal wieder einen dienstlichen Ausflug nach Passau. Den ganzen Tag lang. Der Grund sitzt im Fond des Streifenwagens: Ein Häftling, der von der JVA ins Landgericht der Drei-Flüsse-Stadt gebracht werden und vorgeführt werden muss. Es wird wohl wieder einmal ein langer Tag für den Landshuter Kommissar und seinen Kollegen, den er hauptsächlich mit Sitzen und Warten verbringt. Was sich erstmals nach gepflegter Langeweile und wenig dramatisch anhört, hat gravierende Folgen für die Polizeiinspektion in Landshut. Die Vorführungsfahrten vom Gefängnis zu den Gerichten binden wichtiges, bestens ausgebildetes Personal, das auf den Straßen einer Stadt fehlt, die immer rascher wächst. Mittlerweile bis zu 800 solcher „Ausflüge“ muss die Landshuter Inspektion pro Jahr mit jeweils zwei Beamten absolvieren. Ein gewaltiger Klotz am Bein in einer Situation, in der die Dienststellen ohnehin nicht überbesetzt sind und nicht mehr wissen, wie sie mit der Mannschaftsstärke ihren Auftrag erfüllen sollen.

Den ganzen Tag lang rumsitzen

„Uns wäre viel geholfen, wenn wir das nicht mehr machen müssten“, sagt ein Polizist der Landshuter PI. Doch dass das passieren wird, ist unwahrscheinlich. Denn die Politik kennt natürlich das Problem. Nur fehlt es den Landshuter Abgeordneten in München entweder an Einfluss oder Interesse, um etwas zu ändern. „Wir rennen da gegen eine Wand aus Beton“, bezeichnet es ein Polizeibeamter.

Öffentlich darüber reden und Kritik üben will kaum keiner. Denn in puncto Sicherheit, so verbreitet es die Staatsregierung jedenfalls, hat der Freistaat schließlich Vorbildcharakter. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Allein durch die Vorführungen wird die Inspektion in Landshut an manchen Tagen so geschwächt, dass sie Polizisten aus den umliegenden Inspektionen hinzuziehen muss. Doch auch dort hat man mit der knappen Personalschiene zu kämpfen. Wie dramatisch die Lage ist, zeigen die Zahlen: An manchen Tagen muss die Landshuter Inspektion zwischen vier und sechs Vorführungen mit jeweils zwei, zum Teil hochrangigen und bestens ausgebildeten Beamten – jeweils einer Streifenbesatzung also – absolvieren, die dann mit Rumsitzen am Gericht beschäftigt sind und auf der Straße fehlen. Allein durch die Fahrten zu den Gerichten im südbayerischen Raum werden Kilometer im fünfstelligen Bereich pro Jahr runtergerissen.

Bei der Justiz nimmt man auf die „Befindlichkeiten“ der Ordnungshüter keine Rücksicht. Anberaumte Termine müssen durchgezogen werden, ob jetzt genug Personal der Inspektion im Dienst ist oder nicht, das ist egal. Schließlich wurden Zeugen geladen, die Anwälte und Staatsanwälte sind vor Ort, etc. Dass da die Polizei nicht mitspielen könnte, kommt nicht infrage. Doch für die wird das zu einem immer größeren Problem. Einmal, vor Jahren, als es noch die Direktion gab, probten die Ordnungshüter den Aufstand und erklärten der Justiz, dass sie aus Personalmangel keine Vorführungen machen könne. Die Justiz setzte sich daraufhin mit dem Präsidium in Verbindung, von dem kam die Anweisung, dass gefahren werden muss. Der Aufstand war damit beendet. Seitdem hat sich nichts mehr an der Situation geändert.

Dass nicht lauter protestiert wird in den zuständigen Ministerien, hat einen weiteren Grund. Bei der Polizei fürchtet man, dass einem sogar noch Stellen gestrichen werden, sollten die Fahrdienste in Zukunft Justizwachtmeister übernehmen. Vor Jahrzehnten gab es eine Abmachung, dass die Polizei ein gewisses zusätzliches Stellenkontingent bekommt, wenn sie die Taxi-Fahrten von den Gefängnissen in die Gerichte übernimmt.

„Das war allerdings in grauester Vorzeit“, sagt Werner O. Die Realität hat diese Abmachung längst eingeholt, wie die Stadtentwicklung von Landshut zeigt.

Polizei-Personalrat: „Die Tausender-Marke ist bald erreicht“

175 Beamtinnen und Beamte – das ist die Sollstärke der Polizeiinspektion Landshut. Doch davon ist man weit entfernt. Die Zahlen, die Siegfried Saatberger, Personalrat bei der Landshuter Polizei, Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Hauptkommissar parat hat, hören sich ganz anders an: „Der Ist-Zustand liegt derzeit bei 145 Polizisten. Tatsächlich verfügbare Beamte haben wir rund 120.“ Diese, obwohl hoch qualifiziert und kostspielig, müssen dann noch für Fahrdienste herhalten. Ein Problem, das für die Landshuter Inspektion immer dringlicher wird, weil die Beamten auf der Straße fehlen. „Die Tendenz der Fahrten ist steigend“, sagt der Gewerkschafter. „Die Tausender-Marke haben wir bald erreicht.“

Wie viel Arbeitsstunden dadurch gebunden werden, lässt sich nur schwer sagen. Für Vorführungen innerhalb Landshuts, zum Beispiel bei Gericht, werden zwei Mann mindestens knapp drei Stunden gebunden. Die Landshuter Polizisten sind aber auch bundesweit unterwegs – zum Beispiel dann, wenn es um Passangelegenheiten eines Delinquenten geht. „Das kommt auf die Nationalität an“, sagt Saatberger. Grundsätzlich gelte: Je exotischer die Nationalität, desto weiter die Fahrt. „Die Botschaften solcher Länder befinden sich zum Teil in Berlin.“

Der Betreffende müsse dann in der JVA dort übernachten, die Landshuter Polizisten müssen sich ein Hotel suchen. Arbeitszeit, in der sie in Landshut auf der Straße fehlen. „Die meisten Fahrten sind aber wegen Vorführungen vor Gericht“, sagt der Gewerkschafter. Da seien die Landshuter hauptsächlich in ganz Bayern unterwegs, weil die JVA in Berggrub ganz besonders viele Untersuchungshäftlinge beherberge. „Stellenweise müssen wir die Häftlinge aber auch bis nach Frankfurt fahren“, so Saatberger. Längst belastet der Polizei-Taxi-Service aber nicht nur die Inspektion in Landshut.

„Die Kollegen in den kleinen Inspektionen, in Vilsbiburg oder Dingolfing, müssen uns aushelfen. Die sind allerdings auch nicht gerade überbesetzt“, so Saatberger. Die Beamten dort müssten dann ihren zweiten schichtfreien Tag opfern. Dass so keine Überstunden abgebaut, sondern eher angehäuft werden, sei auch klar.

Landshut