Mehrfache Erwachsenenadoption:
Wie viele Eltern kann man emotional haben?

04.10.2018 | Stand 03.08.2023, 4:33 Uhr
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Ein Mann aus dem Landkreis verteilt seine Gefühle als Sohn offenbar auf viele Schultern

ERDING Ein etwas kurioser Fall zu „Gefühlsbefindlichkeiten“ beschäftigte kürzlich das Amtsgericht Erding. Hier ging es darum, dass sich ein Familienvater aus dem Landkreis Erding sich in Übereinstimmung mit seiner Tante von dieser im Zuge einer Erwachsenenadoption als Kind aussprechen (adoptieren) lassen wollte.

Die beiden Verwandten begründeten dies damit, dass der Mann seiner Tante und ihren Geschwistern bereits seit seiner Kindheit häufig bei den auf deren Bauernhof anfallenden Arbeiten geholfen habe und sie immer noch in großem Umfang bei alltäglichen Verrichtungen unterstütze. Über die Jahre sei so zwischen ihnen ein Verhältnis wie zwischen einer Mutter und ihrem Sohn entstanden.

Wenige Monate zuvor hatte das Amtsgericht jedoch bereits antragsgemäß die Annahme des Mannes als Kind der Schwester der Tante (also einer weiteren Tante) ausgesprochen, wobei inhaltlich ein nahezu gleicher Sachverhalt vorgetragen worden war, um die enge persönliche Verbundenheit der damaligen Antragsteller zu begründen.

Das Amtsgericht wies nun den Antrag einer weiteren Adoption des Mannes durch seine zweite Tante zurück. Zur Begründung führte es aus, dass mehrere aufeinanderfolgende Adoptionen rechtlich bei Erwachsenen zwar durchaus tatsächlich möglich seien. Allerdings müsse das Gericht bei jeder Adoption der Überzeugung sein, dass die Adoption sittlich gerechtfertigt ist. Das nur könne jedoch nur angenommen werden, wenn zwischen der Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei oder wenigstens noch entstehen könne. Daran aber hatte das Amtsgericht im vorliegenden Fall seine Zweifel.

Äußeres Zeichen einer derartigen Verbindung – so das Amtsgericht – sei unter erwachsenen Personen insbesondere eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand, die durch eine besonders enge emotionale Verbundenheit getragen werde. Dies müsse zweifelsfrei das Hauptmotiv für die beabsichtigte Annahme sein. Das Vorliegen weiterer Motive – wie zum Beispiel die Aussicht auf eine Ersparnis von Schenkungs- und Erbschaftssteuer bei der beabsichtigten Übertragung größerer Vermögenswerte – schade demgegenüber zwar nicht, solange es sich nur um Nebenmotive handelt. Dass ein familienbezogenes Motiv das Hauptmotiv für die beantragte Annahme als Kind ist, muss zur Überzeugung des Gerichts positiv feststehen. Nach Beurteilung aller Einzelumstände gingen Zweifel dabei zulasten der Antragsteller.

Im aktuellen Fall blieben aus Sicht des Amtsgerichts Zweifel daran bestehen, ob tatsächlich ein familienbezogenes Motiv bei der beantragten Adoption im Vordergrund stand. Zwar hätten sich die Beteiligten seit vielen Jahren bei der Erledigung alltäglicher Angelegenheiten gegenseitig nach Kräften unterstützt. Dennoch sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen gewesen, dass sie auch in einer Weise miteinander emotional verbunden seien, die über ein gutes Verhältnis hinausgehe, wie es auch zwischen einem Neffen und seiner Tante gepflegt werden kann. Weil der Mann nach eigener Darstellung auch eine emotional starke Bindung zu seinen leiblichen Eltern habe und er sich zudem auch im Rahmen der bereits erfolgten Adoption durch die andere Tante darauf berufen hatte, diese sei für ihn wie eine Mutter, konnte das Gericht seine Zweifel daran, dass auch noch zu seiner zweiten Tante eine Mutter-Sohn-Beziehung vorliegt, nicht überwinden.

Beide Beteiligten legten gegen die Ablehnung der Adoption Beschwerde zum Oberlandesgericht München ein. Dieses erteilte den Hinweis, dass eine Aneinanderreihung von mehreren nebeneinander fortbestehenden Eltern-Kind-Verhältnissen nur in extremen Ausnahmefällen sittlich gerechtfertigt sei, woraufhin sie ihr Rechtsmittel zurücknahmen. Der Beschluss des Amtsgerichts Erding ist somit rechtskräftig.

Amtsgericht Erding, Beschluss vom 19.6.2018, Az.: 2 F 145/18

Erding