Freiheitsstrafe für dealenden Anwalt
Letzte Chance: Entziehungsanstalt

02.02.2018 | Stand 25.07.2023, 2:51 Uhr
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Urteil im Drogenprozess: „Gebeutelt und zerzaust, aber nicht vernichtet“

LANDSHUT/ERDING Zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Landshut einen 32-jährigen Erdinger Anwalt verurteilt. Zugleich wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, wo er sich einer Drogentherapie zu unterziehen hat. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Jurist in elf Fällen einen schwunghaften Handel mit Kokain und Amphetamin betrieben hat. Die Drogen ließ der Mann zur Wohnung seiner Mutter schicken. Von dort aus vertickte er die georderten Drogen gewinnbringend im Raum Erding – soweit er nicht selber konsumierte. Der Sohn drogenabhängiger Eltern hatte bereits zu Beginn der Verhandlung unter Tränen gestanden.

Verpackt als Original Amazon-Päckchen hatte sich der Mann die Drogen von seinem Kompagnon aus Aachen zu seiner Bunkerwohnung schicken lassen, um diese von dort weiterzuverkaufen (wir berichteten). Mit dem Gewinn finanzierte der Anwalt nicht nur seine eigene Drogensucht, sondern auch sein Leben. Tagsüber ging er seiner Tätigkeit als Jurist nach, abends und am Wochenende konsumierte und dealte er. Ein Polizeispitzel lieferte die Informationen über die Deals des selbsternannten „Anwalts deines Vertrauens“. Telefonüberwachung und Wohnungsdurchsuchung brachten die Handlungen schließlich ans Tageslicht.

„Meine Eltern waren beide drogenabhängig. Schon mit drei Jahren sah ich die Spritzen überall rumliegen“, erzählte der 32-Jährige über sein Leben. Nur durch die finanzielle Unterstützung seiner Großeltern war es ihm möglich, einen ordentlichen Schulabschluss zu bekommen und Jura zu studieren. Erst Alkohol und Kiffen, dann mit 17 Jahren der Griff zu chemischen Drogen, wie er zugab. Über Beziehungen seiner Mutter sei er an die Rauschgiftquelle gekommen.

Die Staatsanwältin bezweifelte in ihrem Plädoyer den übermäßigen Drogenkonsum des Angeklagten und sah deshalb keine Voraussetzung für eine Unterbringung zur Suchttherapie. Verteidiger Peter Witting kritisierte diese Ansicht scharf. „Die Argumente der Staatsanwaltschaft sind völlig untauglich. Es muss hier endlich therapeutisch angesetzt werden, um aufarbeiten zu können, was in Kindheit und Jugend vorgefallen ist“, erklärte er. Der Angeklagte habe alles verloren, er wird auch damit rechnen müssen, seine Zulassung zu verlieren.

Der 32-jährige Erdinger selbst hatte als letztes Wort ausdrücklich um die Chance einer Therapie gebeten. Auch aus Sicht der Kammer sei es eindeutig, dass der Angeklagte Voraussetzungen für die Suchttherapie mitbringe, wie Vorsitzender Richter Ralph Reiter in seiner Urteilsbegründung erklärte. Im Strafmaß enthalten ist auch die Einziehung von etwa 35.500 Euro, die der Angeklagte aus dem Verkauf erwirtschaftet habe. Man könne den Angeklagten nicht als skrupellosen Dealer bezeichnen und müsse auch die familiäre Vorgeschichte berücksichtigen. „Beweisen Sie jetzt, dass Sie es besser machen können als Ihre Eltern“, gab Vorsitzender Richter Reiter dem Verurteilten mit auf den Weg. Laut dem Vorsitzenden sei der 32-jährige Mann zwar gebeutelt aus dem Verfahren herausgekommen, aber nicht ganz vernichtet in Hinblick auf seine berufliche Zukunft. Über den eventuellen Verlust seiner Zulassung wird die Anwaltskammer entscheiden.

Erding