15 Verhandlungstage, 23 Zeugen und ein Dutzend Gutachter
Neuauflage des Prozesses gegen Ex-Erdinger Frauenarzt

11.07.2017 | Stand 25.07.2023, 2:16 Uhr
−Foto: n/a

Die Neuauflage des Totschlagsprozesses gegen den Ex-Erdinger Frauenarzt Prof. Dr. Michael B. (57) wird erneut ein Mammutprozess.

ERDING / LANDSHUT Das geht aus der Terminierung und den Planungen für den Verlauf der Beweisaufnahme durch die dann als Schwurgericht tagende 6. Strafkammer des Landgerichts Landshut hervor. Der inzwischen 57-Jährige hatte sich – wie mehrfach berichtet – bereits ab November 2014 im Schwurgerichtsprozess vor dem Landgericht zu verantworten, der sich dann über 19 Verhandlungstage bis Januar 2015 hinzog, ehe - für viele Prozessbeobachter völlig überraschend – ein Freispruch „wenn auch zweiter Klasse”, wie es die damalige Vorsitzende Richterin formulierte, verkündet wurde.

Dem Frauenarzt wurde vorgeworfen, seine damals 60-jährige Ehefrau Brigitte am 4. Dezember 2013 im gemeinsamen Reihenhaus in Pretzen zunächst brutal verprügelt und misshandelt und dann erstickt bzw. erwürgt zu haben. Diesen Vorwurf hatte Prof. Dr. B. nachdrücklich bestritten. Den Freispruch begründete die Schwurgerichtskammer damals mit der Feststellung, dass die Indizien für eine Verurtteilung nicht ausgereicht hätten. Die Staatsanwaltschaft - ihr Sitzungsvertreter hatte den Tatnachweis als erwiesen erachtet und eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren beantragt - ging ebenso in die Revision wie auch die Anwälte der als Nebenkläger auftretenden zwei leiblichen Kinder des Opfers. Und die Erste Kammer des Bundesgerichts hob im Dezember 2015 das Freispruch-Urteil mit der Begründung auf, dass die Indizien in ihrer Gesamtheit betracvhtet und im Zusammenhang bewergtet durchaus für den 57-Jährigen als Täter sprächen.

Dann der Paukenschlag: Prof. Dr. B., der nach der Urteilsverkündung nach mehrmonatiger Untersuchungshaft das Gericht nach über 400 Tagen Untersuchungshaft auf freiem Fuß verlassen konnte und anschließend in das geerbte Haus seiner Eltern in der Nähe von Osnabrück gezogen war, setzte sich - bevor das schriftliche Urteil der Karlsruher Richter als Grundlage für den Erlass eines neuerlichen Haftbefehls vorlag - nach Chile ab, ein Land, das kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland hat und Verdächtige nur nach eigenem Ermessen nach einer Einzelfallprüfung durch den Obersten Gerichtshof ausliefert.

Der 57-Jährige hatte sich allerdings verrechnet: Die Landshuter Staatsanwaltschaft hatte mit ihrem Auslieferungsantrag Erfolg, Prof. Dr. B., der zwischendurch sogar wieder in einem Hospital in Santiago gearbeitet und sich zuletzt in der Küstenstadt Papudo aufgehalten haben soll, wurde festgenommen und dann Ende Februar dieses Jahres ausgeliefert. Beim Landgericht Landshut wurde ihm nach seiner Ankunft der neue Haftbefehl eröffnet, seitdem sitzt der Frauenarzt wieder in Untersuchungshaft.

Der Auftakt für die Neuauflage des Prozesses findet am 26. April statt, wobei nach der Verlesung der Anklage der 57-Jährige Gelegenheit bekommen wird, seinen Werdegang zu schildern und zum Anklagevorwurf Stellung zu beziehen. Der zweite Verhandlungstag ist dann der Vernehmung des Ermittlungsführers der Erdinger Kripo vorbehalten. Bis 2. Juni sind dann weitere 13 Verhandlungstage anberaumt,m in deren Verlauf dann noch ein Dutzend Beamter der Erdinger Kripo bzw. der Polizeiinspektion vernommen werden. Außerdem werden insgesamt auch ein Dutzend Sachverständiger und sachverständige Zeugen – Gerichtsmediziner, psychiatrische und psychologische Gutachter usw. – gehört.

Erding