Offene Bewährung als Stoperstein
Wegen drei Schwarzfahrten zwei Jahre ins Gefängnis?

10.07.2017 | Stand 28.07.2023, 15:53 Uhr
−Foto: n/a

Damoklesschwert Bewährungsstrafe: Wegen drei Schwarzfahrten mit der S-Bahn drohen einem arbeitslosen Wörther jetzt über zwei Jahre Gefängnis.

WÖRTH / LANDSHUT Warum? Weil zwei Freiheitsstrafen aus vorausgegangenen Verurteilungen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Nun droht der Widerruf.

Der 24-Jährige war am 25. November 2014 wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, obwohl er noch eine weitere mit eineinhalb Jahren wegen Betrugs bzw. wegen Fahrten ohne Fahrerlaubnis offen hatte.

Die Milde des Gerichts basierte damals auf einer positiven Sozialprognose. Immerhin war der Angeklagte nach einer gescheiterten Beziehung in den „Schoß der Familie“ zurückgekehrt, die ihn und seinen kleinen Sohn, um den er sich kümmert, finanziell unterstützt. Die Hoffnung allerdings, dass der 24-Jährige künftig ein straffreies Leben führen und damit die Bewährungen durchstehen würde, sollten sich schon eine Woche nach seiner ersten Verurteilung zerschlagen: Da wurde er erstmals in einer Münchner S-Bahn ohne gültigen Fahrausweis erwischt. In den nächsten Wochen folgten dann weitere zwei Schwarzfahrten.

„Schaden“ in Höhe von 12,20 Euro

Der „Schaden“ für die Verkehrsbetriebe belief sich auf sage und schreibe 12,20 Euro. Trotz der Bagatelle verhängte der Strafrichter beim Amtsgericht Erding für das Erschleichen von Leistungen in drei Fällen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten.

Eine neuerliche Bewährung wurde dem 24-Jährigen versagt und damit drohte auch der Widerruf der offenen 28 Monate. Der Arbeitslose ging in die Berufung und räumte vor der 6. Strafkammer des Landgerichts die Schwarzfahrten unumwunden ein: „Das war eine Dummheit, ich werde mich ändern, das ist alles, was ich machen kann.“ Er lebe augenblicklich vom Arbeitsamt, mache aber seinen Führerschein, um dann als Kraftfahrer beruflich Fuß zu fassen.

Als „hirnrissig“ bezeichnete Vorsitzender Richter Ralph Reiter die Schwarzfahrten so kurz nach seiner Verurteilung unter offener Bewährung. Eine Geldstrafe sei wegen der sieben Vorstrafen nicht mehr vertretbar und das verhängte Strafmaß liege am unteren Rand. Allerdings, so machte der Vorsitzende Richter dem Angeklagten Hoffnung, müsse vom zuständigen Bewährungsgericht überprüft werden, ob der Widerruf der offenen Bewährung angesichts der „Bagatelle Schwarzfahrten“ verhältnismäßig sei.

Bei einer Berufungsrücknahme, so Ralph Reiter, gebe es durchaus Chancen, dass es zu keinem Widerruf der offenen Bewährungen komme. Darauf baut der 24-Jährige jetzt. Er nahm nach kurzer Rücksprache mit seiner Verteidigerin seine Berufung zurück und ersparte sich zumindest weitere Prozesskosten.

Erding