Versuchter Mord
Gekränkter Dingolfinger Haschisch-Dieb reagiert mit Messerattacke

16.03.2018 | Stand 24.07.2023, 18:36 Uhr
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Wohnungsnachbarin (34) entging knapp dem Tod: Fünfeinhalb Jahre für arbeitslosen Türken Yasar Y. (56).

DINGOLFING/LANDSHUT Als der als Haschischdieb entlarvte türkische arbeitslose Gelegenheitsarbeiter Yasar Y. zum Messer griff, kam es der Wohnungsnachbarin (34) schon ein „bisschen komisch“ vor, dass eine für sie fast tödliche Messerattacke folgen würde, ahnte sie allerdings nicht. Vor der Schwurgerichtskammer des Landshuter Landgerichts handelte sich der 56-Jährige wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren ein.

Am 23. Mai vergangenen Jahres hatten der Türke und das im gleichen Haus wohnende spätere Opfer, das seinen Beruf kryptisch als „Hausfrau“ angab, aber betonte, an sieben Tagen in der Woche beruflich unterwegs zu sein, in der städtischen Wohnung des seit über zehn Jahren arbeitslosen 56-Jährigen wieder einmal zusammen gebechert. Am frühen Nachmittag entwendete der Türke - wie ihm die von Staatsanwalt Thomas Rauscher vertretene Anklage vorwarf - dann aus dem Zimmer des in der gleichen Wohnung untergebrachten arbeitslosen Russlanddeutschen Vladimir A. (39) eine kleine Menge Haschisch.

Als ihn wenig später die mit ihm im Wohnzimmer auf der Couch sitzende 34-Jährige auf den Diebstahl ansprach und ihn drängte, den Diebstahl gegenüber dem Mitbewohner einzuräumen, stand Yasar Y. auf und holte aus der nur wenige Schritte entfernten Küchenzeile ein etwa 15 Zentimeter langes metallenes Fleischmesser, baute sich frontal vor der immer noch auf der Couch sitzenden Wohnungsnachbarin auf und versetzte ihr von oben nach unten einen vier Zentimeter langen und etwa 1,5 Zentimeter tiefen Schnitt in die rechte seitliche Halspartie. Die 34-Jährige sackte zur Seite und begann lauthals zu schreien.

Das rief Mitbewohner Vladimir A. auf den Plan, der ins Wohnzimmer eilte und dort den immer noch drohend mit dem Messer in der Hand vor der Wohnungsnachbarin stehenden Türken zur Seite stieß. Die 34-Jährige wurde schließlich von ihm verarztet und später im Donau-Isar-Klinikum genäht. Lebensgefahr, so das spätere rechtsmedizinische Gutachten, habe für die 34-Jährige nicht bestanden, großräumige Blutgefäße und weitere lebensnotwendige Strukturen seien nicht verletzt worden. Die Anklage warf dem Gelegenheitsarbeiter, der zur Tatzeit rund 1,3 Promille und geringe Mengen THC intus hatte, versuchten Mord vor.

Dagegen wehrte sich der 56-Jährige zum Auftakt des zweitägigen Prozesses lauthals: „Alles Lüge.“ Bereits am Vormittag, so schilderte er, habe man mit dem Trinken begonnen. Er habe dann für Nachschub gesorgt, irgendwann seien dann „Russen“ aufgetaucht, die offenbar Haschisch gebracht hätten. Es sei dann geraucht worden und er habe „zum ersten Mal in meinem Leben“ auch ein paar Züge gemacht. Von da an könne er sich an nichts mehr erinnern, „bis mich die Kripo aus dem Bett zogen.“ Bei seinen polizeilichen Vernehmungen waren - wie ihm von den Prozessbeteiligten vorgehalten wurde - seine Erinnerungen noch andere gewesen: Es habe Streit mit der 34-Jährigen gegeben, weil er nicht wollte, dass in der Wohnung gekifft werde. Sie und der Mitbewohner seien dann mit „Russen“ in dessen Zimmer gegangen. Als die Wohnungsnachbarin wieder rausgekommen sei, habe sie am Ohr geblutet. Die widersprüchlichen Angaben erklärte der 56-Jährige damit, dass „seit meiner Verhaftung mein Gehirn nicht mehr funktioniert, aber verrückt bin ich nicht.“

Die Hausfrau schilderte ihr Verhältnis zum Türken zunächst als „nachbarschaftlich“, um dann allerdings zu berichten, dass er oft aggressiv geworden sei, von Schlägen und Umbringen geredet habe. Zu den Trinkgelagen sei sie gegangen, „damit er nicht noch aggressiver wird.“ Immerhin habe sie der 56-Jährige schon mehrfach traktiert, einmal auch mit einer Bierflasche. Gegen einen Nachbarn sei er auch schon mit dem Messer losgegangen: „Der konnte nicht zur Polizei gehen, weil er gesucht wurde.“

An besagtem Tag habe sie von der Couch aus den Haschdiebstahl gesehen und Yasar Y. habe ihn auch zugegeben. Danach sei er „stinkig“ geworden, schließlich aufgestanden und zur Küchenzeile gegangen: „Dann hatte ich schon das Messer am Hals.“ Der Mitbewohner bestätigte, dass er durch die Schreie der 34-Jährigen alarmiert worden sei und dann den Türken mit dem Messer in der Hand angetroffen und zur Seite geschubst habe. Ob er noch eine Stichbewegung in Richtung der Nachbarin gemacht habe, wie diese behaupte, habe er nicht beobachtet.

Die Schwurgerichtskammer kam, wie zuvor bereits Staatsanwalt Rauscher in seinem Plädoyer, zu versuchtem Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und verhängte dafür die vom Anklagevertreter beantragten fünfeinhalb Jahre. Der 56-Jährige sei „bockig“ und gekränkt gewesen, weil ihn die Hausfrau wegen des Haschisch-Diebstahls bloßgestellt habe. Der Schnitt gegen den Hals aus einer Drehbewegung heraus sei extrem gefährlich und für ihn nicht beherrschbar gewesen. Das sei dem Angeklagten auch klar gewesen, er habe den Tod der 34-Jährigen billigend in Kauf genommen und die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt. Strafmildernd falle ins Gewicht, dass es beim Tötungsversuch geblieben und die Verletzungen glimpflich ausgefallen seien. Wegen des Alkoholkonsums und der geringfügigen THC-Wirkung sei dem 56-Jährigen zwar keine verminderte Schuldfähigkeit, aber eine gewisse Enthemmung zuzubilligen. Straferschwerend fielen dagegen die zehn Vorstrafen des Angeklagten u.a. wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung ins Gewicht. Trotz Freiheitsstrafen habe er seine Aggressionen nicht in den Griff bekommen.

Verteidiger Manfred Jomrich sprach von einem hochproblematischen sozialen Milieu mit fehlender Integration Arbeitslosigkeit und Alkohol.

Der Anwalt sah angesichts der widersprüchlichen Angaben der beteiligten Zeugen und der Gesamtumstände weder einen Tötungsvorsatz noch Heimtücke als erwiesen: Schließlich habe die 34-Jährige selbst davon gesprochen, dass es bereits mehrfach Handgreiflichkeiten gegeben habe und es ihr komisch vorgekommen sei, als der Angeklagte das Messer aus der Küchenzeile geholt habe. Im übrigen hätte sein Mandant durchaus noch einmal zustechen können, wenn er ihren Tod gewollt hätte. Für die verbleibende Körperverletzung sah der Anwalt eine Geld- bzw. Bewährungsstrafe als angemessene Sanktion.

Dingolfing-Landau