Nach Diebstählen in Millionenhöhe
Empfindliche Freiheitsstrafen für BMW-Diebe

08.03.2018 | Stand 20.07.2023, 15:59 Uhr
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Empfindliche Freiheitsstrafen verhängte die 1. Strafkammer des Landshuter Landgerichts nach drei Verhandlungstagen gegen ein tschechisch-slowakisches Quartett, das im Zeitraum von Januar bis Mai 2017 insgesamt 8.640 Diesel-Injektoren im Gesamtwert von rund 1,9 Millionen Euro aus dem BMW-Logistikzentrum in Wallersdorf entwendet hatte. Organisator Jakub O. (29) landet für sechs Jahre hinter Gitter. Drei Mitangeklagte zu jeweils dreieinhalb Jahren verurteilt.

WALLERSDORF/LANDSHUT Wie im Prozessverlauf berichtet, war der in Altenbuch wohnende tschechische Staplerfahrer Jakub O. (29) seit Oktober 2016 für einen für die BMW AG tätigen Logistik-Dienstleister als so genannter Clearer in der Nachtschicht in Wallersdorf eingesetzt. Ab Januar bis Mai 2017 hatte er in insgesamt fünf Nächten jeweils zwei Gitterboxen mit jeweils 720 vor allem auf dem Gebrauchtwagenmarkt stark nachgefragten Injektoren (Stückpreis beim Händler 220 Euro) entwendet und dann von Lkw-Fahrern einer Mamminger Spedition, die über entsprechende Zufahrtskarten zum Logistikzentrum verfügten, abtransportieren lassen.

Bei den Lkw-Fahrern handelte es sich um den tschechischen Landsmann Lubomir G. (44) sowie um die beiden Slowaken Rastislav U. (36) und Juraj V. (38), die jetzt mit dem Clearer zusammen auf der Anklagebank saßen.

Mittlerweile sitzt mit dem Lkw-Fahrer Radek Z. (29) ein weiterer Fahrer in Untersuchungshaft. Sie alle hatten die Aufgabe, mit ihren Sattelauflegern zur so genannten Kalthalle zu fahren, wo die Gitterboxen mit den Einspritzdüsen aufgeladen und dann zu einer Tankstelle in Wallersdorf bzw. zu einem Parkplatz in Dingolfing gebracht wurden und dort jeweils in einen weißen Kastenwagen mit tschechischem Kennzeichen verladen und abtransportiert wurden. Hintermänner und Abnehmer waren zunächst unbekannt.

Das Verschwinden der Gitterboxen war natürlich nicht unbemerkt geblieben, so dass vom BMW-Ermittlungsdienst letztlich eine Videoüberwachung installiert und von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes Wache „geschoben“ wurde. Als dann in der Nacht zum 10. Mai erneut zwei Gitterboxen im Wert von über 300 000 Euro - diesmal von Rastislav U. und Juraj V. - abtransportiert werden sollten, klickten die Handschellen.

Zum Prozessauftakt hatten die drei Lkw-Fahrer weitgehende Geständnis, Jakub O. dagegen lediglich ein Teilgeständnis abgelegt: Zu Diebstählen im Januar 2017 machte er zunächst keinerlei Angaben und bestritt auch die ihm in der ursprünglichen Anklage angelastete Rolle als „Bandenchef“. Vielmehr, so seine Version, sei er vom Mitangeklagten Lubomir G. aus Mamming angeworben worden, der habe ihm einen lukrativen Zuverdienst in Aussicht gestellt. Zum Auftakt des dritten Verhandlungstages sorgte Jakob O. - nachdem Vorsitzender Richter Markus Kring zunächst ankündigte, dass der Banden-Vorwurf nicht weiter aufrecht erhalten werde - für eine Überraschung: Wie bereits bei einer neuerlichen polizeilichen Vernehmung räumte er ein, nicht der von ihn beschuldigte Lubomir G., sondern er selbst sei quasi Initiator und Organisator gewesen und entschuldigte sich bei seinem Landsmann.

Aber dabei blieb es nicht: Er benannte auch die bis dato nicht bekannten Hintermänner, einen Norbert J. aus Dingolfing und dessen in Ungarn lebenden Bruder Christian. „Der hat auch die Idee gehabt und mich beauftragt, nach Fahrern zu suchen. Pro Gitterbox sollte ich 1000 Euro bekommen und mir auch für die Fahrer jeweils 1000 Euro gegeben, mir aber überlassen, was ich ihnen gebe. Die haben von mir dann pro Fahrt 500 Euro bekommen.“ Er habe abgeklärt, so der 29-Jährige, wann es für einen Coup „passe“, dann die Fahrer organisiert und die Hintermänner verständigt, die übrigens die Injektoren hauptsächlich in die Ukraine gebracht hätten. Sein Motiv seien Schulden in seiner tschechischen Heimat gewesen und außerdem sei er auch von den Hintermännern unter Druck gesetzt worden. Norbert J. übrigens, der zunächst untergetaucht war, wurde inzwischen - wie der Ermittler der Landshuter Kripo berichtete - aufgrund eines Haftbefehls einer anderen Staatsanwaltschaft im Ausland festgenommen.

Staatsanwalt Achim Kinsky beantragte für Jakub O., der der Dreh- und Angelpunkt gewesen sei, für insgesamt fünf vollendete und einen versuchten schweren Diebstahl eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, für die drei Mitangeklagten, die jeweils nur bei einem bzw. zwei Diebstählen beteiligt waren, jeweils dreieinhalb Jahre. Strafmildernd wertete er beim „Spiritus Rector“ das umfassende Geständnis, das letztlich ein stimmiges, Ganzes“ in diesem Fall möglich gemacht habe. Besondere Anerkennung zollte der Anklagevertreter den Ermittlern der Kripo und dem BMW-Sicherheitssdienst.

Die Verteidiger-Riege beantragte moderatere Freiheitsstrafen, vier Jahre für Jakub O. und Bewährungsstrafen für die Lkw-Fahrer. Der ehemalige Cleaner, so sein Anwalt, habe - wenn auch spät - ein überschießendes Geständnis geliefert und damit erhebliche Aufklärungshilfe geleistet. Außerdem, so argumentierten die Verteidiger der Lkw-Fahrer, seien ihre Mandanten lediglich Gehilfen, klassische Kuriere gewesen. Entsprechend sei auch ihre Entlohnung ausgefallen. Vom Wert der jeweiligen Diebesbeute hätten sie keine Ahnung gehabt.

Überraschend ging die Kammer bei Jakub O. über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus und verhängte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Die drei Mitangeklagten kamen mit jeweils dreieinhalb Jahren von. Alle vier Angeklagten, so Vorsitzender Richter Kring in der Urteilsbegründung, seien Täter, die Lkw-Fahrer keinesfalls nur Gehilfen gewesen, sie hätten das Diebesgut schließlich aus dem Gelände des Logistikzentrums herausgebracht. Am ehesten könnte man noch Jakub O. als Organisator eine Gehilfenrolle zubilligen, aber seine Gesamtrolle sei von einer Qualität, die ihn auch zum Täter mache.

Eher symbolischen Charakter dürfte der Beschluss der Kammer zur Einziehung von Wertersatz haben: Bei Jakub O. wurden knapp 1,9 Millionen Euro, bei Lubomir G. 756 000 Euro und bei den beiden anderen Fahrern jeweils 378 000 Euro festgesetzt. BMW hat übrigens inzwischen Regressansprüche beim Logistik-Dienstleister angemeldet.

Dingolfing-Landau