Prozess gegen BMW-Diebe fortgesetzt
„Wie die Maus in der Falle“

21.02.2018 | Stand 20.07.2023, 17:35 Uhr
−Foto: n/a

Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes lag bei letztem Diebstahl auf der Lauer - Lkw-Fahrer belastet „Clearer“ Jakub O. (29)

WALLERSDORF/LANDSHUT Insgesamt 8640 Diesel-Injektoren im Gesamtwert von rund 1 750 000 Euro waren von Januar bis Mai 2015 aus dem BMW-Logistikzentrum in Wallersdorf verschwunden.: Beim letzten Coup am 10. Mai, bei dem weitere 1440 Injektoren gestohlen werden sollten, klickten die Handschellen. Jetzt hat sich - wie zum Prozessauftakt berichtet - ein tschechisch-slowakisches Quartett vor der 1. Strafkammer des Landshuter Landgerichts u.a. wegen vollendeten und versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall zu verantworten. Der ursprünglich in der Anklage erhobene Vorwurf des Bandendiebstahls dürfte vom Tisch sein.

Wie zum Prozessauftakt berichtet, war der in Altenbuch wohnende tschechische Staplerfahrer Jakub O. (29) seit Oktober 2016 für einen für die BMW AG tätigen Logistik-Dienstleister als so genannter Clearer in der Nachtschicht in Wallersdorf eingesetzt und hatte weitreichenden Zugang zu den dort eingesetzten BMW-Logistiksystemen.

Ab Januar bis Mai 2017 habe er, so die Anklage, im Zusammenwirken mit verschiedenen Lkw-Fahrern einer Spedition, darunter zunächst mit dem tschechischen Landsmann Lubomir G. (44) sowie ab Mai dann mit den beiden Slowaken Rastislav U. (36) und Juraj V. (38) - sie sitzen alle mit auf der Anklagebank - die Einspritzdüsen, die von 2004 bis 2015 in nahezu allen BMW-Dieselmotoren verbaut wurden und vor allem auf dem Gebrauchtwagenmarkt stark nachgefragt sind - bei insgesamt fünf Coups entwendet. Dabei habe er seine Vertrauensstellung ausgenutzt und die über entsprechende Zufahrtskarten verfügenden Lkw-Fahrer mit ihren Sattelauflegern während der Nachtschicht in die so genannte Kalthalle bestellt.

Dort seien dann die in Gitterboxen gelagerten Diesel-Injektoren verladen, dann zu einer Tankstelle in Wallersdorf bzw. zu einem Parkplatz in Dingolfing transportiert und dort in einen weißen Kastenwagen mit tschechischem Kennzeichen umgeladen worden. Jakub O. soll für die „Lieferungen“ an die (noch) dubiosen Hintermänner jeweils 1000 Euro, die Lkw-Fahrer pro Transport zwischen 250 und 400 Euro erhalten haben.

Zum Prozessauftakt hatte Jakub O. ein Teilgeständnis abgelegt, dabei aber zum Anklagevorwurf, bereits im Januar bei drei Gelegenheiten jeweils zwei Gitterboxen mit je 720 Diesel-Injektoren entwendet zu haben, geschwiegen. Allerdings wurde er am zweiten Verhandlungstag vom 29-jährigen Lkw-Fahrer Radek Z., der nachträglich als Mittäter ermittelt wurde, inzwischen ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt und auf seinen Prozess wartet, schwer belastet. Der 29-Jährige räumte ein, im Januar 2017 in Absprache mit Jakob O. zweimal in der Kalthalle vorgefahren zu sein, und dabei jeweils eine bzw. zwei Gitterboxen abtransportiert und sie dann an der Wallersdorfer Tankstelle an die Abholer übergeben zu haben, die von dem 29-Jährigen telefonisch auf den Plan gerufen worden seien.

Vehement bestritten hatte der Clearer allerdings den Anklagevorwurf, der „Kopf“ der Gruppierung gewesen zu sein. Er sei, so seine Version, von seinem Landsmann Lubomir G. angeworben worden. Der habe ihm einen lukrativen Zuverdienst in Aussicht gestellt. Der 44-Jährige Mamminger dagegen belastete den 29-Jährigen: Der habe den Ärger der Lkw-Fahrer über viele Überstunden und schlecht Bezahlung mitbekommen und seinerseits einen „Nebenverdienst“ angeboten.

Dies Frage nach dem „Kopf“ ließ sich letztlich auch im Rahmen der Ermittlungen und Vernehmungen nicht mit letzter Sicherheit klären, wenn auch vieles auf Jakub O. hindeute, wie der Ermittlungsführer der Landshuter Kripo berichtete. In erster Linie er habe Telefonate mit tschechischen Anschlüssen geführt und vor dem von ihm und Landsleuten bewohnten Haus in Altenbuch habe auch immer wieder ein weißer Kastenwagen gestanden.

Franz R., Chef des BMW-Ermittlungsdienstes, berichtete, dass nach der Inbetriebnahme des Logistikzentrums bereit im Januar 2017 erstmals sechs Gitterboxen mit Diesel-Injektoren „nicht mehr auffindbar“ gewesen seien.

Im Februar und März seien weitere Gitterboxen verschwunden. Da habe man dann reagiert und alle Gitterboxen mit Diesel-Injektoren, die zunächst auf verschiedene Lagerplätze (chaotisch) verteilt gewesen seien, auf einen Lagerplatz zusammengeführt und dort dann eine Videoüberwachung installiert.

Nachdem dann in der Nacht vom 4. auf 5. Mai wieder zwei Gitterboxen verschwunden seien, habe man dann den Beweis gehabt, dass Jakub O. die Gitterboxen mit einem Gabelstapler von der Lagerhalle in die Kalthalle transportierte und dort auf die Sattelaufleger verlud. An den Folgetagen habe dann ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes Wache „geschoben“

und den Coup in der Nacht zum 10. Mai, bei dem noch einmal 1440 Injektoren im Wert von rund 210 000 Euro verladen worden waren, beobachtet. Er habe dann - wie geplant - die Ausfahrt aus der Kalthalle mit einem Pkw blockiert und u.a. ihn und die Polizei verständigt, so der Werks-Chefermittler. „Der verdächtige Lkw war wie die Maus in der Falle.“

Im übrigen bestätigte er, dass es auch schon im Dingolfinger Werk Diebstähle gegeben habe, die mit der Versetzung von Jakub O. ins Wallersdorfer Kompetenzzentrum schlagartig geendet hätten. Allerdings sind diese Fälle nicht Gegenstand der Anklage. Vom Tisch zu sein scheint auch der ursprüngliche Vorwurf des Bandendiebstahls. Vorsitzender Richter Markus Kring gab zu Bedenken, dass aufgrund der bisherigen Einlassungen der Angeklagten die „Rollenverteilung“ wohl nicht zu klären sei.

Der Prozess wird am 8. März fortgesetzt, dann sind Plädoyers und Urteil geplant.

Dingolfing-Landau