Daran scheiden sich die Geister
Digitaler Tetrafunk: Notwendigkeit contra Ängste

06.07.2017 | Stand 27.07.2023, 21:23 Uhr

Am Thema digitaler Tetrafunk scheiden sich die Geister. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Piraten-Partei lieferten sich Kritiker und Befürworter teils hitzige Wortgefechte.

TRAUNSTEIN  Für die Bayerische Staatsregierung steht die Einführung der neuen Digitalfunktechnik für Sicherheit und optimale und schnelle Hilfe für die Bürger des Landes. Knapp eine halbe Million Helfer von Feuerwehr, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, THW, Zoll sowie die Polizei soll mit dem Digitalfunk kommunizieren. Gegner warnen vor den Gesundheitsgefahren der neuen Technik und ausufernden Kosten. Über drei Stunden diskutierte am Donnerstag Abend im Sailer Keller in Traunstein ein fünfköpfiges Podium über das Thema Digitalfunk. Auf Einladung der Piratenpartei waren rund 50 Interessierte gekommen, um sich zu der in vielen Gemeinden und Städten in der Region schwelenden Thematik zu informieren oder um mit den Podiumsteilnehmern zu diskutieren.       Gerhard Schusser, Einführungsverantwortlicher für den Digitalfunk in der Region beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd machte deutlich, dass der Zug für einen Stopp der Einführung von Tetra (terrestrial trunked radio), dem Standard für den Digitalen Bündelfunk abgefahren sei: „Beim Aufbau ist es nicht eine Frage ob, sondern eine Frage wann er da ist.“ Für den Behördenfunk sei es bedeutend, dass man einen Standard habe, mit dem man die Sprache abwickeln könne. Er betonte, dass es mit dem derzeit noch in Benutzung stehenden analogen Funk enorme Probleme und des öfteren Sicherheitsrisiken beispielsweise für Polizisten gäbe.       Kerstin Landau von der BI Tetrafunkfreies Seeon Pittenhart sagte, dass es in Bayern viele Gemeinden gäbe, die sich gegen die Einführung des BOS-Netzes (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) stemmen. Sie kritisierte massiv die festgesetzten Grenzwerte, Studien würden durch Lobbyisten finanziert und würden entsprechend positiv ausfallen. Sie machte deutlich, dass es für die Nutzung der Funknetze keine langfristigen Betrachtungen der möglichen Gesundheitsgefahren gäbe. Für sie sei der Tetrafunk gefährlich, die Aufrüstung des bestehenden Analogfunks die bessere Alternative.       Roland Jungnickel, Vorsitzender des Bezirksverbands Oberbayern der Piraten machte trotz seiner Kritik und Vorbehalte deutlich, dass er den Digitalfunk als alternativlos ansehe. Der Funkausbilder beim THW München betonte: „Es dauert schon viel zu lange, wir brauchen den Digitalfunk schon seit Jahren.“ Er kritisierte massiv das behördliche Vorgehen, nachdem man die Bürger in den Entscheidungs- beziehungsweise Umsetzungsprozess des BOS-Netzes nicht eingebunden habe. Der – nach eigener Aussage – neben Behördenvertreter Schusser einzige Befürworter des BOS-Netzes auf dem Podium machte deutlich, dass viele gerade durch Studien über Grenzwerte im Internet verunsichert würden. „Da ist es schwierig, das Vertrauen zu behalten.“       Technikspezialist und Tetra-Kritiker, Reinhard Lohmann aus Miesbach machte deutlich, dass ihn die Technik beziehungsweise die künftigen Geräte nicht überzeugen. Man brauche keine inzwischen veraltete Technik. „Wir schaffen ein reines Sprechfunkgerät für ein Heiden Geld an.“     Nach einem zögerlichen Beginn diskutierten die Anwesenden mit den Podiumsteilnehmern. Kritisch äußerte sich ein Teilnehmer über die Art und Weise und Inhalt der Veranstaltung. Man brauche den Digitalfunk ohnehin in jedem Fall. Piraten-Beisitzer und Moderator des Abends, Christoph Schmid wies die Kritik zu der Veranstaltung zurück; die Diskussion zu dem Thema mache Sinn. Martin Schön aus Berchtesgaden fragte warum man den BOS-Funk nicht als „offenes System“ konzipiert habe.       Walter Ponath, Kreisvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei forderte „dringend die Einführung des digitalen Funks.“ Es sei „allerhöchste Zeit“ betonte er und fügte hinzu: „Verzögerungen gefährden Menschenleben.“ Christiane von Festenberg von der BI Funkbewusstsein im Inntal prangerte das Milliardengeschäft der Industrie mit der bundesweiten Ausrüstung mit digitalen Geräten an und betonte ihre kritische Haltung zur Handy-Nutzung. Den anwesenden Piratenmitgliedern rief sie zu: „Fordert ein Moratorium.“ Herbert Fial, Grünen-Stadtrat in Laufen wies auf örtliche Probleme in der Suche nach einem Standort für einen Funkmasten hin, der seiner Meinung nach zu Nahe an Kinder- beziehungsweise Jugendeinrichtungen sei.       Der auch nach über drei Stunden Dauer zum Teil auch sehr emotional und hitzig weitergeführte Vortrags- und Diskussionsabend zeigte, wie kontrovers sich hier Befürworter und Gegner in der Frage nach der Einführung des Behördenfunks gegenüberstehen. Stellvertretender Kreisvorsitzender der Piraten, Johannes Schmidt drückte darüber seine Unzufriedenheit aus: wenn man sich als Bürger „hier unten“ streite, könne man „oben“ nichts bewirken: „wir haben eine Demokratie aber keine gelebte Demokratie.“

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