Runder Tisch mit Bürgerinitiativen und Experten in Traunstein
Tetrafunk und „Widerstandsbürger”

06.07.2017 | Stand 13.09.2023, 5:33 Uhr
Axel Effner

Der Ausbau des neuen BOS-Digitalfunks für Behörden und Sicherheitsorganisationen geht im Landkreis Traunstein „schleppender als in Albanien” voran. MdL Klaus Steiner brachte deshalb zweifelnde Bürger und Experten an einem runden Tisch zusammen.

TRAUNSTEIN Wie Steiner betonte, ging es ihm darum, die emotional zum Teil hoch aufgeladene Situation zu versachlichen. Auch deshalb habe man sich im Landratsamt und nicht in einer Gaststätte getroffen. Während er als Abgeordneter im Landtagsausschuss mit der Frage konfrontiert werde, warum der längst beschlossene Ausbau so schleppend vorangehe, würden ihm die Bürger im Landkreis vor allem mit Fragen wegen noch ungeklärter Gesundheitsfragen bestürmen. In verschiedenen Orten machten zudem Bürgerinitiativen gegen neue Digitalfunkmasten mobil. Die Sicherheitsorganisationen wiederum würden ebenfalls auf die Einführung drängen, weil das veraltete Analogfunknetz immer größere Probleme bei einer zeitgemäßen und vor allem sicheren Einsatzkommunikation mit sich bringe.

Zur Aussprache versammelte Steiner im Landratsamt Vertreter der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) wie Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, THW und Katastrophenschutz sowie verschiedener Bürgerinitiativen, Bürgermeister und kommunale Entscheidungsträger. Dazu kamen der Strahlungsexperten Dr. Thomas Gritsch vom TÜV Süd in München, der baubiologische Messtechniker Johannes Schmidt aus Neubeuern sowie Wolfgang Zacher, Leiter der Projektgruppe BOS-Digitalfunknetz Bayern am Innenministerium und Dipl.-Ing. Wolfgang Krüger, Projektleiter der Gruppe „DigiNet” der mit dem Aufbau betrauten Firma Telent aus München.

20 Standorte im Landkreis vorgesehen

Krüger, der zugleich Nachrichtentechniker ist, stellte heraus, dass die Einführung des Digitalfunks in enger Rücksprache mit den modernen Erfordernissen der BOS erfolgt und sowohl von Bund und Ländern beschlossen worden sei. Bayern stelle etwa ein Viertel der für den bundesweiten Netzaufbau erforderlichen über 4.000 Standorte. Bundesweit seien bereits über die Hälfte der Standorte ausgebaut. In Großstädten wie Hamburg, München und Berlin laufe bereits der Netzbetrieb und werde noch feinjustiert. Im Landkreis Traunstein seien 20 Standorte vorgesehen. Bis auf drei im Bereich Schleching, Winklmoosalm und Tittmoning sei man bereits überall auf einem guten Weg. Die Hälfte der Anlagen werden auf bereits bestehenden Anlagemasten installiert.

Wie Krüger auf Nachfrage des erklärte, gebe es von den 945 für Bayern vorgesehenen Standorten bereits für etwa 850 vertragliche Bindungen. Im nächsten Jahr, so Krüger weiter, könnte der Ausbau der Infrastruktur inklusive Sendemasten abgeschlossen werden. Ein Termin für den Netzbetrieb sei noch nicht festgelegt. Vorgesehen sei eine schrittweise Inbetriebnahme für entsprechend notwendige Nachbesserungen. Die Kosten für Anlagen und Betrieb übernehme der Freistaat.Wochenblatts

Sendemasten und die Ängste vor unsichtbarer Strahlungsgefahr

In der Diskussion im Landratsamt wurde schnell klar, dass die Diskrepanzen über Grenzwerte und angebliche Gesundheitsgefahren, veraltete Technik, Kosten und der angebliche Ausstieg anderer Länder schwer zu überbrücken sind. „Angesichts der vielen abstrakten Strahlungsgefahren ist ein neuer Sendemast in der Landschaft greifbarer als Satelliten-TV, Energiesparlampen oder die neuen LTE-Sendeanlagen für Handydownloads”, sagte ein Teilnehmer. Johanna Schwaiger von der Initiative „Bürger für ein strahlungsarmes Inzell” formulierte dagegen symbolträchtig ihre Ängste über künfige Gesundheitsgefahren durch Strahlung mit einem Bild ihrer Kinder in der Hand aus. Knapp ein Dutzend Initiativen setzen sich derzeit landkreisweit für ein Aussetzen oder ein Moratorium des Tetrafunk-Ausbaus ein.

Umsetzung läuft „schleppender als in Albanien”

Kreisbrandrat Hans Gnadl machte deutlich, dass die Kommunikation bei Brandeinsätzen durch die sinkende Qualität des Analognetzes immer schwieriger werde. Der Digitalfunk sei für zeitgemäße Rettungseinsätze unverzichtbar. Ebenso hielt es Gerhard Schuster vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd für nicht verzichtbar, dass die Polizei bei der Koordinierung von Einsätzen ein stabiles und abhörsicheres Netz habe.

Wolfgang Zacher machte klar, dass sich das Innenministerium beim Netzaufbau an demokratische gefasste Beschlüsse und planungsrechtliche Vorgaben halte. „Würde ich die vorgebenen Grenzwerte nach dem ,gesunden Menschenverstand' anzweifeln, wie es viele Initiativen tun, willkürlich senken und mehr Standorte bauen, hieße das auch ein Mehr an Steuerkosten.” Zu Hinweisen auf die Gesundheitsgefahren sagte Krüger: „Bescheinigungen über völlige Unbedenklichkeit gibt es für kein technisches Gerät. Mich wundert nur, dass für die gleichen Symptome früher ganz andere Frequenzen verantwortlich gemacht wurden.”

Klaus Steiner betonte, dass es aus seiner Sicht wichtig sei, in kleineren Veranstaltungen Argumente zu sammeln. Es sei davon auszugehen, „dass wir die neue Technik brauchen und dass sie kommt”. Dass „Widerstandsbürger” gegen demokratisch gefasste Beschlüsse mobil machen, Expertenwissen immer mehr angezweifelt werde und Bayern schleppernder in der Umsetzung sei als Albanien, bereite ihm persönlich zunehmend Probleme.

Weitere Infos gibt es hier (DigiNet) und hier (Diagnose Funk)

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