Der Almhäusl vom Obersalzberg
Ein echter Berchtesgadener Spitzbua

06.07.2017 | Stand 27.07.2023, 1:14 Uhr

Auf sein Konto gehen Eulenspiegeleien, wie das falsche Echo vom Königssee, „Spanner” vor der Sauna, neue Ortstafeln und mehr.

BERCHTESGADEN Es gibt Geschichten, die können hundert Mal erzählt werden, und sie werden nicht langweilig. Dazu zählen jene über den Berchtesgadener Spitzbuam Hermann Irlinger, auch bekannt unter dem Namen Almhäusl – benannt nach dem Namen seines Hauses. Würde es ihn nicht geben, hätte ihn einer wie der Ludwig Thoma erfunden. Immer wieder treibt’s den Almhäusl um, mit seinen lustigen Einfällen. Der größte Streich gelang ihm mit Spezln in den 70er Jahren mit dem falschen Echo vom Königssee. Diese Geschichte war selbst Zeitungen in Russland und Kanada eine Meldung wert. Das Wochenblatt besuchte Hermann Irlinger in seinem Haus am Obersalzberg.

„Des verfolgt mi owei no”, sagt der 66-jährige Elektromeister mit einem spitzbübischen Lächeln und fügt hinzu: „De san selbst schuld g’wesn.” Mit „de” meint er die Bootsfremdenführer, die ihren Gästen bei der Fahrt über den Königssee mit „Woll’n einmal sehen, ob der Trompeter in der Wand schon da ist” immer den gleichen Spruch erzählen, bevor sie mit der Trompete in die Bergwände bliesen, damit die Touristen das siebenfache Echo hören.

„Dann ham ma hoit verkehrt zruckblos’n von der Echowand”, so der „Oimheisei”, dem die Geschichte auch heute, vierzig Jahre später, immer noch größtes Vergnügen bereitet. Zehn Boote lang narrten er und seine Freunde die völlig ratlos Ausg’schmierten. Erst Wochen später kam man darauf, wer diesen Lausbubenstreich gespielt hatte. Konsequenzen hatte es keine: „I ko mei Trompet’n ausprobieren, wo i mog”, sagt dazu der Irlinger Hermann kichernd.

Und das war nicht das einzige Stück, mit dem er im Laufe der Jahre von sich reden machte. „Aba i hob nie jemand an Schad’n zugfügt. I kannt a ganzes Buch voll machen”, sagt Irlinger verschmitzt: „Man müsst’s immer gleich aufschreiben, wenn’s einem einfallt.” Auf seine Streiche angesprochen, weiß er nämlich gar nicht, wo er anfangen soll, so viele sind’s gewesen.

Der Berchtesgadener Anzeiger hielt in den 70er Jahren einmal eine kleine Rückschau über die Streiche des Unternehmers. Zum Beispiel „über das Lüngerl, das dem Knotzei in Bartholomä serviert wurde und so zach war, weil es sich um nichts anderes als das kleingeschnittene in Soße gekochte Hosentürl des Knotzei handelte”.

Weiter schrieb der Anzeiger: „Oder vom Kinderwagen, der von Berchtesgadener Bergsteigern auf die Watzmann-Jungfrau geschleppt wurde. Oder der Frisierstuhl, der zwei Zentner schwer, noch heute fest verankert im Spiralriß am Kehlstein trhont.”  Auch der Berchtesgadener Anzeiger selbst sei immer wieder genarrt worden. Es gab zum Beispiel einen Riesenfisch im Königssee (der auch über den Rundfunk und dpa lief) oder ein Kalb mit zwei Köpfen (bei einem Bauern, der nicht einmal eine Kuh hatte).

Nun, der Frisierstuhl steht nicht mehr am Kehlstein. Aber die Liste der Streiche, die dem Almhäusl einfielen, und die zum Teil mit großem Aufwand verbunden auch ausgeführt wurden, ist um vieles länger geworden. Zum Beispiel vor zehn Jahren, als der Almhäusl und ein paar Spezln ihren Protest zum Ausdruck brachten, weil in Bischofswiesen so rege gebaut wurde. Über Nacht brachten sie auf den Ortstafeln neue Namen und ein neues Gemeindewappen am Rathaus – dargestellt mit Hochhäusern und Kran – an, letzteres fiel erst nach über einer Woche auf.

Die Freinacht auf den ersten Mai ist auch ein beliebter Zeitpunkt für die Streiche des Almhäusl. So stellten er und Freunde einmal auf einer Anhöhe vor dem Freibereich der Sauna der Watzmanntherme eine Schaufensterpuppe als „Spanner” mit Fernrohr auf, die per Fernsteuerung auf und ab marschierte und natürlich bei den Nackerten für Protest sorgte.

Auch die Spezln selbst sind nicht vor den Eulenspiegeleien des Irlingers sicher. Ein Nachbar hatte sich eine neue Motorsäge gekauft und voller Stolz den Baum vor seinem Haus zurecht gestutzt. Der Almhäusl und ein anderer Nachbar bemalten eine Schachtel als Haus und brachten diese in der Nacht auf der in zehn Metern Höhe gelegenen Baumkrone an. Gleichzeitig schalteten sie ein Inserat mit dem Wortlaut: „Deutschlands höchste Austragswohnung zu besichtigen von 7 bis 17 Uhr.” Versehen mit der Telefonnummer des Nachbarn, bei dem das Telefon den ganzen Tag nicht still stand, und dem sofort klar war, wer ihm diesen Streich gespielt hat.

Der Almhäusl ist mit seinen Spitzbubereien so bekannt, dass immer wieder die Leute auch zu ihm kommen, und ihn um eine solche bitten. Umgekehrt fällt bei jedem Streich natürlich der Verdacht sofort auf den Irlinger Hermann – auch wenn er’s mal nicht war. Da war zum Beispiel einmal die Geschichte, dass einer als Bär verkleidet durch den Park lief. Es war nicht der Almhäusl. „Aba des hot mir koana glaabt”, sagt er und wieder kollert und rollt das Lachen durch seinen Bauch.

Angesprochen auf seine Lebensphilosophie sagt er: „Gmüa­tlich muass sei, lustig is eh scho.” Sympathie hegt er somit auch für andere Narreteien, zum Beispiel den nackerten Flik-Flak-Flitzer, der beim Spiel des FC Augsburg gegen den FC Bayern München Anfang November über den Rasen sprintete (wir berichteten), und von dem sich herausstellte, dass er aus Berchtesgaden stammt.  Die Spezln des Flitzers sammelten Spenden für die aufgebrummte Strafe und auch der Almhäusl hätte was dazu gegeben, wenn jemand bei ihm vorstellig geworden wäre.

Irlinger, der mit seiner Almhäusl-Musi schon auf der ganzen Welt unterwegs war und mit seinem Nasenflöten immer wieder für Aufsehen sorgt, liebt natürlich seine Heimat und die Berge. Er wünscht sich, dass Berchtesgaden sein ursprüngliches Aussehen bewahrt und konnte sich seit jeher nicht mit modernen Bauten anfreunden. Was nicht heißt, dass er einer ist, der sich prinzipiell gegen Neuerungen stellt.

Eines steht auf jeden Fall fest: Auf die Streiche des Almhäusl müssen die Berchtesgadener auch in Zukunft nicht verzichten, da kommt bestimmt noch das ein oder andere Glanzstück dazu. Dann kann er sich danach wieder spitzbübisch daran erfreuen und sagen: „Des war a Gaudi, hahaha.”

Berchtesgadener Land