Das tragische Ende einer jungen Mutter
Chiemgau-Messias und ein verzweifelter Suizid

05.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:32 Uhr
Axel Effner

Petra Huessner glaubte den Versprechungen eines selbsternannten „Jesus” und suchte am Ende den Freitod

INZELL Gottfried B. (65) ist davon überzeugt, dass er die göttliche Liebe in sich trägt und einen Auftrag hat. Aus seiner Sicht verkörpert er die Reinkarnation von Jesus Christus, der vor 2.000 Jahren am Kreuz starb. Er will die Menschen ins Licht führen, sie von allen Sorgen, Ängsten und Nöten befreien. Das Ziel ist eine neue Gesellschaft des Friedens. Vor allem in der Erziehung der Kinder soll „die Liebe und das Licht von Gottvatermutter” leuchten, damit Traumata der Erziehung erst gar keine Chance haben. Der selbsternannte Heiland residiert im südlichen Landkreis Traunstein und hat die Sendboten der götlichen Liebe in seinem Vereinshaus um sich geschart. Wer ihn besucht, der erfährt aus nächster Nähe erschütternde Heulkrämpfe, in denen sich die Anhänger des Vereins „Gottesarbeit” von ihren negativen Programmierungen lösen. Im Internet liest man in der Satzung des Vereins: „Die Heilung von Menschen mit akuten Störungen des seelischen Zustandes. Ausheilung aller Symptome wie Bewusstseinsverzerrungen, Angst- und Panikzustände, Wut und Hass, Verzweiflung bis hin zu Lebensangst und Neigungen zur Selbstzerstörung bis zum Suizid.” Eine Ausbildung in psychologischen, seelsorgerischen oder therapeutischen Verfahren hat der frühere Personalberater Gottfried B. nicht. Er sagt: „Die Psychologen gehen nicht so tief wie ich. Wenn etwas hochkommt, trägt die Liebe und das göttliche Licht die Menschen.” Sehr viel hochgekommen ist auch bei Petra Schwalb-Hüssner (45). Die gelernte Krankenschwester, Mutter von drei Kindern und Reikimeisterin aus dem Westerwald befand sich in einer Ausbildung zur Reinkarnationstherapeutin, als sie 2006 Gottfried B. bei einer Lesung kennenlernte. Der versprach ihr: „Ich gehe noch viel tiefer als die anderen und kann Dich von Deinen Ängsten befreien.” Petra besuchte Seminare, meditierte viel und nahm Einzelsitzungen am Telefon. Dabei ging es um Kristallbehandlungen, Begegnungen mit Erzengeln wie Metathron und die Begegnungen mit dem göttlichen Selbst. Ermöglicht wird dies durch Gottfried B., der nach eigenen Aussagen einen direkten Draht zur Christusenergie und  Gottvatermutter hat. Petra wurde eine „Sendbotin der göttlichen Liebe”. Ihr Mann Joachim, der als Selbstständiger in der Außenwerbung tätig ist, fand das am Anfang ganz in Ordnung. Das Thema Esoterik war ihm selbst nicht ganz fremd. Außerdem hatte er in der seit 1991 bestehenden Ehe mit Offenheit und Toleranz dem anderen gegenüber gute Erfahrungen gemacht. Wer glaubt schon, dass eine gut funktionierende Ehe etwas trennen kann. Als Petra jedoch immer öfter bei Gottfried B. nach dem göttlichen Licht suchte, sich zunehmend  zum Meditieren einschloß, die Familie vernachlässigte und Joachim Hüssner irgendwann den Ehering vor die Füße warf, klingelten bei diesem die Alarmglocken. „Ich lebe jetzt zeitweise in der 5. Dimension und weiß, dass ich die reine Liebe zu den Menschen bringen soll. Nicht nur zu dir und deshalb kann ich dir auch kein Versprechen mehr geben”, sagte Petra. Als sie bei Gottfried B. schließlich auch noch ihr „göttliches Doppel” in Gestalt eines Techno-Ravers aus Berlin gefunden hatte und mit diesem nicht nur sittsam meditierte, wurde die Lage bedrohlich. Bis zum 29. März 2009 eskalierte die Situation immer mehr: Auszug, Scheidung, Kraftlosigkeit und Panikattacken sowie ständiger Kontakt zu Gottfried. B. Am Ende zog Petra ganz in die Nähe ihres „Messias”, weil zu Hause die negativen Energien in Form des ganz normalen Alltags unerträglich wurden. Der Ausweg war grausam: Petra Hüssner, ehemals Krankenschwester in der Psychiatrie,  suchte in ihrer Verzweiflung den Freitod und stürzte sich von einer Brücke in die Weißbachschlucht nahe Mauthäusl. Ihr Mann Joachim und die Kinder blieben verzweifelt zurück. „Mit geht es zu schlecht. Ich  kann nicht mehr”, waren ihre letzten Worte. Gottfried B. fühlt sich unschuldig. „Das Ego war offensichtlich noch zu stark. Das göttliche Licht ist dafür nicht verantwortlich.” Joachim Hüssner hat nach langem Ringen mit sich einen autobiographischen Roman geschrieben: „Der Weg hinters Licht” (Drachenmond Verlag). Minutiös schildert er darin die Prozesse der Entfremdung. „Solche Prozesse sind heute keine Seltenheit mehr. Ich wollte andere warnen. Die große Gefahr geht aus meiner Sicht heute nicht mehr von bekannten Sekten wie Scientology aus, sondern von den vielen Kleingruppen, die im Versteckten arbeiten. Allein in Bayern soll es 600 solche Gruppen geben.” Auf seiner Internet-Homepage „einweghinterslicht.de” hat der Westerwälder inzwischen mehrere Aussteigerberichte aus der Gruppe um Gottfried B. veröffent- licht. Dieser offenbart sich im übrigen in seinem Buch „Einfach göttlich leben”. Darin schreibt der 65-Jährige, dass er, von ständigem sexuellen Appetit beseelt, zwei Ehen mit zusammen fünf Kindern hinter sich gelassen hat, um sich von allen Zwängen zu befreien und die „göttliche Liebe” zu verbreiten. Auch ein Weg!

Berchtesgadener Land