Rentner vor dem Amtsgericht Traunstein
TV-Journalistin Dunja Hayali als „dreckige Systemnutte" und „Sklavenhalterin" verunglimpft

11.07.2017 | Stand 20.07.2023, 18:14 Uhr
−Foto: n/a

Auf eine Strafanzeige der TV-Journalistin Dunja Hayali (ZDF-Morgenmagazin, Heute Journal ) hin musste sich am Donnerstag ein 65-jähriger Rentner aus Waging wegen Beleidigung via Facebook verantworten.

TRAUNSTEIN Außerdem hatte der Angeklagte über einen Account in einem an den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich gerichteten Kommentar über Flüchtlinge gehetzt. Richter Wolfgang Ott verhängte gegen den nur hinsichtlich der Beleidigung, nicht wegen Volksverhetzung geständigen Angeklagten, eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 20 Euro, somit von 2 200 Euro. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig.

Ein Privatbürger hatte die Kripo Traunstein über die Aktivitäten im Internet informiert und als Beweis ein Screenshot mitgebracht. Die Beamten unterrichteten die Fernsehjournalistin und den sächsischen Politiker. Für jeden Facebook-Nutzer einsehbar waren die Äußerungen zu Dunja Hayali gewesen. Der 65-Jährige hatte am 17. März 2016 abends ins Netz gestellt: „Die journalistischen Systemnutten des ÖR wie diese Dunja Hayali nutzen ihre Meinungsfreiheit in unfairer Art und Weise aus, um die deutschen Widerstandskämpfer gegen eine Versklavung nieder zu machen: "Dunja Hayali ist eine elende dreckige Systemnutte und Sklavenhalterin.“

Von einem inzwischen geschlossenen Gruppenaccount in Facebook aus hatte er am 22. Februar 2016 bereits – wieder für jedermann wahrnehmbar und ergänzt durch ein Foto des sächsischen Ministerpräsidenten Tillich – verkündet: „Aber die Invasoren und raperefugees (Anmerkung der Redaktion: übersetzt bedeutet das Vergewaltigerflüchtlinge) sind Menschen oder was, du Wichser? Du bist auch kein Mensch, sondern eine vom Steuerzahler gemästete Schmarotzersau, das nicht das eigene Volk vertritt, sondern entgegen dem Amtseid das eigene Volk versklavt, du alte Versklaversau.“ Gemäß Anklage von Staatsanwalt Dominik Rami ergab sich daraus eindeutig: Der Angeklagte wollte damit in Deutschland lebende Asylbewerber beschimpfen und „böswillig verächtlich machen“.

Das Amtsgericht Traunstein hatte wegen Beleidigung und Volksverhetzung einen Strafbefehl über 150 Tagessätze à 50 Euro erlassen, also über 7 500 Euro. Der 65-Jährige hatte Einspruch eingelegt. Er argumentierte gestern, er habe nicht gewusst, dass der Tillich-Kommentar öffentlich einzusehen war. Er sei von einer geschlossenen Gruppe ausgegangen. Gruppen sei – wegen Beobachtung durch die Polizei - mal geschlossen gewesen, mal wieder nicht. Das habe sich ständig geändert. Die Anklage wegen Volksverhetzung lehne er ab: „Ich habe das deutsche Volk verteidigt. Politiker wie Frau Merkel haben das Volk verhetzt und versklavt. Sie sagte, wir schaffen das. Das war eine Lüge. Sie macht ja nichts.“

Als der Rentner auf Martin Luther kam, bat ihn der Richter, bei der Sache zu bleiben. Der Angeklagte meinte daraufhin: „Wer gute Werke tun will, muss sie selber tun.“ Der Richter griff erneut ein. Das Verfahren sei zunächst in Sachsen geführt worden. Der Ministerpräsident habe auf Strafanzeige wegen Beleidigung verzichtet. Deshalb sei in diesem Komplex nur wegen Volksverhetzung ermittelt worden. Der 65-Jährige meinte dazu, er habe hinsichtlich der Flüchtlinge „nur eine rhetorische Frage, keine Behauptung aufgestellt“.

Warum er Dunja Hayali derart beleidigt habe, wollte der Richter wissen. Der aus dem Sauerland zugezogene Waginger begründete das mit einer TV-Runde, zu der neben vielen „Linken“ Frauke Petry als einzige „Rechte“ eingeladen worden sei und deshalb auf Teilnahme verzichtet habe. Der Angeklagte wörtlich: „Die anderen hätten auf sie eingehackt.“ Er habe dies „unfair“ gefunden. Wolfgang Ott warf ein: „Das kann man durchaus kritisieren. Aber der Ausdruck Systemnutte ist schon sehr massiv.“ Ein Traunsteiner Kripozeuge des Kommissariats Staatsschutz schilderte, bei einer Durchsuchung habe der 65-Jährige alle Geräte einschließlich Laptop freiwillig herausgegeben. Mit Dunja Hayali hatte der Zeuge nicht gesprochen. Alles lief über deren Anwälte.

Der Rentner gab an, er sei mit acht Jahren durch Schläge seiner Mutter und die Katholische Kirche „zwangsneurotisch“ geworden. Er habe sein Maschinenbaustudium abgebrochen, mehrere Klinikaufenthalte hinter sich und zuletzt als Mathe-Nachhilfelehrer gearbeitet. Er denke, er habe seine Zwangsneurose, die sein Leben zerstört habe, „nach 50-jährigen Kampf überwunden“: „Dazu gehörte, gute Werke zu tun – um in den Himmel zu kommen.“ Deshalb wehre er sich gegen Flüchtlinge.

„Nach Aktenlage sah der Fall schlimmer aus. Aber der Angeklagte hat sich im Ton vergriffen“, eröffnete Staatsanwalt Dominik Rami sein Plädoyer auf die schließlich vom Gericht ausgesprochene Strafe. Auch der Straftatbestand Volksverhetzung sei erfüllt: „Wenn man sich keine Gedanken macht, ob eine Äußerung in Facebook öffentlich ist, ist das bedingter Vorsatz.“ Ganz klar habe der 65-Jährige pauschal gegen Flüchtlinge gehetzt, damit Asylbewerbern ihre Würde aberkannt.

Insgesamt sei der nicht vorbestrafte Angeklagte „nicht der typische Hetzer, der gefährlich wäre“. Der Rentner, ohne Verteidiger angetreten, wiederholte im „Plädoyer“, er habe nicht alle Flüchtlinge gemeint, „nur die von Köln – auch wenn die mit Sachsen nichts zu tun haben“. Er sehe nicht ein, dass „Deutsche schlechter gestellt würden als die Fremden“. Im Urteil begründete Richter Wolfgang Ott bezüglich des Tillich-Kommentars, laut obergerichtlicher Rechtsprechung sei der objektive Sinn einer Behauptung zu ermitteln. Die subjektive Einstellung des Verfassers sei nicht maßgeblich.

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