Ich sag's mal so
Der bayerische Konjunktiv

04.07.2017 | Stand 27.07.2023, 9:34 Uhr

Die Online-Rubrik des Bayerwald Wochenblatt

REGEN Die bayerische Sprache hat ihre Eigenheiten. Ein Freund meines Sohnes brachte mich jetzt darauf, dass das Wichtigste im Bayerischen – vornehmlich im Bayerischen Wald – der Konjunktiv ist. Da hat er Recht. Ohne Konjunktiv könnte der Waidler gar nicht leben. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Die Älteren unter uns werden sich noch an jenen Werbefilm erinnern, indem irgendwann eine geschäftigte Mutter ihrer Familie zuruft: „Der Kaffee ist fertig!“ Klingt das nicht ungeheuer zärtlich? Bei mir zu Hause und auch im restlichen Bayerwald heißt der Satz dagegen: „Da Kaffää wad (oder warad) fiate!“ Also: Der Kaffee wäre fertig. Man darf getrost davon ausgehen, dass dieser Satz die Situation in der Familie klar umreißt: Die Mutter steht vor dem gedeckten Kaffeetisch, wartend, genervt. Der Rest der Familie ist kreuz und quer im Haus verteilt und beschäftigt sich mit vermeintlich wichtigeren Dingen, als Kaffee. Auch sagt beispielsweise der Mann vor einem Opernbesuch mit seiner Liebsten bevor er zum Auto geht gerne: „I warad soweid!“ Der Konjunktiv bietet sich hier vor allem deshalb an, weil gleichzeitig die Schöne noch vor irgendeinem Spiegel verweilt und neu entdeckte Härchen zupft, Wimpern tuscht oder Falten wegbetoniert. An diesem letzten Beispiel sieht man schon, dass der waidlerische Konjunktiv nicht nur eine Information enthält (Ich bin abreisefertig), sondern gleichzeitig eine Aufforderung mitschwingen lässt, die nur vom geübten – sprich einheimischen – Ohr empfangen werden kann: „Meine Liebe, du stehst jetzt schon dreieinhalb Stunden vor dem Spiegel, hast dich zum elften Mal umgezogen und eigentlich müssen wir weg, weil nämlich sonst die Oper vorbei ist. Also: Ich bin fertig und du solltest es innerhalb der nächsten Sekunden auch sein, sonst drehe ich durch.“ Der redefaule Waidler hat all diesen umfangreichen Text in drei komplett unschuldige Wörter gepackt. Zur Erinnerung: I warad soweid. Auch legt sich der Mensch aus dem Bayerischen Wald nicht fest, wenn er direkt gefragt wird. So könnte die Liebste zum Beispiel sagen: „Gehen wir morgen tanzen?“ Für einen Mann eine schwierige Situation, weil bis morgen ist ja noch eine unendlich lange Zeit und niemand weiß, was bis dahin alles noch passieren könnte. Also einfach Nein zu sagen wäre blöd, weil das könnte die Liebste grämen. Ja sagen ist auch blöd, weil eine frühzeitige Festlegung und Zusage könnte 24 Stunden später bitter bereut werden. Also sagt der kluge Waidler: „Des kannt ma scha mocha.“ Damit hat er nicht abgelehnt, gleichzeitig aber schon überdeutlich klar gemacht, dass wohl aus einem Tanzabend nichts wird. Denn die Langfassung lautet: „Das könnten wir machen, ja. Andererseits weiß ich jetzt schon, dass ich das nicht will. Deshalb werde ich die Zeit bis morgen Abend nutzen, um mir eine perfekte Ausrede einfallen zu lassen, die den Hausfrieden wahrt und dich ruhig stellt. Vielleicht habe ich ja Glück und der Spiegel hält uns lange genug auf.“ Ja, Bayerisch warad die bessere Sprache.

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