Gesundheitsamtschef bei Versammlung
Nicht nur Emmertinger von der hohen PFOA-Belastung im Blut betroffen

15.11.2017 | Stand 13.09.2023, 1:56 Uhr
Robert Piffer
−Foto: Foto: Robert Piffer

Jeder der das gleiche Trinkwasser trank, muss mit der hohen Belastung rechnen.

EMMERTING Dass die Emmertinger ungewöhnlich viel PFOA im Blut haben, das treibt die Bürger der Alzgemeinde um. Am Dienstagabend kamen so viele Menschen zu einer von Bürgermeister Stefan Kammergruber angesetzten Informationsveranstaltung, dass selbst die Plätze in der bestuhlten Turnhalle nicht ausreichten. Viele von ihnen hätten gerne auch Landrat Erwin Schneider und Vertreter von Dyneon und der Gendorfer Infraserv dabei gehabt. Ihr Fehlen erklärte Bürgermeister Kammergruber damit, dass es eine weitere Infoveranstaltung des Landkreises geben werde, mit Schneider und Industrievertretern. Ihm, so Kammergruber, sei es jetzt erst einmal darum gegangen, die Bürger schnell und kompetent zu informieren. Am Ende wussten die Emmertinger zumindest, dass sie nicht alleine sind. Denn auch wenn es keine Untersuchungen in den Nachbarorten gibt, sind Experten überzeugt, dass dort die Blutwerte ähnlich schlecht sind.

Zudem wollte er klarstellen, dass die Gemeinde erst vor wenigen Tagen erfahren habe, dass es diesen jetzt für heftige Diskussionen sorgenden „Sachstandsbericht Adona und perfluorierte Kohlenwasserstoffe“ gibt. Der von Experten aus dem bayerischen Landesamt für Gesundheit verfasste Bericht zeigte auf, dass das Blut von Emmertinger Gemeindebürgern eine vielfach höhere PFOA-Konzentration aufweist als jene von Münchnern oder Passauern.

Der im Landratsamt für Trinkwasserhygiene zuständige Abteilungsleiter Dr. Franz Schuhbeck hatte den Bericht wohl im Dezember 2016 vom Landesamt erhalten und einen Tag vor Heiligabend auf die Internetseite de Landratsamtes gestellt, wo er nicht sehr viel Beachtung fand. Vielleicht wollte er den Emmertingern das Weihnachtsfest nicht vermiesen. Vielleicht erkannte er aber einfach nicht, welche Brisanz das Papier in sich trug. Weil es nichts enthielt, was er als Experte nicht erwartet hatte. Dass Dyneon bei der Produktion von Goretex und Teflon Perfluorierte Tenside einsetzte, war spätestens seit einer spektakulären Greenpeace-Aktion 2006 bekannt. Die Aktivisten hatten damals Abwasser aus dem Chemiepark aufgefangen und in das Werk zurückgepumpt.

Ab dieser Zeit wurde das Trinkwasser zunächst jährlich auf PFOA untersucht. Zwei Jahre später entschloss sich Dyneon zum Verzicht auf PFOA. Da war der Stoff längst im Boden und im Grundwasser. Auch das war bekannt, denn der Wasserzweckverband Inn-Salzach musste seine Brunnen schon 2009 mit Aktivkohlefiltern ausstatten, um den damals noch dreimal so hohen Grenzwert für PFOA einhalten zu können.

In Emmerting lag der PFOA-Wert im Trinkwasser 2006 bei 0,16 Mikrogramm, 2010 bei 0,12 Mikrogramm, 2011 bei 0,05 Mikrogramm, 2013 bei 0,22 Mikrogramm, 2015 bei 0,25 Mikrogramm und im Juli 2016 erstmals über dem damaligen Grenzwert von 0,3 Mikrogramm, nämlich bei 0,338 Mikrogramm. Weil 2016 der Grenzwert auch noch auf 0,1 Mikrogramm gesenkt wurde, gab es dringenden Handlungsbedarf. Die stark belasteten Brunnen im Öttinger Forst wurden vom Netz genommen. Dadurch ging im November 2016 der PFOA-Wert stark zurück, er lag jetzt sogar deutlich unter dem neuen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm. Ein Grund mehr für Dr. Schuhbeck, den Bericht des Landesamtes nicht groß breitzutreten.

Dass sich das über die Jahre über das Trinkwasser aufgenommene PFOA im Blut der Menschen sammeln würde, stellte für den Experten keine Überraschung dar, dass die Bürger aufgeregt reagierten, nachdem die Passauer Neue Presse darüber berichtet hatte, dagegen schon.

Erhöhte PFOA-Werte im Blut bedeuteten nicht gleich eine akute Gesundheitsgefahr, versuchte Dr. Hermann Fromme vom bayerischen Landesamt für Gesundheit zu beruhigen: „Mit einer Sicherheit von 99,9 Prozent können sie davon ausgehen, dass sie nicht mit gesundheitlichen Schäden rechnen müssten.“ Die Gefahr aufgrund der PFOA-Werte Krebs zu bekommen sei vergleichbar mit dem Risiko, welches man mit dem Essen von rotem Fleisch eingehe. Zuhörer bezeichneten Fromme daraufhin als „Verharmloser und Herabspieler“.

Ein wenig trug Fromme aber auch selbst dazu bei, dass ihm nicht alle glauben wollten. Denn trotz des angeblich geringen Gesundheitsrisikos machte er den Wasserversorgern im Landkreis deutlich, dass die PFOA-Konzentration im Trinkwasser deutlich unter dem Grenzwert von 0,1 Mikrogramm bleiben müsse. Dies erfordere, dass das Wasser noch über Jahrzehnte hinweg gefiltert werde. Die Kosten dafür, das erklärte der Kastler Bürgermeister Gottfried Mitterer, würden vom Verursacher bis 2050 übernommen.

Als ein Zuhörer wissen wollte, ob auch noch das Blut von Bürgern aus anderen Orten im Landkreis untersucht werde, verneinte dies Dr. Schuhbeck. Das sei nicht nötig, weil dort die gleichen Werte wie bei den Emmertingern zu erwarten seien. Denn wer das gleiche Wasser wie die Emmertinger getrunken hat, der muss auch mit der gleichen Belastung rechnen. Abschließend sicherte Dr. Schuhbeck zu, dass seine Behörde weiter großes Augenmerk auf das Trinkwasser legen und im Gegensatz zur Vergangenheit besser informieren werde. Mit großer Zuversicht gingen die Besucher der Veranstaltung nicht nach Hause. Mit der Frage „Was ist mit Glyphosat?“ machte der Experte gleich auf das nächste anstehende Problem aufmerksam.

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