Geplante Geburt im Wohnzimmer
Unser Baby kam in unserem Zuhause zur Welt

09.07.2017 | Stand 30.07.2023, 19:11 Uhr
−Foto: Foto: Schmid

Armes Deutschland: Eine Hausgeburt ist fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Kathi und Christopher haben es trotzdem getan

BURGKIRCHEN Eine Schwangerschaft ist die natürlichste Sache der Welt, heißt es. Wenn es aber um die Geburt geht, ist es mit der Natürlichkeit schnell vorbei. Den meisten fällt dazu nur „Krankenhaus“ sein.

„Ich finde, der passendste Ort für eine Geburt ist zu Hause, eine Hausgeburt ist weder eine wahnsinnige Idee noch verantwortungslos“, hat Kathi Derichs (27) aus Burgkirchen für sich herausgefunden. Sie hat Emma, 16 Monate und Niklaus, drei Wochen, nicht im Krankenhaus und ohne PDA zur Welt gebracht. Und, wenn man ihr und ihrem Mann Christopher (29) zuhört, muss es sich dabei um zwei besonders schöne Momente ihres Lebens gehandelt haben.

Ich wollte die Geburt selbst bestimmen

Kathi zählt einige Punkte auf, die für eine Hausgeburt sprechen: „Eine selbst bestimmte Geburt in selbst erschaffener Atmosphäre, ohne die oft unnötigen Interventionen in der Klinik wie z.B. Kaiserschnitte aus Personalnot und Zeitmangel sowie fehlendem Vertrauen in den weiblichen Körper, künstliches Einleiten oder Hemmen der Wehen, PDAs quasi bei jeder Geburt, auch wenn medizinisch absolut unnötig und dadurch mehr Geburtsverletzungen. Hebammen in der Klinik arbeiten im Schichtbetrieb und werden während einer laufenden Geburt abgelöst.“

Emma kam im Geburtshaus Arnstorf zur Welt. Dort kümmert sich die Hebamme Inge Helmer durchgehend um die gebärende Mutter, im Haus ist ein Arzt erreichbar. „Ich schätze mich eher wehleidig ein und war erstaunt, als die Hebamme meinte, eine PDA gibt es nur, wenn sie medizinisch nötig ist“, lacht die junge Mutter. Die Geburt von Emma ging so gut, dass die kleine Familie bereits ein paar Stunden danach wieder zu Hause war.

Bei ihrer zweiten Schwangerschaft stand schnell fest, dass die Geburt von Niklaus nur in ihrem eigenen Zuhause passieren sollte: „Ich wollte die Fahrerei und jeden Stress für mich, das Baby und meine Familie vermeiden.“ Auch die kleine Emma sollte, betreut von einer Freundin, in der Nähe der gebärenden Mama bleiben dürfen.

Bestärkt wurde sie dabei von der Studie „Sicherheit außerklinischer Geburten“ der QUAG (Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V., www.quag.de). „Was viele nicht wissen“, so Kathi, „es ist wissenschaftlich belegt, dass außerklinische Geburten genauso sicher sind wie die in der Klinik.“ Anhand von 40.000 Hausgeburten wurde u.a. festgestellt: 90 Prozent alle Hausgeburten verlaufen ohne Komplikationen, die restlichen 10 Prozent werden während der Geburt vorsorglich und in Ruhe in die Klinik verlegt. In der Klinik kommt jedes vierte Baby per Kaiserschnitt, nur sieben Prozent der Frauen erleben eine Geburt ohne medizinische oder technische Eingriffe.

Das Problem mit der gewünschten Hausgeburt: Sie fand dafür beinahe keine Hebamme. Sie rief Hilfe suchend im Arnstorfer Geburtshaus an und erfuhr, dass „ihre“ Hebamme jetzt auch Hausgeburten betreut – aber nur, wenn sie im Geburtshaus gerade keine Geburt hat.

„In diesem Fall hätte ich daheim eine Geburt in Eigenregie gemacht“, erzählt die Burgkirchnerin. „Dabei wäre die Hebamme zumindest telefonisch dabei gewesen.“

Eine Hebamme finden? Fast unmöglich

Weil Kathi sich am besten beim Baden entspannen kann, hat sie sich für einen Geburtspool entschieden. Der sieht aus wie ein sehr tiefes, stabileres Planschbecken. Das warme Wasser entspannt die Mutter und das Körpergewebe, was die Geburt erleichtert.

Die Hebamme wurde am 24. November, um 14 Uhr, verständigt. Baby Niklaus war um 16.46 Uhr da. Die Geburtshelferin kontrollierte nur zwei, drei Mal den Muttermund und hörte die Herztöne ab – alles andere machten die Eltern allein. „Eines ist klar“, so Kathi. „Ich hatte auch bei Niklaus Geburtsschmerzen, aber kurz danach dachte ich mir so im Pool liegend, so könnte ich noch ein Kind kriegen.“

Kathi bedauert das Hebammen-Sterben aufgrund der steigenden Haftpflichtversicherung. Denn die Hebamme braucht frau nicht nur zur Geburt auch die Vor- und Nachsorge, Geburtsvorbereitung und Rückbildung fallen weg, wenn es keine Hebammen mehr gibt – das betrifft auch die Klinikgeburten. „Und das bei steigenden Geburtenzahlen, die wiederum zu mehr Geburten in Kliniken bei immer weniger Personal und damit zu sinkender Sicherheit führen.“

Ein Teufelskreis, den es so in Deutschland nicht geben dürfte, meint Kathi. „Es gibt das Grundrecht auf die freie Wahl des Geburtsortes, dann sollte auch jede Frau die Möglichkeit zur freien Wahl haben.“

Niklaus ist übrigens im Jahr 2015 der Einzige in Burgkirchen geborene Burgkirchner.“ Schade“, finden seine Eltern.

Unter meinbauchzwerg.de veröffentlicht Kathi ihre Tagebücher zu beiden Schwangerschaften, Geburtsberichte mit Fotos und regelmäßige Blogeinträge.

Altötting