Der jährliche Ausstoß an Kohlendioxid steigt global weiter an. Kann die CO2-Entnahme aus der Luft unser Klima erhalten? Und welche Methoden sind geeignet?
Der Ausstoß an Kohlendioxid steigt unentwegt. Viele Staaten haben zwar begonnen, das Treibhausgas aus der Atmosphäre zu ziehen. Doch für einen ausreichenden Klimaschutz genügt das einem großen Report zufolge noch nicht. Am wichtigsten beim Klimaschutz bleibe es weiterhin, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu vermindern, betont das Team um Erstautor Stephen Smith von der Universität Oxford.
Doch bis zu Mitte des Jahrhunderts müsse die CO2-Entnahme und Speicherung auf 7 bis 9 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr steigen, heißt es in dem Report. Nur dann könne die Erderwärmung wie in Paris vereinbart möglichst auf 1,5 Grad, zumindest aber auf deutlich unter zwei Grad, begrenzt werden.
Die Bundesregierung hat erst in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf zur Speicherung von CO2 vor allem in der Nordsee beschlossen. Dabei soll es um derzeit technisch schwer vermeidbare Emissionen gehen, etwa in der Kalk- und Zementproduktion sowie der Abfallverbrennung.
Moderne Verfahren erst am Start
Derzeit würden weltweit 2,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr hauptsächlich durch konventionelle Methoden wie Wiederaufforstung aus der Luft entfernt, heißt es in dem internationalen Bericht „State of Carbon Dioxide Removal 2024“ („Stand der CO2-Entnahme 2024“). In der ersten Ausgabe des Reports 2023 waren es noch 2 Milliarden Tonnen. Moderne Verfahren wie die CO2-Entnahme etwa durch Filter machen bislang nur 1,3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus und damit weniger als 0,1 Prozent der entzogenen Menge.
„Wir sind so ein bisschen da, wo wir bei den erneuerbaren Energien vor 30 Jahren waren“, sagte Daniela Thrän vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. „Wir müssen uns heute überlegen, wie man gerade die neuen technischen Lösungen sozusagen auf die Straße bekommt.“ Nötig sei es, Demonstrationsanlagen zu bauen, wie es die USA bereits machten, und Lager für CO2 auszuwählen.
Zu den modernen Verfahren gehören:
- Biokohle: Dabei werden Pflanzenreste erhitzt und als kohlenstoffreiches Substrat in den Boden gebracht, das kaum abgebaut wird. - Verbesserte Verwitterung von Gestein: An der Oberfläche nehmen viele Steine beim Verwittern CO2 auf. Werden sie zerkleinert, dann entsteht mehr Oberfläche. - Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (DACCS): Große Maschinen entziehen der Luft CO2 und speichern es im Boden. - Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS): Pflanzen entziehen beim Wachsen der Luft CO2. Sie werden bei dem Verfahren verbrannt und das entstehende CO2 wird gespeichert.
Besonderes Projekt in Island
Als bemerkenswertes Projekt nennt der Report die Anlage „Mammoth“ (Mammut) des Züricher Unternehmens Climeworks, die 2024 in Island eröffnet wurde. Sie sei für eine jährliche CO2-Abscheidung von 0,036 Millionen Tonnen ausgelegt, was fast neunmal so viel sei wie bei der bislang weltweit größten Anlage „Orca“ derselben Firma.
Für ihren Bau und Betrieb ist jedoch Energie nötig. „Die Anlage steht natürlich deswegen in Island, weil da in erheblichen Mengen erneuerbare Energien vorhanden sind“, sagte Thrän. Für Länder wie Deutschland würden solche Verfahren erst dann interessant, wenn ausreichend grüner Strom verfügbar sei.
Für Deutschland gibt es laut Thrän kurzfristig nur eine sehr begrenzte Auswahl an Möglichkeiten, auch weil eine CO2-Infrastruktur und Demonstrationsanlagen fehlten. Sie nannte die Aufforstung, die Kohlenstoffanreicherung im Boden wie etwa Biokohle oder ganzjährige Bodenbedeckung. „Und es geht auch um die Frage, inwieweit man im Rahmen von Moorwiedervernässung auch CO2-Entnahme erreichen kann.“
Derzeit besteht laut Report noch eine erhebliche Lücke zwischen den nationalen Vorschlägen der Länder für die CO2-Entnahme und den meisten Szenarien, die mit dem Pariser Temperaturziel vereinbar sind. Die genaue Größe der Lücke stehe jedoch nicht fest.
„Eine kritische Unsicherheit besteht darin, wie die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass die globalen Emissionen in den letzten Jahren nicht zurückgegangen sind, wie in den Szenarien prognostiziert.“ Daher könnte die Lücke deutlich größer werden als derzeit geschätzt.
CO2-Ausstoß steigt weiter
Nach Annahmen des Global Carbon Project stieg der globale CO2-Ausstoß 2023 auf den Rekordwert von 40,9 Milliarden Tonnen. Rechne man den Ausstoß von Methan und Lachgas hinzu, entspreche die gesamte Menge der Klimawirkung von rund 55 Milliarden Tonnen CO2, sagte Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, der an dem Report führend mitgearbeitet hat.
Methoden zur Beseitigung der Treibhausgase Methan und Lachgas befinden sich dem Report zufolge zumeist in einem viel früheren Entwicklungsstadium. Die Abscheidung sei schwierig, da die Gase in sehr geringen Konzentrationen in der Atmosphäre vorkämen.
Der Report selbst verweist auf ein Manko seiner Zahlen: Es bleibe die Tatsache unberücksichtigt, dass einige Aktivitäten „sich als kurzlebiger erweisen könnten - zum Beispiel aufgrund unerwarteter Störungen oder Missmanagements“.
Allein der Erhalt der CO2-Speicher wie Wälder werde eine erhebliche Herausforderung darstellen, schreibt das Team und verweist auf zunehmende Auswirkungen des Klimawandels wie Niederschlagsänderungen, Waldbrände und die Ausbreitung des Borkenkäfers. Das werde wahrscheinlich die Lücke zum Erreichen der nötigen CO2-Entnahme vergrößern.
Am wichtigsten bleibt die Emissionsminderung
Ob das Wachstum der CO2-Entnahmetechniken schnell genug geht, ist schwer vorherzusagen. Wichtig sei die nächste Runde der Klimaschutzzusagen der Länder, sagte Geden. Bis 2025 müssen die Länder neue nationale Klimaschutz-Beiträge für die Zeit bis 2035 angeben. „Das wird spannend zu sehen sein“, was vor allem die Industriestaaten vorschlagen.
Es sei gut, dass der Report die wichtigste Botschaft gleich zu Beginn präsentiere, sagte Simon Wolf von der Organisation Germanwatch: „Die Emissionsminderung bleibt der zentrale Hebel gegen die Erderhitzung und die bisherigen Bemühungen reichen bei weitem nicht aus.“ Zugleich sieht es auch Wolf als wichtig an, „rechtzeitig auf ein Maß an Negativemissionen zu kommen, das wir für einen 1,5 Grad-kompatiblen Pfad brauchen“.
Dabei sollte dem Aufbau und Erhalt von Wäldern, Mooren und Meeres-Ökosystemen aufgrund der Vielzahl der damit verbundenen positiven Effekte Vorrang vor technischen Lösungen gegeben werden.
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