Staatsbesuch
Treffen in Kriegszeiten: Putin begrüßt «Freund» Xi Jinping

21.03.2023 | Stand 21.03.2023, 6:50 Uhr

Xi Jinping und Wladimir Putin - Der russische Präsident Wladimir Putin (r) empfängt seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping im Kreml. - Foto: -/Russisches Presseamt des Präsidenten via AP/dpa

Im Mittelpunkt des Staatsbesuchs von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Moskau steht Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Peking will sich nach eigenen Angaben als Vermittler einbringen.

Mitten in seinem Krieg gegen die Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem dreitägigen Staatsbesuch empfangen. Putin sagte seinem «Freund» im Kreml gleich zum Auftakt, dass er mit den Vorschlägen aus Peking zur Lösung der Krise vertraut sei. Xi Jinping entgegnete, dass es bei komplizierten Krisen keine einfachen Lösungen gebe. Zuvor war er bei Sonnenschein auf dem Regierungsflughafen Wnukowo von exerzierenden Soldaten und einem Militärorchester begrüßt worden.

Im Paradesaal des Senatspalasts auf dem Kremlgelände schüttelten sich Putin und Xi dann lange die Hände. Der Kremlchef betonte, dass Russland offen sei für Verhandlungen um die Ukraine. «Wir erörtern zweifellos all diese Fragen, auch Ihre Initiative», sagte Putin zusammen mit Xi vor einem Kamin. Dass die beiden fast gleichaltrigen Männer - Putin ist 70, Xi 69 Jahre alt - am Kamin saßen, gilt als Zeichen besonderer Nähe. In dem Saal steht auch der große ovale Verhandlungstisch, an dem Putin immer wieder Staatsgäste empfängt.

China hat Russlands Krieg gegen die Ukraine in mehr als einem Jahr nie verurteilt. Zum ersten Jahrestag am 24. Februar 2022 stellte es einen 12-Punkte-Plan zur «politischen Lösung der Ukraine-Krise» vor, der im Westen überwiegend jedoch auf Enttäuschung stieß. Peking setzt sich für einen Waffenstillstand und Verhandlungen ein.

Xi stärkt Putin den Rücken

Für Putin, der wegen Kriegsverbrechen seit Freitag mit einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs belegt ist, gilt der Besuch auch deshalb als besonders wichtig, weil er zeigen will, dass er international nicht isoliert ist. Putin meinte, dass er China um seine wirtschaftlichen Erfolge beneide. Russlands Wirtschaft hingegen ächzt unter den Sanktionen des Westens im Zuge des Kriegs.

Für Xi ist der Besuch beim großen Nachbarn auch die erste Auslandsreise seit Beginn seiner dritten Amtszeit. Der Chinese ließ gleich zur Begrüßung aufhorchen, weil er selbst die sonst innenpolitisch bisher ausgeblendete Präsidentenwahl in Russland im März kommenden Jahres erwähnte. Nach Berichten russischer Staatsmedien zeigte er sich zuversichtlich, dass Putin aus der Wahl als Sieger hervorgehen wird.

«Dank Ihrer starken Führung hat Russland in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gemacht beim Erzielen von Erfolgen und beim Gedeihen des Landes. Ich bin überzeugt, dass das russische Volk Sie unterstützt bei Ihren guten Vorhaben», sagte Xi laut russischer Übersetzung. Die Aussage war brisant, weil Putin seine Kandidatur überhaupt noch nicht erklärt hat. Der Kremlchef verzog keine Miene.

Der Kreml wies hingegen umgehend zurück, dass Xi damit gesagt habe, dass Putin zur Wahl antrete. «Der Vorsitzende Xi hat nicht gesagt, dass Putin an der Wahl teilnimmt. Der Vorsitzende Xi hat die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Russen Putin unterstützen, und hier kann man seine Überzeugung nur teilen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Putin besteht auf «neuen geopolitischen Realitäten»

Am Morgen hatte die Staatspresse in China und Russland lange Artikel veröffentlicht, in denen Putin und Xi ihre Freundschaft bekräftigten. Das Treffen steht auch im Licht des Strebens beider Staaten nach einer Welt ohne eine Vorherrschaft des Westens unter Führung der USA. Putin kritisierte in der Zeitung «Renmin Bibao» einmal mehr «illegale einseitige Sanktionen, die abgeschafft werden sollten». Darin äußerte er sich auch zum Krieg und der Bereitschaft zu einer diplomatischen Lösung.

«Die Zukunft des Friedensprozesses hängt allein von der Bereitschaft zu einem ernsten Dialog unter Rücksicht der neuen geopolitischen Realitäten ab», schrieb er. Aus russischer Sicht bedeutet das, dass die Ukraine auf Gebiete verzichten soll. Kiew lehnt das ab. Zudem forderte Putin einmal mehr die Nato auf, Rücksicht auf die Sicherheitsinteressen anderer zu nehmen. «Wir sind besorgt über die unverantwortlichen und einfach gefährlichen Handlungen, die die globale atomare Sicherheit zerstören können.»

Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit

In der russischen Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» betonte wiederum Xi Jinping eine «objektive und unvoreingenommene» Haltung Pekings zum Krieg in der Ukraine. China unternehme aktive Anstrengungen, um Friedensverhandlungen und eine Versöhnung zu unterstützen. Bei einer Beilegung des Ukraine-Konflikts müssten die Ziele und Grundsätze der UN-Charta beachtet werden. Den «vernünftigen Sorgen aller Staaten auf dem Gebiet der Sicherheit» müsse Rechnung getragen werden.

Vor allem wollen die beiden Staatschefs bei den bis Mittwoch dauernden Gesprächen die wirtschaftliche Zusammenarbeit ihrer Länder ausbauen. Wichtigster Tag ist der Dienstag. Nach Kremlangaben ist auch die Unterzeichnung von Abkommen zum Ausbau einer «allumfassenden Partnerschaft» und «strategischer Zusammenarbeit» geplant. Ihren ersten Tag ließen Putin und Xi nach dem Treffen unter vier Augen bei einem gemeinsamen Abendessen ausklingen.

Heusgen: Russland ist «Discount-Tankstelle» für China

Nach Meinung des Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz ist Xis Besuch bei Putin für beide Staatsmänner wichtig. Putin wolle seiner Bevölkerung so zeigen: «Russland ist nicht isoliert - er hat ja letzte Woche einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs kassiert», sagte Christoph Heusgen im Sender ntv. «Er ist sozusagen jetzt ein Aussätziger der internationalen Gemeinschaft.» Der dreitätige Staatsbesuch passe ihm gut, zumal der Krieg nicht so laufe, wie Putin sich das vorgestellt habe, und es dem Land auch wirtschaftlicht nicht gut gehe.

Mit Blick auf die Vorteile für Chinas Staats- und Parteichef und den russischen Öl- und Gasreichtum sagte Heusgen: «Russland ist jetzt eine Discount-Tankstelle für China. Das schätzt Xi natürlich.» Xi Jinping brauche Russland im Systemwettbewerb mit den USA. Durch die Selbstisolierung Russlands sei Putin heute ein Juniorpartner für China.

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