Knallharte Zweikämpfe in Interlagos und das auch noch um den WM-Titel: Max Verstappen weiß, wie das geht. Nur wie das gutgehen soll, das ist die Frage.
Die bohrenden Fragen um seinen Fahrstil beantwortete Max Verstappen in etwa so konsequent, wie er im hitzigen Titelkampf auf der Strecke auch weiterhin fahren wird. „Es ist mein zehntes Jahr in der Formel 1. Ich denke, ich weiß, was ich mache“, betonte der 27 Jahre alte Niederländer vor dem Großen Preis von Brasilien in São Paulo und gab seinen Kritiker noch eine deutliche Ansage mit auf den Weg: „Ich höre diesen Personen nicht zu.“
Der für Dramen und Spektakel prädestinierte Kurs in Interlagos könnte für im Knallhart-Duell Kampf um den Weltmeister-Titel zu keiner besseren Zeit im Rennkalender stehen. Die Atmosphäre ist aufgeheizt, der Punktevorsprung geschmolzen und Verstappen nach seiner Doppelstrafe für seinen Kompromisslos-Kurs von Mexiko-City im Fokus der Fahraufseher. „Du gewinnst und du verlierst. Ich mag es nicht, zu verlieren. Ich versuche, das Ergebnis zu maximieren“, betont Verstappen.
„Da der Titelkampf immer härter wird, ist es gut möglich, dass die Stewards in Brasilien noch mehr harte Entscheidungen treffen müssen“, heißt es auf der Homepage der Rennserie. Dass Verstappen nicht einlenken wird zum Wohle der Rennkommissare, machte Vater Jos auch schon deutlich: „Er wird seinen Fahrstil nicht ändern, nur weil es ein paar Stewards gibt, die ihn nicht mögen.“
Beide, Vater und Sohn, werden auch sehr genau hinschauen, wen der Internationale Automobilverband diesmal beordert, über Vergehen zu urteilen, nachdem der Vater über einen möglichen Interessenkonflikt in Mexiko orakelt hatte.
Der Grund für all das: Verstappens Wagen ist zu langsam
Die Formel-1-Saison könnte einem furiosen Finale entgegensteuern. 2021 war es zuletzt so richtig giftig. 2021 gewann Verstappen zum ersten Mal die Weltmeisterschaft, die Rennleitung spielte damals im letzten Grand Prix die entscheidende Rolle, in den Wochen vorher war es zwischen Verstappen und Red Bull sowie dem damals letztlich geschlagenen Lewis Hamilton und Mercedes hoch hergegangen - auf der Strecke zwischen den beiden Fahrern, außerhalb zwischen Teamverantwortlichen.
So wie jetzt. Red Bulls Teamchef Christian Horner legte jüngst Daten vor, die beweisen sollten, dass Norris die Kurve bei einem der Duelle in Mexiko-Stadt gar nicht bekommen hätte, McLarens Geschäftsführer Zak Brown konterte in Richtung Max Verstappen: „Es ist unnötig, es gefährdet alle und es ist kein sauberes Rennen.“ Das verbale Gezanke gehört dazu, gehörte es schon immer. Krach machen in der Formel 1 nicht nur die Motoren.
Mercedes-Teamchef: Rennfahren verändert sich nach Präzedenzfall
Ob sich der ein oder andere und insbesondere Verstappen durch den jüngsten rigorosen Strafkurs der Rennkommissare nun aber anders verhält, wird sich zeigen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff glaubt daran: „Ein Fahrer geht immer ans Limit und wenn die Regeln eine gewisse Art des Rennfahrens erlauben, wird ein Fahrer wie Max die immer ausnützen. Nun gibt es aber eine neue Interpretation und Auslegung der Regeln und ich denke, das wird die Art Rennen zu fahren von allen verändern.“
Wolff sprach von einem Präzedenzfall. „Von jetzt an muss man außen in der Kurve Platz lassen, wenn das Auto neben einem ist. Zu spät zu bremsen und das andere Auto von der Strecke bringen und dabei selbst auch noch die Strecke verlassen - das ist nicht mehr drin.“ Das sei gut für den Rennsport.
Dieses Manöver, innen zu sein und sich nicht überholen zu lassen, indem der Angreifer mehr oder weniger subtil nach außen gedrängt wird, gehört zum weltmeisterlichen Verstappen-Repertoire. Entscheidend ist dabei immer, wer in Scheitelpunkt vorn ist, der hat das Recht auf die Kurve. Verstappen bremst dann halt so spät, dass er meist vorn ist.
Selbst Papa Verstappen räumt ein: In einer Kurve zu viel
Es geht aber auch gar nicht darum, dass nicht mehr überholt werden soll oder darf. Es soll darum gehen, hart, aber fair zu kämpfen. Selbst Verstappens Vater Jos musste einräumen, dass es bei der zweiten Aktion seines Sohnes womöglich zu viel gewesen sei im Autodrómo Hermanos Rodríguez gegen Norris. Max Verstappen hielt sich mit der öffentlichen Selbstbetrachtung erst gar nicht lange auf. Wäre sein Auto nicht so langsam, müsste er sich auch nicht so verteidigen, so sein Credo. 47 Punkte mehr als Norris hat er noch. Vier Grand Prix mit zwei Sprintrennen sind aber auch noch zu fahren.
Norris' Landsmann Damon Hill ehemaliger Weltmeister und heutiger TV-Experte, sieht bei Verstappen auch eine Mitschuld beim Team. „Es hat fast den Anschein, als könne Max tun und lassen, was er will“, sagte er im Sky Sports Podcast. „Es kann aber kein Zerstörungsrennen sein, nur um seinen Platz zu halten oder einem anderen einen Platz zu verwehren.“ Dazu sagte Verstappen: „Ich habe meine Meinung, ich muss diese nicht mitteilen.“ Er höre auf Leute, die objektiv und fair seien.
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