Mit Drohnen-Spionage hat Kanada für Schlagzeilen beim olympischen Fußballturnier gesorgt. Die DFB-Frauen rechnen damit, dass der Viertelfinalgegner enger zusammengerückt ist.
Lea Schüller hatte den Arm in einer Schlinge, als sie in den Mannschaftsbus stieg. Kapitänin Alexandra Popp verbarg die müden Augen unter einer Kappe. Stürmerin Jule Brand huschte als Letzte durch die Tür. Kurz nach neun brachen Deutschlands Fußballerinnen von ihrem Landhotel in Saint-Étienne zurück nach Marseille auf. Im olympischen Viertelfinale wartet dort am Samstag (19.00 Uhr) mit Kanada ein Gegner, der trotz heftiger Turbulenzen abseits des Feldes sportlich bislang überzeugte.
Künzer: Kanada rückt sehr eng zusammen
Den Goldmedaillengewinnerinnen von Tokio 2021 waren wegen des den Drohnen-Eklats sechs Punkte abgezogen worden - und dennoch reichte es für den Einzug in die K.o.-Runde. „Die haben sicherlich eine Situation, in der sie sehr eng zusammenrücken und es auch vielleicht allen zeigen wollen“, warnte DFB-Sportdirektorin und Ex-Weltmeisterin Nia Künzer.
Für Bundestrainer Horst Hrubesch ist Kanada ein „Toplos“. „Auf der einen Seite haben sie hier ein bisschen Schwierigkeiten gehabt“, sagte der 73-Jährige nach dem 4:1 der DFB-Frauen im letzten Gruppenspiel gegen Sambia nonchalant. „Aber sie haben alle drei Spiele gewonnen. Und zum anderen sind sie Olympiasiegerinnen.“
Hrubesch blickte schnell auf die nächste Herausforderung auf dem Weg zur erhofften Medaille, acht Jahre nach dem Triumph von Rio de Janeiro: „Jetzt geht’s darum, fressen oder gefressen werden. Das sind mir eigentlich die liebsten Spiele.“
Schüller mit Schmerzen in der Schulter
Vor der kanadischen Auftaktpartie gegen Neuseeland (2:1) hatte es einen Skandal gegeben, weil zweimal eine Drohne beim gegnerischen Training eingesetzt worden war. Unter anderem wurde Nationaltrainerin Bev Priestman vom Weltverband FIFA für ein Jahr von allen Fußball-Aktivitäten gesperrt. Gegen den Abzug von sechs Punkten hatte Kanada vergebens Einspruch beim Internationalen Sportgerichtshof Cas eingelegt.
Das Hrubesch-Team hat nach dem Erreichen des „Minimalziels“ genug mit sich selbst zu tun. Zum einen war Doppel-Torschützin Lea Schüller auf die Schulter gefallen. „Ich bin nicht verletzt, aber ich habe Schmerzen. Es ist nichts Schlimmes, aber mir tut die Schulter gerade einfach weh“, sagte die Münchnerin nach dem Abpfiff. Die Armschlinge bei der Abreise war nach DFB-Angaben eine Vorsichtsmaßnahme. Der Teamarzt wolle sich die Blessur in Marseille noch genau anschauen.
Zu Abwehrchefin Marina Hegering, die wegen muskulärer Beschwerden gar nicht spielte, meinte Hrubesch: „Marina, davon gehe ich aus, kommt wieder. Das war eine Sicherheitsmaßnahme.“ Auch Hegerings Wolfsburger Clubkollegin in der etatmäßigen Innenverteidigung, Kathrin Hendrich, saß wie geplant im Mannschaftsbus. Sie hatte den Arm von Sambias Stürmerin Barbra Banda an den Kopf bekommen und musste nach nur 22 Minuten durch Sara Doorsoun ersetzt werden. „Der Doktor sagte, sie habe so ein bisschen ein Flimmern vor den Augen. Aber ich denke, es ist alles in Ordnung“, so Hrubesch.
Ansonsten war auch bei den mitgereisten DFB-Verantwortlichen Künzer und Sabine Mammitzsch die Erleichterung groß. „Mir ist schon ein Stein vom Herzen gefallen. Ich war gestern sehr aufgeregt, weil genau diese Assoziation vor uns lag“, sagte die Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball ein Jahr nach dem Vorrundendebakel in Australien. „Ich bin sehr zufrieden, dass wir einen Step weiter sind. Das tut uns natürlich gut – gerade auch für die Entwicklung des Frauenfußballs.“ Das Ziel sei nun das Finale in Paris.
© dpa-infocom, dpa:240801-930-190603/3