Afghanistan-Mission
Maas bietet Hilfe beim Wiederaufbau des Flughafens Kabul an

29.08.2021 | Stand 30.08.2021, 0:06 Uhr

Bundesaußenminister Heiko Maas (l) im Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in Antalya.- Foto: Michael Fischer/dpa

Mehr als 5000 Menschen hat die Bundeswehr aus Afghanistan herausgeholt. Mehr als 10.000 stehen noch auf der Ausreiseliste. Die Rettungsbemühungen gehen in eine neue Phase.

Deutschland bietet finanzielle und technische Hilfe beim Wiederaufbau des schwer beschädigten Flughafens in der afghanischen Hauptstadt Kabul nach dem Abzug der US-Streitkräfte an.

Das sagte Außenminister Heiko Maas am Sonntag in der Türkei zum Auftakt einer viertägigen Reise in fünf Länder, die bei den weiteren Bemühungen um die Ausreise Schutzbedürftiger aus Afghanistan eine Rolle spielen.

Der Außenminister zeigte sich auch offen für den französischen Vorschlag, um den Flughafen eine Schutzzone zu bilden. Ob das dann die Vereinten Nationen oder einzelne Länder mit «Kommunikationskanälen» zu den militant-islamistischen Taliban machen sollten, «muss man sehen», sagte Maas nach einem Gespräch mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu im südtürkischen Antalya. Cavusoglu äußerte sich allerdings skeptisch: «Dieser Vorschlag hört sich eigentlich gut an. Aber ist die Umsetzung leicht oder möglich? Darauf müssen wir schauen.»

Frankreich möchte sich mit Großbritannien für die Schaffung einer UN-Sicherheitszone in Kabul einsetzen, um von dort aus Evakuierungen nach dem Abzug der Amerikaner am 31. August fortsetzen zu können. Dies sei Ziel einer gemeinsamen Resolution bei einer Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen an diesem Montag, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Sonntagszeitung «Le Journal du Dimanche». «Unser Resolutionsentwurf zielt darauf ab, eine Sicherheitszone in Kabul zu definieren, die eine Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglicht», sagte Macron.

Türkei verhandelt mit Taliban über Flughafen

Maas will auf seiner Reise neben der Türkei und Katar auch drei Nachbarländer Afghanistans besuchen: Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan. Deutschland dringt auf einen Weiterbetrieb des Flughafens in Kabul, um mehrere Zehntausend Menschen außer Landes bringen zu können, die eine Aufnahmezusage für Deutschland haben. «Wenn wir einen Beitrag dazu liefern können, nicht nur finanziell, sondern auch technisch, dann werden wir diesen Beitrag liefern», sagte Maas. Der zivile Teil des Flughafens ist schwer beschädigt. Über den weiteren Betrieb führen die Taliban derzeit Gespräche mit der Türkei. Auch das Golfemirat Katar könnte dabei eine Rolle spielen.

Maas brach nur drei Tage nach dem Ende der Evakuierungsoperation der Bundeswehr zu seiner Reise auf. Die Luftwaffe hat unter extrem gefährlichen Bedingungen 5347 Menschen aus mindestens 45 Ländern aus Kabul ausgeflogen. Unterstützung gab es dafür vor allem von Usbekistan, wo die Bundeswehr ein Drehkreuz aufbaute. Dafür wolle er sich bedanken und darauf hinwirken, «dass die internationale Zusammenarbeit auch in der kritischen Phase fortgeführt wird, die jetzt beginnt», sagte Maas.

40.000 Menschen könnten in Deutschland aufgenommen werden

Auf den Ausreiselisten des Auswärtigen Amts stehen weiterhin rund 300 Deutsche sowie mehr als 10 000 Afghanen. Dazu zählen ehemalige afghanische Mitarbeiter von Bundeswehr oder Ministerien - die sogenannten Ortskräfte - und besonders schutzbedürftige Menschen wie Menschenrechtsaktivisten oder Frauenrechtlerinnen. Hinzu kommen deren Familienangehörige. Zusammen geht es nach jetzigem Stand um mehr als 40.000 Menschen, die in Deutschland aufgenommen werden sollen - wenn es ihnen gelingt, das Land zu verlassen. «Die militärische Evakuierung ist nun beendet. Aber unsere Arbeit geht weiter, und zwar so lange, bis alle in Sicherheit sind, für die wir in Afghanistan Verantwortung tragen», hatte Maas versprochen.

Der SPD-Politiker ist wegen der Fehleinschätzungen vor der Machtübernahme der Taliban unter massiven Druck geraten und mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Vom Erfolg der weiteren Bemühungen um die Ausreise Schutzbedürftiger aus Afghanistan dürfte auch seine eigene politische Zukunft nach der Bundestagswahl abhängen. Die Bundesregierung will die Ausreise Schutzsuchender auf dem Landweg in die Nachbarländer, aber auch auf dem Luftweg über den Flughafen Kabul unterstützen.

Für letzteren Punkt waren die Gespräche mit Cavusoglu im Badeort Antalya am Sonntag von besonderer Bedeutung. Auch in der Flüchtlingsfrage dürfte die Türkei wieder eine wichtige Rolle spielen. Neben rund 3,6 Millionen geflüchteten Syrern leben in dem Land bereits jetzt Hunderttausende Afghanen sowie Migranten aus anderen Ländern. Für die Versorgung der Syrer unterhält Ankara auch finanzielle Unterstützung aus der EU. Erdogan hat zuletzt mehrmals deutlich gemacht, dass er nicht dazu bereit sei, weiter Flüchtlinge aufzunehmen. Die Türkei sei nicht das Flüchtlingslager Europas, hatte er etwa vergangene Woche gesagt. Und auch Cavusoglu betonte nun in Antalya: «Wir können keine zusätzliche Flüchtlingslast mehr stemmen.»

Ohne die Taliban geht nichts mehr

Um die Flüchtlingsfrage wird es auch in den Nachbarländern Usbekistan, Pakistan und Tadschikistan gehen. Diese Länder zählen zu den ersten Anlaufstationen für Schutzsuchende, die sich auf dem Landweg in Sicherheit bringen wollen. Vor seiner Abreise sagte Maas den Nachbarländern wirtschaftliche und humanitäre Hilfe zu. «Es ist in unserem eigenen Interesse zu verhindern, dass der Kollaps in Afghanistan die ganze Region destabilisiert», sagte er. Der SPD-Politiker sprach sich auch für ein international abgestimmtes Auftreten gegenüber den militant-islamistischen Taliban aus, die seit zwei Wochen in Afghanistan an der Macht sind.

Denn fest steht: Ab dem 1. September - nach dem US-Truppenabzug - wird man bei allen Bemühungen um eine sichere Ausreise aus Afghanistan auf die Taliban angewiesen sein - ob es nun um freies Geleit an den Checkpoints auf dem Landweg geht oder bei der Wiederaufnahme des Flugbetriebs in Kabul und vielleicht auch in anderen Städten des Landes. «Die Taliban sind jetzt Realität in Afghanistan», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung. «Diese neue Realität ist bitter, aber wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen.»