Nach Bundeswehrabzug
Maas: Abschiebungen nach Afghanistan noch vertretbar

05.07.2021 | Stand 05.07.2021, 21:25 Uhr

Michael Kappeler/dpa

Die internationalen Truppen verlassen das Krisenland Afghanistan, und in Deutschland wird diskutiert, ob Menschen in das Land abgeschoben werden dürfen. Nun äußert sich auch der Außenminister.

Bundesaußenminister Heiko Maas hält Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan trotz der sich immer weiter verschlechternden Sicherheitslage noch für vertretbar.

«Bisher gab es sicherlich eine Zunahme von Gewalt, die es auch in der Vergangenheit gegeben hat. Sollte sich das weiter dramatisieren, wird sich das auch in unseren Berichten niederschlagen», sagte Maas am Montag in Madrid. «Welche Auswirkungen das dann auf die Frage hat, ob Menschen noch abgeschoben werden können nach Afghanistan, wird man dann sehen. Bei dem was, wir bisher an Informationen haben, halte ich die bisherige Praxis aber nach wie vor für vertretbar.»

Seit 2016 sind mehr als 1000 Migranten nach Afghanistan zurückgebracht worden, überwiegend Straftäter. Der nächste Flug ist für diesen Dienstag geplant. Das Auswärtige Amt erstellt in regelmäßigen Abständen Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan, die dann Grundlage für die Entscheidung über Abschiebungen sind.

Seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan Anfang Mai hat sich die Sicherheitslage zugespitzt. Die militant-islamistischen Taliban haben seither ein Viertel der Bezirke im Land neu erobert. Dabei haben sie Hunderte Regierungskräfte getötet, verwundet, gefangen genommen oder zur Aufgabe überredet. Nach UN-Daten mussten zwischen Anfang Mai und Ende Juni fast 84.000 Menschen innerhalb Afghanistans vor den Kämpfen aus ihren Dörfern und Städten fliehen. Täglich kommen Zivilisten in dem Konflikt im Kreuzfeuer bei Gefechten, durch Bomben am Straßenrand oder auch durch gezielte Tötungen ums Leben.

In der Nacht zum Montag töteten militant-islamistische Taliban im Westen des Landes nach Behördenangaben mindestens 16 Soldaten. Die Kämpfer hätten in der Nacht einen Stützpunkt in der Provinz Herat angegriffen, teilten örtliche Ratsmitglieder am Montag mit. Die Extremisten sind dort in vielen Bezirken aktiv und greifen häufiger Sicherheitskräfte an.

Mehr als 1000 afghanische Soldaten flohen aus Angst um ihr Leben vor den Taliban in die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan. Sie seien als Zeichen guter nachbarschaftlicher Beziehungen in der Nacht zum Montag ins Land gelassen worden, teilten die tadschikischen Grenztruppen in der Hauptstadt Duschanbe mit.

Es war die bisher größte Zahl an Menschen innerhalb eines Tages, die sich in Sicherheit bringen wollten. Bereits in den Tagen zuvor waren Angehörige der afghanischen Regierungstruppen in der Provinz Badachschan vor den Taliban geflüchtet.

Ein Viertel der Bezirke im Land haben die Taliban seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai erobert. Allein am Wochenende nahmen sie nach Behördenangaben mindestens 28 Bezirke in mindestens acht Provinzen ein. Die USA kündigten indes an, den Abzug der eigenen Truppen bis Ende August abzuschließen. Die Bundeswehr hatte am vergangenen Dienstag ihre letzten verbliebenen Soldaten aus dem Norden des Landes ausgeflogen.

Die Bundesregierung hat zur Aufnahme schutzsuchender Ortskräfte aus Afghanistan bisher 2400 Visa erteilt. Die Lage vor Ort sei aber schwierig und ein geplantes Kontaktbüro der Internationalen Organisation für Migration (IOM) habe den Betrieb noch nicht aufgenommen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Trotzdem handele es sich um ein «sehr schnelles Verfahren».

Das Schutzprogramm sei angelaufen, berichtete der «Spiegel». Seit Ende Juni seien sechs Ortskräfte, die in Afghanistan für die Truppe gearbeitet haben, gemeinsam mit ihren Ehefrauen und Kindern in Deutschland angekommen. Aus Bundeswehrkreisen hieß es demnach, insgesamt seien bereits 23 Afghanen mit Linienmaschinen von Turkish Airlines aus Masar-i-Scharif ausgereist. In den kommenden Tagen würden rund 30 weitere Personen erwartet, die als gefährdet gelten.