Bundestagswahl
Linke umwirbt SPD und Grüne - Union befürchtet Linksruck

06.09.2021 | Stand 07.09.2021, 6:49 Uhr

Janine Wissler bei einer Pressekonferenz im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin.- Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Seit die SPD in den Umfragen an CDU und CSU vorbeigezogen ist, kocht die Debatte über ein mögliches Linksbündnis hoch. Union und FDP sehen den Sozialismus im Anmarsch, während sich SPD und Grüne alle Türen offen halten.

Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl dominiert die Debatte über ein mögliches Linksbündnis von SPD, Grünen und Linken den Wahlkampf.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte am Montag in Berlin: «Die Linkskoalition ist kein Phantom, sondern sie kann Realität werden.» Die Linke warb ausdrücklich für Rot-Grün-Rot: Eine Ampelkoalition «wäre Wahlbetrug mit Ansage, weil die SPD mit der FDP ihr Wahlprogramm nicht umsetzen kann», sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken vermied eine klare Festlegung. Sie betonte, «dass wir nicht vor Wahlen über mögliche Koalitionspartner sprechen und nachdenken (...) sondern danach».

Im Fall eines Wahlsiegs der SPD gelten für die Sozialdemokraten derzeit zwei Koalitionsoptionen als realistisch: Eine «Ampel» mit Grünen und FDP oder ein Linksbündnis mit den Grünen und der Linken. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, äußerte sich zu beiden Varianten zurückhaltend. Die Linkspartei und die FDP seien «zwei Wackelkandidaten», bei denen unklar sei, «ob sie bereit sind, eine progressive Regierung mitzutragen». Zudem habe sich die Linke durch ihre mehrheitliche Enthaltung bei der Abstimmung über den Evakuierungseinsatz in Afghanistan «ins Abseits gestellt».

CDU, CSU und FDP warnen seit Tagen vor einer rot-grün-roten Koalition, weil SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz ein Bündnis mit der Linken zwar an Bedingungen knüpft, es aber nicht ausdrücklich ausschließt. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, der die Partei gemeinsam mit Esken führt, sprach von einer «Angstkampagne» der Union. Gleichzeitig räumte er ein, einige Aspekte im Wahlprogramm der Linken seien «eine Hürde, die es schwer macht, für eine Zusammenarbeit zusammenzukommen». Aber auch die steuerpolitischen Pläne der FDP zugunsten von Spitzenverdienern seien eine «absolute Hürde».

Die Linke legte ein «Sofortprogramm» vor, in dem sich die Partei offen für ein Bündnis mit SPD und Grünen stark macht: «Es gibt in diesem Land eine Mehrheit, die Ungleichheit und Armut nicht länger hinnehmen will», heißt es dort. Man könne nicht noch einmal vier Jahre so weitermachen, sagte Linken-Chefin Janine Wissler im ZDF-«Morgenmagazin». «Und da, finde ich, sollten SPD, Grüne und Linke gemeinsam nach der Wahl, wenn es eine Mehrheit gibt, sehr ernsthaft sondieren, ob man sie nutzen kann.»

Vor diesem Hintergrund warnte CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus bei einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ein Linksbündnis werde zu einem anderen Land führen. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder erklärte im niederbayerischen Abensberg, mit Scholz kämen auch Menschen wie Esken in die Regierung, «die den demokratischen Sozialismus für eine prima Idee hält». Dann drohten Steuererhöhungen, ein «Mount Everest an Schulden» und neue Verbote, die das Land zurück in die Steinzeit führten. Ähnlich äußerte sich FDP-Vize Alexander Graf Lambsdorff auf Twitter: «Wer Olaf Scholz wählt, wählt in Wahrheit Saskia Esken und Dietmar Bartsch.»

Anlass für die Debatte sind die jüngsten Umfragen, die die SPD bis zu fünf Prozentpunkte vor der Union auf Platz eins sehen. Trotzdem dieser Werte rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Union zu einem selbstbewussten Wahlkampf auf. Auf die 16 Regierungsjahre könne man stolz sein, sagte Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in der wohl letzten Fraktionssitzung vor der Wahl. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) will bis zum Wahlabend nicht mehr über Umfragen sprechen. Bei einem Besuch in Heidelberg sagte er: «Dieses tägliche Klicken von Umfragen mag spannend sein. Ich sage, wie es mit Deutschland weitergehen soll.»