Pandemie
Kritik an Corona-Beschlüssen - Omikron erreicht Bundestag

22.12.2021 | Stand 22.12.2021, 19:01 Uhr

Ralph Brinkhaus (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht im Bundestag. - Foto: Michael Kappeler/dpa

Kontaktbeschränkungen nach Weihnachten, leere Zuschauerränge und Tanzverbot. Mit diesen Maßnahmen wollen Bund und Länder steigenden Corona-Zahlen vorbeugen. Doch reicht das aus?

Angesichts der schnellen Ausbreitung der hoch ansteckenden Omikron-Virusvariante in Europa wird die Kritik an den jüngsten Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern lauter.

Er hätte sich mehr und frühere Maßnahmen gewünscht, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) am Mittwoch im ARD-«Morgenmagazin». Es sei unverständlich, dass man erst nach Weihnachten beginne. Unterdessen wurden zwei aktuelle Corona-Fälle im Bundestag bekannt, darunter einer mit Omikron-Variante.

Auch nach Ansicht des Frankfurter Virologen Martin Stürmer kommen die Maßnahmen zu spät. «Bei der Verdopplungsrate, die Omikron an den Tag legt, ist jeder Tag wichtig», sagte er im Deutschlandfunk. Man könne der Politik durchaus den Vorwurf machen, mit dem verspäteten Treffen «schon wieder etwas verschlafen» zu haben.

Beschränkungen erst nach Weihnachten

Um die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante zu bremsen, hatten Bund und Länder am Dienstag weitere Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens beschlossen. Sie sollen aber erst nach Weihnachten gelten. Spätestens ab 28. Dezember sollen Kontakte auch für Geimpfte und Genesene auf maximal zehn Menschen beschränkt werden. Zudem wurde sich auf die Schließung von Clubs und Diskotheken und leere Ränge bei Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen verständigt.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte kurz vor der Bund-Länder-Runde jedoch viel weitreichendere Maßnahmen gefordert, darunter sofortige maximale Kontaktbeschränkungen. Auch der neue Expertenrat der Bundesregierung hatte vor der Gefahr einer «explosionsartigen Verbreitung» der Omikron-Variante gewarnt. Am 7. Januar will sich Scholz erneut mit den Länderchefs treffen, um über die Pandemiebekämpfung zu beraten.

Omikron im Bundestag angekommen

Derweil erreichte die Omikron-Variante auch den Bundestag. An der konstituierenden Sitzung des Verteidigungsausschusses haben nach Angaben aus dem Gremium zwei Abgeordnete mit einer zu diesem Zeitpunkt nicht erkannten Covid-19-Infektion teilgenommen, darunter waren die beiden Varianten Delta und Omikron. Die Politiker hatten bei der Sitzung am vergangenen Mittwoch Masken getragen, legen diese aber üblicherweise bei Redebeiträgen ab.

Mehrere Länder kündigten bereits an, wegen Omikron die Kontaktbeschränkungen schon etwas früher umzusetzen. In Mecklenburg-Vorpommern etwa greifen sie schon ab Heiligabend. In Baden-Württemberg unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen, also am 27. Dezember, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte die jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse verteidigt, zugleich aber auch härtere Schritte nicht ausgeschlossen. Er sagte am Dienstagabend in den ARD-«Tagesthemen»: «Also wenn tatsächlich die Fallzahlen sich so entwickeln würden, dass auch ein harter Lockdown diskutiert werden muss, dann gibt es da keine roten Linien. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir da nicht.»

«Politik muss flexibel sein»

Ähnlich äußerte sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). «Wir sind jederzeit bereit, uns mit zusätzlichen Kontaktbeschränkungen auf die neue Lage einzustellen, wenn es erforderlich ist», sagte Wissing im ARD-«Morgenmagazin». Omikron sei eine neue Herausforderung, und die Politik müsse flexibel genug sein, schnell zu reagieren. Zu Weihnachten setzt Wissing jedoch auf Eigenverantwortung: «Das muss jeder für dich selbst entscheiden.» Die Messlatte sei, Kontakte, die man vermeiden kann, solle man vermeiden. «Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Menschen das auch verinnerlicht haben.»

Der Deutsche Ethikrat sprach sich unterdessen für eine Ausweitung der kürzlich beschlossenen Impfpflicht für Personal in Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen auf «wesentliche Teile der Bevölkerung» aus. Dies müsse aber von einer Reihe von Maßnahmen flankiert werden, heißt es in einer mehrheitlich beschlossenen Empfehlung des beratenden Gremiums. Neben flächendeckenden Impfangeboten und ausreichend Impfstoff sollte soweit möglich der Impfstoff frei gewählt werden können. Empfohlen werden auch direkte Einladungen mit personalisierten Terminen, ein datensicheres nationales Impfregister und verständliche Information.

Wichtiger Wegweiser

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sieht in der Empfehlung einen «sehr wichtigen Wegweiser». Ähnlich wie viele Politikerinnen und Politiker habe der Ethikrat seine bisherige Haltung aufgrund der veränderten Lage revidieren müssen, sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur.

Die Zahl gemeldeter Infektionen geht in Deutschland aktuell weiter zurück. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Mittwochmorgen mit 289,0 an. Am Vortag hatte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz bei 306,4 gelegen, vor einer Woche bei 353,0 (Vormonat: 386,5). Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 45 659 Corona-Neuinfektionen. Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Mittwoch mit 4,57 (Dienstag: 4,73) an.

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