Ministerpräsident
Japans Regierungschef Suga gibt auf

03.09.2021 | Stand 04.09.2021, 8:21 Uhr

Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga will Medienberichten zufolge zurücktreten.- Foto: Kimimasa Mayama/Pool EPA/AP/dpa

Japans Ministerpräsident Suga hat nach nicht einmal einem Jahr genug. Corona, Skandale und das Durchziehen von Olympia trotz Pandemie kosten ihn sein Amt. Das Rennen um seine Nachfolge hat begonnen.

Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga schmeißt nach monatelanger Kritik an seinem Umgang mit der Corona-Pandemie das Handtuch.

Der 72-Jährige sagte am Freitag überraschend, dass er bei der Ende dieses Monats geplanten Neuwahl des Parteivorsitzes seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) nicht kandidieren werde. Dies bedeutet de facto auch das Ende seiner nicht einmal ein Jahr dauernden Amtszeit als Regierungschef des Landes - wegen der Parlamentsmehrheit der LDP wird der Parteichef gewöhnlich auch Premier. Spätestens im November wählt Japan ein neues Unterhaus. Nach Sugas tiefem Absturz in Wählerumfragen hofft die LDP nun, mit einem neuen Parteichef ihre absolute Mehrheit in der mächtigeren der beiden Parlamentskammern zusammen mit ihrem Koalitionspartner Komeito verteidigen zu können.

Suga war von seiner Partei als Nachfolger des rechtskonservativen Shinzo Abe ins Amt gehoben worden, der nach einer Rekordamtszeit aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig zurückgetreten war. Suga führt Abes restliche Amtszeit als Parteichef zu Ende, die am 30. September endet. Mit seinem Rücktritt ermöglicht Suga nun einen echten innerparteilichen Wettbewerb. Als ein möglicher Nachfolger gilt Ex-Außenminister Fumio Kishida (64). Er war bei der Wahl zur Nachfolge Abes Suga unterlegen. Der stets reserviert und ruhig auftretende Kishida hat seine eigene innerparteiliche Machtgruppe und wird innerhalb der Partei gemocht, doch hatte er trotz seiner Erfahrung als Top-Diplomat bisher nicht als ein starker Kandidat gegolten. Auch im Volk weckte er bislang keine große Begeisterung.

Verteidigungsminister führt in Umfragen

Beliebter in Umfragen ist der frühere Außen- und Verteidigungsminister Taro Kono, der als Reformminister zuständig für Japans Impfkampagne ist. Nach spätem Start hat er dafür gesorgt, dass sein Land inzwischen über ein äußerst schnelles Impfprogramm verfügt. Neben Kono hat auch die stramm rechtskonservative Sanae Takaichi, die Abe sehr nahe steht und ihm als Innenministerin diente, Interesse an einer Kandidatur für das höchste Amt bekundet. Sie liegt in Umfragen jedoch weit abgeschlagen. Beliebter wäre dagegen der frühere Generalsekretär der Partei, Shigeru Ishiba. Doch der war bisher noch bei jeder seiner Kandidaturen für die Parteispitze gescheitert.

Suga erklärte, er wolle sich in seiner verbleibenden Amtszeit auf den Kampf gegen die bisher schlimmste Infektionswelle konzentrieren, die Japans Gesundheitssystem an den Rand der Überlastung geführt hat. Die Eindämmung der Pandemie und der Wahlkampf verlangten «enorme Energie», er könne nicht beides machen. Dabei ist es gerade seine als zu langsam und unzureichend kritisierte Corona-Politik, der äußerst späte Start des Impfprogramms sowie sein stures Festhalten an den Olympischen Spielen inmitten der Pandemie gewesen, die seine Umfragewerte von anfangs rund 70 Prozent tief abstürzen ließen. Hinzu kamen Skandale um Vetternwirtschaft aus der Zeit seines Vorgängers.

Kurse schnellen in die Höhe

Die Nachricht von Sugas Rückzug schlug in Japans politischem Machtzentrum wie eine Bombe ein. An der Börse in Tokio sorgte sie für einen starken Anstieg der Kurse. Politische Beobachter rechnen damit, dass die LDP bei der im Herbst anstehenden Wahl zum mächtigen Unterhaus des Parlaments zwar Sitze einbüßen könnte. Doch halten es viele angesichts der Zersplitterung der Opposition und der allgemeinen politischen Apathie bei den Wählern für eher unwahrscheinlich, dass die Partei die Mehrheit im Unterhaus zusammen mit dem Partner Komeito einbüßen wird. Manche politischen Beobachter befürchten allerdings, dass Japan in die Zeit vor Abe zurückfallen könnte, in der die Regierungschefs Japans fast jährlich wechselten.

Dabei hatte Suga, der seinem rechtskonservativen Vorgänger Abe jahrelang als rechte Hand in der Position des Kabinettschefs diente, anfangs als Garant für Kontinuität und Stabilität im Land gegolten. Zugleich verlegte er den Fokus auf wirtschaftliche Reformen. Dazu gehörte die verschleppte Digitalisierung. Zudem gab er das Ziel aus, Japan bis 2050 CO2-neutral machen zu wollen. Doch seine Hoffnung, mit Japans Erfolg bei den Olympischen Spielen, die Gunst der Wähler noch einmal zurückgewinnen zu können, erfüllte sich nicht. Nach einigen empfindlichen Niederlagen bei kürzlichen Regionalwahlen begannen seine innenpolitischen Gegner mit den Hufen zu scharren.