Machtkampf
Interims-Regierungschef in Haiti tritt zurück

19.07.2021 | Stand 20.07.2021, 7:02 Uhr

Claude Joseph, Übergangs-Premierminister in Haiti, spricht während einer Pressekonferenz. Foto: Joseph Odelyn/AP/dpa

Haiti hat seit rund anderthalb Jahren kein beschlussfähiges Parlament. Nach der Ermordung des Staatspräsidenten Moïse räumt nun Übergangs-Premier Claude Joseph seinen Posten.

Haitis Übergangs-Premierminister Claude Joseph gibt im Machtkampf nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse nach und wird zurücktreten.

Haitis Wahlminister Mathias Pierre bestätigte entsprechende Medienberichte am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Joseph übergibt demnach am Dienstag das Amt an den Ex-Innenminister Ariel Henry, bleibt aber Außenminister. Moïse hatte Henry keine 36 Stunden vor seinem Tod zum Premierminister ernannt. Da Henry zum Zeitpunkt von Moïses Ermordung nicht vereidigt war, blieb der bisherige Premierminister und Außenminister Joseph im Amt. Er trete nun zum Wohle der Nation zurück, sagte Joseph am Montag der «Washington Post».

Am Samstag hatten sich bereits Vertreter der internationalen Gemeinschaft hinter Henry gestellt, nachdem sie zunächst Joseph als Interims-Premierminister anerkannt hatten. Die sogenannte Kerngruppe ermutigte einer Mitteilung zufolge nachdrücklich den 71 Jahre alten Neurochirurgen Henry, eine «konsensuelle und inklusive» Regierung zu bilden. Der Kerngruppe gehören unter anderem die Botschafter Deutschlands, der USA und der EU in Haiti sowie ein Vertreter des UN-Generalsekretärs an.

Der Staatschef Moïse hatte am 5. Juli Henry zum bereits siebten Premierminister seiner Amtszeit ernannt und damit beauftragt, eine Regierung zu bilden. Der Premierminister ist in Haiti Regierungschef. Als Joseph die Regierungsgeschäfte nach Moïses Tod weiterführte, verhielt sich Henry zurückhaltend, sagte aber in einem Interview der Zeitung «Le Nouvelliste», seiner Ansicht nach sei er der wahre Interims-Premierminister. Da Haiti seit Anfang 2020 kein beschlussfähiges Parlament hat, wurde keiner von beiden verfassungsgemäß bestätigt. Am 26. September sind Präsidenten- und Parlamentswahlen in dem armen Karibikstaat geplant.

Der 53 Jahre alte Moïse war in der Nacht zum 7. Juli in seiner Residenz von einer schwer bewaffneten Kommandotruppe überfallen und erschossen worden. Nach Polizeiangaben führten kolumbianische Söldner den Mord aus. Zu den Hintermännern sollen ein haitianischer Arzt, der in den USA wohnte, und ein Ex-Funktionär des haitianischen Justizministeriums gehören. Einen kolumbianischen Medienbericht, wonach auch gegen Joseph ermittelt werde, wies Haitis Polizei zurück.