Justiz
G7 koordinieren Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in Ukraine

30.11.2022 | Stand 30.11.2022, 1:25 Uhr

Marco Buschmann - «Abscheulichste Kriegsverbrechen in der Ukraine»: Marco Buschmann. - Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Die ukrainische Regierung will ein Sondertribunal, das sich mit dem russischen Angriffskrieg beschäftigt. Doch viele Fragen rund um die Verfolgung der zahlreichen Kriegsverbrechen sind noch ungeklärt.

Um ihre Ermittlungen zu in der Ukraine verübten Kriegsverbrechen besser zu koordinieren, haben die Justizminister der G7-Staaten die Einrichtung einer konkreten Kontaktstelle in jedem Staat vereinbart. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte nach dem Treffen der Minister in Berlin: «Wir waren uns alle einig, dass abscheulichste Kriegsverbrechen in der Ukraine stattfinden.» Bei der verbesserten Zusammenarbeit gehe es vorrangig darum, Beweismaterial zu sichern und Doppelarbeit zu vermeiden.

Opfer, die Zeugenaussagen machten, sollten zu sexualisierter Gewalt und anderen traumatisierenden Erlebnissen beispielsweise nicht mehrfach aussagen müssen. Die ukrainischen Strafverfolgungsbehörden selbst hätten bereits fast 50.000 Fälle von möglichen Kriegsverbrechen dokumentiert und etwa 600 Verdächtige ermittelt.

Aber auch in Deutschland werden jetzt schon Beweise gesammelt. Auf dem Hilfsportal der Bundesregierung «Germany4Ukraine» werden Flüchtlinge aufgefordert, sich für Zeugenaussagen zu Kriegsverbrechen an die nächstgelegene Polizeidienststelle zu wenden. Auf diesem Weg sind beim Bundeskriminalamt bereits zahlreiche Hinweise eingegangen.

Die deutsche Justiz hat Erfahrung mit der Verfolgung von im Ausland begangenen Kriegsverbrechen. Im Januar verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz den ehemaligen Vernehmungschef eines syrischen Geheimdienstgefängnisses zu lebenslanger Haft. Allerdings können sich amtierende Staats- und Regierungschefs sowie Außenminister gegenüber staatlichen Gerichten im Ausland uneingeschränkt auf persönliche Immunität berufen. Deshalb sucht die ukrainische Regierung international Unterstützung für die Einrichtung eines internationalen Sondertribunals.

«Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben»

Auch die gezielte Zerstörung der zivilen Infrastruktur durch die russischen Angreifer, wodurch Menschen ohne Heizung und Strom leben müssten, stelle ein Kriegsverbrechen dar, sagte Buschmann. Der russische Präsident Wladimir Putin benutze Kälte als Waffe.

Buschmann betonte, von der Zusammenkunft gehe das Signal aus: «Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben.» Der ukrainische Generalstaatsanwalt, Andrij Kostin, sagte, die Ukrainer kämpften an zwei Fronten: einerseits um die territoriale Integrität des Landes wiederherzustellen und andererseits um Gerechtigkeit «für alle Opfer dieses unprovozierten Angriffs» zu erreichen.

Es bestehe unter den G7-Staaten zudem «große Einigkeit, dass wir auch die russische Führungsebene belangen müssen», sagte Buschmann weiter. In ihrer Abschlusserklärung kündigten die Teilnehmer eine verstärkte Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen an, die Kriegsverbrechen dokumentieren. Die Zahl der Staaten, die den Vorstoß für ein Sondertribunal zur Verfolgung von russischen Verbrechen in der Ukraine unterstützten, sei in den vergangenen Wochen gestiegen, sagte Kostin. Die Ukraine will, dass sich ein solches Tribunal mit der Völkerrechtsstraftat der Aggression befasst. «Wir sind offen dafür, dies zu diskutieren,» sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders.

«Sanktionsverstöße auch gemeinsam verfolgen»

Luft nach oben sehen Reynders und auch Buschmann zudem bei der Durchsetzung der gegen Russland als Reaktion auf den im Februar begonnenen Angriffskrieg verhängten Sanktionen. In einem Gastbeitrag, den der FDP-Politiker gemeinsam mit dem französischen Justizminister Éric Dupond-Moretti für die «Legal Tribune Online» verfasst hat, heißt es: «Als Justizminister Frankreichs und Deutschlands sind wir der Ansicht, dass wir darüber noch hinausgehen und Sanktionsverstöße nicht nur gemeinsam bestrafen, sondern auch gemeinsam verfolgen müssen. Deshalb sprechen wir uns dafür aus, dass die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft auf Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union ausgeweitet wird.»

Dem G7-Zusammenschluss wirtschaftsstarker Demokratien gehören neben der Bundesrepublik auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien an. Deutschland hat bis Jahresende den Vorsitz, 2023 übernimmt Japan die Präsidentschaft.

© dpa-infocom, dpa:221129-99-705242/6