Pandemie
Corona-Lage in Indien spitzt sich zu

27.04.2021 | Stand 28.04.2021, 8:42 Uhr

Naveen Sharma/SOPA/ZUMA/dpa

Seit knapp einer Woche verzeichnet Indien täglich mehr als 300.000 neue Corona-Fälle - so viel wie kein anderes Land. Der dramatische Anstieg an Covid-Patienten hat fatale Folgen.

In Indien bleibt die Corona-Lage nach erneut mehr als 300.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden angespannt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden 323.144 neue Fälle und 2771 Tote mit einer bestätigten Infektion gemeldet.

Der rapide Anstieg an Patienten sorgte für Überlastungen im Gesundheitssystem des Schwellenlands. Berichten zufolge führte der Mangel an medizinischem Sauerstoff und Krankenhausbetten zu Todesfällen. Mehrere EU-Länder schickten gemeinsam eine Schiffsladung mit Hilfsgütern an das stark von der Corona-Pandemie getroffene Land.

Bei der bislang schlimmsten Corona-Welle in dem südasiatischen Land wurden seit Donnerstag täglich mehr als 300.000 neue Fälle registriert. Damit wurde der bisherige, Anfang Januar verzeichnete Tagesrekord von 300.310 Fällen in den USA übertroffen. Indien meldete in der vergangenen Woche auch die höchste tägliche Zahl an Todesfällen. In dem zweitbevölkerungsreichsten Land der Welt mit rund 1,3 Milliarden Einwohnern stieg die Gesamtzahl der Infektionen auf rund 17,6 Millionen, knapp 198.000 Menschen starben bislang. Die Dunkelziffern dürften deutlich höher liegen.

Ärzte in der am schlimmsten betroffenen Stadt Neu-Delhi beschrieben, wie Patienten in kritischem Zustand auf der Straße starben, weil es an Krankenhausbetten oder medizinischem Sauerstoff fehlte. Der Mangel an Sauerstoff wurde Medienberichten zufolge für 14 weitere Todesfälle in vier Bundesstaaten verantwortlich gemacht. Der dramatische Anstieg bei den Todesfällen führte in Neu-Delhi bereits zu einer Überlastung der Krematorien. Etliche Bestattungshäuser berichteten, dass sie mehr Plattformen errichten mussten, um darauf Scheiterhaufen zu platzieren.

Als Grund für den dramatischen Anstieg bei den Neuinfektionen sehen Experten unter anderem die Verbreitung ansteckenderer Virusvarianten. Zudem hielten sich viele Menschen nicht an die Corona-Maßnahmen - etwa bei Massenveranstaltungen zu Regionalwahlen und religiösen Festen.

Mehrere Länder, darunter die USA und Deutschland, haben Indien ihre Unterstützung zugesichert. Am Morgen traf eine Lieferung medizinischer Hilfsgüter aus Großbritannien ein, wie das indische Außenministerium mitteilte. Darunter befanden sich demnach 100 Beatmungsgeräte und 95 Sauerstoffkonzentratoren. Diese sind weit verbreitet eingesetzte Geräte, in denen der Sauerstoff aus der Umgebungsluft angereichert wird.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin teilte mit, dass seit Ende vergangener Woche «mit Hochdruck» an einer Unterstützungsmission gearbeitet werde. «Es geht insbesondere um Beatmungsgeräte, eine mobile Sauerstofferzeugungsanlage und Medikamente», sagte er. Den Transport übernehme die Bundeswehr. Eine Lieferung von Impfstoff sei nicht geplant.

Die EU-Kommission kündigte weitere Hilfen an. Konkret gehe es unter anderem um 700 Sauerstoffkonzentratoren aus Irland, 9000 Dosen des Viren-Hemmers Remdesivir aus Belgien sowie Sauerstoff und Beatmungsgeräte aus Rumänien, Portugal, Luxemburg und Schweden.

Australien und Belgien untersagten Einreisen aus Indien wegen der dortigen Corona-Rekordzahlen und folgte damit dem Beispiel anderer Länder wie den Niederlanden. Die Flugverbindungen würden ab sofort und bis mindestens 15. Mai ausgesetzt, sagte Australiens Premierminister Scott Morrison. Danach werde die Lage neu bewertet. Gleichzeitig kündigte Morrison an, Australien werde Indien Hilfen schicken, darunter 500 Beatmungsgeräte und eine Million OP-Masken.

Deutschland und weitere Länder hatten zuvor bereits die Einreise aus Indien wegen der zunächst dort entdeckten Virusvariante B.1.617 stark eingeschränkt. Die Lufthansa will ihre Flugverbindungen nach Indien jedoch vorerst weiter aufrechthalten. Die Airline fliegt nach eigenen Angaben derzeit zehn Verbindungen pro Woche zwischen Frankfurt und Indien. Zudem würden die Frachtkapazitäten für notwendige Transporte genutzt. In der Bundesregierung gibt es nach dpa-Informationen Überlegungen, den Flugverkehr mit dem Land vorübergehend ganz zu stoppen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO beobachtet die Virusvariante B.1.617 derzeit, hat sie aber noch nicht als besorgniserregend eingestuft. Bislang sei nicht klar, in welchem Ausmaß die Variante für den rapiden Anstieg der Fälle in Indien mitverantwortlich ist. Es gebe viele Faktoren, die dazu beigetragen haben könnten. Ob die Virusvariante mehr schwere Krankheitsverläufe auslöse und damit zu höheren Todeszahlen beitrage, sei bislang ebenfalls nicht klar.