Pandemie-Rückblick
Corona 2022 in Bayern: Rekordinfektionen und das Ende der großen Angst

26.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:49 Uhr

Obwohl Corona 2022 so präsent wie nie war, hat es gleichzeitig seine furchteinflößende Bedeutung verloren. −Foto: Tobias Hase/dpa

2022 war ein heftiges Jahr. Auch wegen der Pandemie, die in nie gekannter Weise die Krankenstände nach oben treibt. Trotzdem hat das Virus im Alltag der meisten Menschen seine Omnipräsenz verloren.



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Es klingt paradox: Obwohl Corona 2022 so präsent wie nie war, hat es gleichzeitig seine furchteinflößende Bedeutung verloren. Einerseits haben die Infektionszahlen alle bisherigen Rekorde gesprengt, andererseits spielt das Virus im täglichen Leben der meisten Menschen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle - auch weil im Laufe des Jahres immer mehr Corona-Beschränkungen wegfielen. Und selbst die Inzidenz hat massiv an Bedeutung verloren. Experten gehen inzwischen davon aus, dass die gemeldeten Werte nur noch einen Bruchteil des Infektionsgeschehens abbilden.

Höhepunkt der Inzidenz bei mehr als 2400



In den ersten Monaten des Jahres war Corona in Bayern fast überall. Die Infektionszahlen in den ersten beiden Omikron-Wellen schossen in bis dato nie gekannte Höhen. Inklusive Nachmeldungen erreichte die aktualisierte Inzidenz laut RKI-Daten am 23. März ihren Höhepunkt bei mehr als 2400. Erst Mitte April fiel sie wieder unter 1000.

Alleine in den dreieinhalb Monaten vom Jahresbeginn bis Mitte April wurden im Freistaat mehr als drei Millionen Infektionen gemeldet - mehr als doppelt so viele wie in den ersten beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 zusammen, wie aus Daten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hervorgeht.

Von „Team Vorsicht“ zu Team Freiheit“



Zu diesen Infizierten gehörte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der das am 9. April publik machte. Der CSU-Politiker hatte in der Anfangsphase der Pandemie wegen seines strikten Corona-Kurses viel Zustimmung erhalten und sich gerne als Anführer des selbst ernannten „Teams Vorsicht“ feiern lassen. Im zu Ende gehenden Jahr vollzog er allerdings eine Wandlung: Es hieß fortan „Team Augenmaß“ und „Team Freiheit“.

Der zügige Lockerungs-Kurs brachte Söder freilich auch einige laute Kritik ein - etwa, dass aus dem „Team Vorsicht“ plötzlich ein „Team Volksfest-Hopping“ oder „Team O zapft is“ geworden sei. Denn auch beim Anstich auf dem Oktoberfest war Söder dabei. Während und nach der Wiesn, die nach zwei Jahren Pause wieder stattfinden durfte, lief die vierte Corona-Welle des Jahres durch Bayern.

Holetschek verteidigt Kurswechsel



„Von einem „Team O zapft is“ kann keine Rede sein. Unser Ziel war und ist immer, eine an die Lage angepasste und pragmatische Pandemie-Politik zu machen“, verteidigt Söders Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) den Kurswechsel. Zuvorderst sei es immer darum gegangen, den bestmöglichen Schutz der Bürger zu erreichen.

„Natürlich haben wir gerade in der Anfangsphase deutlich strengere Schutzmaßnahmen ergriffen, denn wir wussten anfangs noch zu wenig über das Virus, über seine Varianten, und wir hatten zunächst keine Impfungen“, sagte Holetschek der dpa in München. Im Laufe der Zeit habe man aber viel über das Virus gelernt, die Schutzmechanismen hätten sich verbessert und es wurde großflächig geimpft. „Jetzt stehen wir vor dem dritten Jahrestag des ersten Corona-Falles in Bayern und Deutschland und sind natürlich in einer anderen Phase.“

Inzidenz büßt an Aussagekraft ein



Eine Corona-Phase war auch die Sommerwelle, die anders als in den Jahren zuvor dazu führte, dass es auch in den warmen Monaten keinen Einbruch der Zahlen gab. Trotzdem stand eine Absage des größten Volksfestes der Welt aber nie wirklich zur Diskussion.

Wie hoch die Herbstwelle wirklich war, ist schwer festzustellen. Die offiziell gemeldete Inzidenz stieg kurz über 1000, doch seit dem Frühjahr hatte der Wert immer weiter an Aussagekraft eingebüßt. Weil sehr viel weniger getestet wurde, gingen Experten von einer steigenden Dunkelziffer aus.

Lauterbach sieht hohe Dunkelziffer



Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach mit Blick auf die bundesweite Situation davon, dass das wahre Infektionsgeschehen das Drei- bis Vierfache der Inzidenz sei. Die Hospitalisierungen mit Corona - ein anderer Indikator für das Infektionsgeschehen - stieg während der Herbstwelle jedenfalls höher als je zuvor.

Auch wenn die Infiziertenzahlen weit über den Werten der ersten beiden Jahre lagen - insgesamt wurden im laufenden Jahr schon mehr als fünf Millionen Infektionen offiziell gezählt - blieben die Todesfälle im Zusammenhang mit Corona unter den Werten der Vorjahre. Allerdings starben auch 2022 mehrere Tausend Bayern im Zusammenhang mit Corona.

Weniger Beschränkungen als zu Jahresbeginn



Dennoch geht das Jahr mit sehr viel weniger Corona-Beschränkungen zu Ende als es begonnen hat. Söder wähnt mit seinem Lockerungskurs inzwischen den größten Teil der Bevölkerung - vor allem der CSU-Anhänger - hinter sich. Deshalb schreckte er auch nicht davor zurück, zusammen mit drei anderen Bundesländern vorzupreschen und die Corona-Isolationspflicht für Corona-Infizierte abzuschaffen. Und zuletzt auch die Maskenpflicht im Nahverkehr aufzuheben. Begründet wird das in München mit einer fehlenden Rechtsgrundlage wegen der geringen Inzidenz, andere Bundesländer halten dennoch daran fest.

Die offiziellen Inzidenzzahlen in Bayern sind derzeit vergleichsweise niedrig. Allerdings wurde auch immer weniger getestet. Zuletzt sank die Zahl der PCR-Tests unter 100.000 pro Woche. Im Februar waren es noch sechsmal so viele. „Die Sieben-Tages-Inzidenz hat aufgrund der gelockerten Teststrategie ihre „Seismographen-Funktion“ weitgehend eingebüßt“, sagte der Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, Ende November. Damals schätzte er die Dunkelziffer auf mindestens Faktor zehn.

− dpa