Mord statt Totschlag: Prozess vor Wiederaufnahme

17.08.2021 | Stand 18.08.2021, 21:44 Uhr

Eine Figur der blinden Justitia.- Foto: Christoph Soeder/dpa/Symbolbild

Zwölf Jahre Haft wegen Totschlags lautete das Urteil gegen einen jungen Mann aus Niederbayern, der seine Ex-Freundin getötet hat. Nun soll ihm ein zweites Mal der Prozess gemacht werden. Das Urteil könnte dann Mord lauten.

Für den gewaltsamen Tod seiner Ex-Freundin soll einem 27 Jahre alten Mann aus Niederbayern ein zweites Mal der Prozess gemacht werden - mit für ihn möglicherweise schärferem Urteil. Das Landgericht Deggendorf habe am Dienstag die Wiederaufnahme zuungunsten des Mannes beschlossen, sagte ein Gerichtssprecher. Der 27-jährige Deutsche war im November 2017 vor dem Landgericht Passau zu zwölf Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Nun könnte eine Verurteilung wegen Mordes erfolgen.

Voraussetzung für die Wiederaufnahme sind die Falschaussagen von zwei Zeugen. Diese hatten in dem Prozess 2017 bewusst falsch zugunsten des Angeklagten ausgesagt, dafür wurden sie 2019 vor dem Amtsgericht Passau rechtskräftig verurteilt. Das Landgericht Deggendorf schließt nun nicht aus, dass die Richter in Passau ohne die Falschaussagen der Zeugen den damals Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt hätten.

Der heute 27-jährige Ex-Freund des Opfers hatte gestanden, im Oktober 2016 die damals 20-jährige Mutter seines Sohnes nach einem Streit erstochen zu haben. Anschließend versteckte er die Tote in einem Plastiksack in der Wohnung und flüchtete mit dem Kind nach Spanien. Ob er die Frau im Schlaf tötete - was das Mordmerkmal der Heimtücke hätte bedeuten können -, blieb ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft hatte auf Mord oder Totschlag in einem besonders schweren Fall plädiert und eine lebenslange Haftstrafe gefordert.

Den Stein für die Wiederaufnahme brachten zwei falsche Zeugenaussagen ins Rollen: Ein Freund des Täters korrigierte zwei Jahre nach dem Urteil vor dem Amtsgericht Passau seine Aussage, die er als Zeuge in dem Prozess gemacht hatte. Damals hatte er angegeben, sein ehemals bester Freund habe mit ihm nicht über die Tat gesprochen. Seiner Freundin hatte der Zeuge aber berichtet, sein Freund habe ihm gegenüber mit der Tat geprahlt. Die Freundin behielt dies als Zeugin im Prozess damals für sich.

Vor dem Amtsgericht Passau sagte der Mann dann 2019, der Freund habe ihm kurz nach der Tat erzählt, dass er die Frau erstochen habe - und zwar während sie schlief. Die Staatsanwaltschaft Deggendorf beantragte daraufhin die Wiederaufnahme des Verfahrens. Dem Sprecher nach finden Wiederaufnahmeverfahren nicht vor dem Gericht des Ersturteiles statt, sondern vor einem zugeordneten Gericht. Im Fall des Landgerichtes Passau ist dies Deggendorf.

Wiederaufnahmeverfahren gelten als sehr selten. In der Regel darf niemand für eine Tat, für die er bereits rechtskräftig verurteilt oder von der er freigesprochen worden ist, ein zweites Mal verfolgt werden. Die Hürden für einen neuen Prozess sind dem Gerichtssprecher zufolge hoch, insbesondere, wenn dieser zu Ungunsten des Verurteilten erfolgen soll. Eine der Voraussetzungen für eine solchen Ausnahme sei - wie in dem Passauer Fall - ein Urteil, das möglicherweise auf der Falschaussage eines Zeugen beruht.

Der Beschluss zur Wiederaufnahme vor dem Landgericht Deggendorf ist noch nicht rechtskräftig. Hierfür gibt es eine einwöchige Frist. Der Prozess könnte den Angaben nach noch Ende dieses Jahres beginnen.