Hohe Strafe im Waldkraiburg-Prozess gefordert

15.07.2021 | Stand 16.07.2021, 22:40 Uhr

Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Christoph Soeder/dpa

Anschläge auf türkische Läden, Brandstiftung - und der Plan, noch Schlimmeres zu tun: Nach den Anschlägen von Waldkraiburg geht am Oberlandesgericht München der Terrorprozess gegen den mutmaßlichen Täter langsam zu Ende.

Es sei ein Rätsel, sagt die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Ein Rätsel, warum ein junger Mann, der fest verwurzelt war in seiner Familie, der gerne zu Verwandten in die Türkei fuhr - wie so jemand zum «selbsterklärten Türkenhasser» werden kann. «Wie kann das sein?»

Eine Freiheitsstrafe von 13 Jahre und sechs Monaten und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beantragt sie in ihrem Schlussplädoyer vor dem Oberlandesgericht München für den jungen Mann, der zugegeben hat, für die Aufsehen erregende Anschlagsserie im oberbayerischen Waldkraiburg 2020 verantwortlich zu sein. Einen türkischen Laden zündete er demnach an und brachte die Menschen, die in den Wohnung darüber lebten, in Lebensgefahr.

Außerdem wollte er seiner Einlassung bei Gericht zufolge auch einen Anschlag auf die Ditib-Moschee in Waldkraiburg verüben und zündete eine Mülltonne unmittelbar vor der Wohnung an, in der der Imam mit seiner Familie lebte.

Die Bundesanwaltschaft fordert die Gesamtstrafe für 31 versuchte Morde, Brandstiftung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, unerlaubten Waffenbesitz und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Mann soll aus Sicht der Anklagebehörde aber wegen seiner Schizophrenie in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden. Sie sieht eine «erheblich verminderte Schuldfähigkeit». Bereits während des Prozesses war er eingewiesen worden.

«Scheinbar aus dem Nichts» habe er sich radikalisiert, die Frauen in seinem Umfeld aufgefordert, Kopftuch zu tragen und ihnen nicht mehr die Hand geben wollen. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu seiner radikalen Auslegung des Islam: «Hassbotschaften von salafistischen Predigern im Internet», wie es im Plädoyer der Bundesanwaltschaft heißt. Auf seinem Instagram-Profil soll er Videos von brutalen Hinrichtungen sogenannter «Ungläubiger» gepostet haben - also von Menschen, die den Islam nicht so radikal konservativ, so fundamentalistisch auslegten wie er.

So gelangte vor allem der türkische Moscheeverein Ditib ins Visier des Deutschen, der vor seiner Einbürgerung selbst Türke war. Er habe «Staatsislam von Erdogan» abgelehnt und Umgang mit «richtigen Muslimen» gesucht, sagt die Bundesanwaltschaft.

Der Mann, der sich selbst als Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bezeichnete, hat die Taten weitgehend eingeräumt, allerdings entsprechende Planungen bestritten und von einer Spontantat gesprochen. Diese Argumentation bezeichnet die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer allerdings als reine Schutzbehauptung. Als Begründung dafür nennt sie beispielsweise die Tatsache, dass der Mann über ein 150 Seiten starkes Lehrbuch zum Bau von Brandsätzen verfügte. Sie sieht «eine vollständige Identifikation des Angeklagten mit der Tat und den Folgen», spricht von «menschenverachtender Motivation» und betont: «Er war stolz auf sein Werk.»

Die Festnahme des Mannes am 8. Mai 2020 könnte weitere Taten verhindert haben. Als die Polizei zugriff, hatte er Rohrbomben und kiloweise Sprengstoff dabei, die er vorher lange in seinem Auto in einer Tiefgarage in Garching an der Alz gelagert hatte. Vor Gericht räumte der Angeklagte ein, noch ganz andere Taten geplant zu haben: Anschläge auf mehrere Moscheen des Islamverbandes Ditib, auf das türkische Generalkonsulat in München und die Ditib-Zentralmoschee in Köln. Die Taten hätten «die türkischstämmige Gemeinschaft in Deutschland insgesamt» sehr verunsichert, sagt die Vertreterin der Bundesanwaltschaft.

Die Verteidigung sollte ihr Plädoyer nach Gerichtsangaben erst am Freitag halten. Am Donnerstag spricht aber auch noch die Nebenklage: All die Menschen in dem Haus, das der Angeklagte anzündete, hätten großes Glück gehabt, sagt ein Nebenklage-Vertreter, der von purem Rassismus als Motiv spricht. Aber nicht nur die Opfer hatten Glück - sondern der Angeklagte auch, wie der Anwalt an ihn direkt gerichtet sagt: «Sie haben nicht 20, 30 Menschen auf dem Gewissen. Sie haben ein Riesen-Glück gehabt.»