Flutpolder-Studie: Minister wirbt um Solidarität an Donau

12.07.2021 | Stand 13.07.2021, 22:29 Uhr

Daniel Karmann/dpa/Archivbild

Die jahrelange Debatte um Flutpolder an der Donau soll nun ein Ende finden: Eine neue Studie unterstreicht die Notwendigkeit der Hochwasserschutzmaßnahmen. Umweltminister Glauber setzt auf Dialog, Transparenz und die Solidarität der Bürger.

In der Diskussion um den Bau von Flutpoldern an der Donau hat Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) um Solidarität der Kommunen und Bürger in den betroffenen Regionen geworben. Der Minister stellte am Montag in München eine vertiefte Studie des Landesamtes für Umwelt (LfU) zur Wirksamkeit von Poldern an den umstrittenen Standorten Eltheim und Wörthhof im Landkreis Regensburg sowie Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) vor. Fazit: Die Polder würden entscheidend dazu beitragen, Donau-abwärts liegende Gebiete auch im Falle von Extrem-Hochwassern zu schützen.

Flutpolder sind Rückhaltebecken, die im Fall eines drohenden Hochwassers geflutet werden und so erhebliche Wassermassen aus den Flüssen nehmen. Der Studie nach ist es notwendig, an den Standorten Eltheim und Wörthhof einen gemeinsamen oder in Wörthhof einen großen Polder mit einem Rückhaltevolumen von jeweils rund 30 Millionen Kubikmetern zu errichten. Durch diesen Polder würden Hochwasser in Straubing um 40 Zentimeter und in den Deggendorf um 24 Zentimeter reduziert werden. Der Polder in Bertoldsheim würde für Ingolstadt ein um 20 Zentimeter niedrigeres Hochwasser bedeuten.

Alternativen zu den Poldern wären der Studie nach weniger effektiv, so der Minister. Rückhaltebecken an den Zuflüssen beispielsweise könnten den Hochwasserschutz an der Donau nicht ersetzen. Das gleiche Rückhaltevolumen an den Zuflüssen reduziere den Hochwasserscheitel nicht einmal halb so stark wie Donau-Flutpolder. Eine Verdoppelung der Rückhaltevolumen an Zuflüssen im Vergleich zu den Polder-Volumen würde lediglich etwa 70 Prozent der Polder-Wirkung erreichen. Eine Verbesserung des Staustufenmanagements an der Donau würde der Studie nach auch nur minimale Auswirkungen auf eine Hochwasserwelle haben.

Die jüngsten Hochwasser nach Starkregen in Teilen Mittel- und Oberfrankens sowie in Landshut machten deutlich, wie sich der Klimawandel auswirke. Solche Wetterlagen seien künftig häufiger zu erwarten, sagte der Minister. Umso wichtiger sei die Solidarität der Anlieger in den oberen Donauregionen mit jenen an der unteren Donau.

Für die Grundstückseigentümer und Landwirte in den Poldergebieten kündigte Glauber umfassende Entschädigungen an. So soll es im Fall der Flutung der Polder bei einem Extrem-Hochwasser 100-prozentigen Ersatz für Ernteausfälle oder beschädigte Ackerflächen geben. Negative Auswirkungen auf das Grundwasser seien der Studie zufolge im Falle des Flutpolder-Baus überdies nicht zu erwarten.

Glauber will in der kommenden Woche Gespräche mit Kommunalpolitikern und Bürgern vor Ort führen. Die Debatte um Flutpolder war im Juni hochgekocht, als erste Ergebnisse aus der Studie bekannt wurden - die für die Polder sprachen. Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), bislang ein Gegner der Flutpolder, sah deren Notwendigkeit daraufhin als gegeben an.

Gegner der Polder übten deutliche Kritik an der Staatsregierung. Diese hatte im Koalitionsvertrag 2018 den Polderbau ad acta gelegt. Wörtlich heißt es da: «Unsere Hochwasserstrategie werden wir stärker auf dezentrale Regenrückhaltung und ein modernes Staustufenmanagement ausrichten. Das Flutpolderkonzept werden wir ohne die Standorte Bertoldsheim und Eltheim/Wörthhof weiterverfolgen.» Die Kehrtwende führe zu großer Verunsicherung und schädige das Vertrauen in die Staatsregierung, schrieben Kommunalpolitiker jüngst in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Zu den Kritikern der Polder-Lösung gehört der Bund Naturschutz (BN). Vorsitzender Richard Mergner monierte am Montag, das Ministerium setze ausschließlich auf technische Lösungen statt auf einen dezentralen Hochwasserschutz. Dieser habe einen Vierfach-Nutzen: für lokale und großräumige Hochwasser, als Dürreschutz und er fördere die biologische Vielfalt. Zudem sei diese Form des Hochwasserschutzes erheblich wirtschaftlicher als Flutpolder, die nur bei 100-jährlichen Hochwassern oder seltener genutzt werden sollen, aber im Bau 600 Millionen Euro kosten. Der BN forderte das Umweltministerium auf, Auen-Reaktivierungen und Deichrückverlegungen einzubeziehen und eine hierzu durchgeführte Studie zu veröffentlichen.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Christian Flisek aus Passau dagegen sprach von einem guten Tag für die Menschen an der unteren Donau in Deggendorf und Passau. Die Studie zeige: «Wirksamen Hochwasserschutz an der Donau gibt es nur mit Flutpoldern. Diese sind zentral für eine effektive Scheitelkappung im Unterlauf der Donau.» Zudem sei es gut, dass sich Glauber gegen seinen Parteikollegen Aiwanger durchgesetzt habe. Nun dürfe keine Zeit mehr verloren werden. «Aiwangers unnötiges politisches Taktieren hat uns wichtige Jahre gekostet.»

Insgesamt geht es um eine Flutpolder-Kette mit - nach der jetzt vorgelegten Studie - den neun Standorten Leipheim, Helmeringen, Neugeschüttwörth, Bertoldsheim, Riedensheim, Großmehring, Katzau, Wörthhof-groß und Öberauer Schleife. Die Polder-Kette würde bei Extrem-Hochwassern rund 120.000 Menschen besser schützen.