Justizminister
Flucht aus Gericht: Richter und Polizei besser abstimmen

26.03.2023 | Stand 26.03.2023, 20:30 Uhr

Georg Eisenreich - Georg Eisenreich (CSU), Justizminister von Bayern, nimmt an einer Pressekonferenz teil. - Foto: Sven Hoppe/dpa/Archivbild

Zwei Straftäter sind binnen weniger Wochen aus bayerischen Gerichten entkommen. Auch wenn beide wenige Tage später wieder hinter Schloss und Riegel saßen: Für Polizei und Justiz waren die Vorfälle höchst peinlich und weithin vernehmbarer Warnschuss.

Nach zwei spektakulären Fluchten aus bayerischen Gerichtsgebäuden soll die Absprache zwischen Richtern und Polizei im Gerichtssaal verbessert werden. Vor Verhandlungspausen müsse zwischen Gericht und den meist von der Polizei gestellten Vorführbeamten geklärt werden, wer für die Fesselung der Angeklagten zuständig sei, sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Donnerstag in einer Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Landtages. Zusätzlich sollen in allen Gerichten speziell gesicherte Räume eingerichtet werden, die für Mandantengespräche zwischen Verteidigern und Angeklagten genutzt werden können.

Im Dezember und Januar war zwei Straftätern die Flucht aus dem Amtsgericht Regensburg und aus dem Landgericht Coburg gelungen. Sie hatten jeweils Verhandlungspausen genutzt, in beiden Fällen hatte das Gericht die Lockerung von Fesselungen während der Verhandlung genehmigt. Die für die Sicherheit verantwortlichen Polizisten im Gerichtssaal hatten die Fesseln dann auch während der Verhandlungspause nicht wieder angelegt. Im Regensburger Fall handelte es sich um einen bereits verurteilten Mörder. Im Coburg war ein Mann entkommen, der wenig später wegen sexuellen Missbrauchs zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Beide Männer sind inzwischen wieder im Gefängnis.

Im Anschluss war eine öffentliche Debatte über die Sicherheit in bayerischen Gerichten entbrannt. Dabei wurde auch deutlich, dass die Zuständigkeiten komplex sind. So hat der Vorsitzende Richter im Gerichtssaal etwa die Hoheit und kann darüber entscheiden, ob ein Angeklagter während der Verhandlung Fesseln trägt oder nicht. In den Verhandlungspausen dagegen geht die Obhut wieder an die Vorführbeamten über - meistens Polizisten.

Eisenreich machte aber auch deutlich: «Gerichtsgebäude haben im demokratischen Rechtsstaat eine herausgehobene Stellung. Gerichtsgebäude sind keine Gefängnisse.» Die rechtsstaatlichen Prinzipien müssten gewahrt bleiben. Durch bauliche Maßnahmen, etwa vergitterte Fenster, sei das Problem alleine nicht zu lösen. Wichtig seien Bewachung und auch die Fesselung von Straftätern.

In bayerischen Gerichten ist die Wahrung der Sicherheit eine Gemeinschaftsaufgabe von Justiz und Polizei. Die Bewachung von Angeklagten obliegt in den allermeisten Gerichten der Polizei. Lediglich in den Großstädten München, Nürnberg und Augsburg wird die Bewachung im Gerichtsgebäude von der Justiz übernommen. Im vergangenen Jahr war es nach Eisenreichs Angaben zu rund 23.000 Vorführungen in Bayern gekommen. Mehr als 14.000 davon lagen in den Händen der Polizei, etwa 8500 bei der Justiz.

Die Polizei habe nach den Vorfällen in Regensburg und Coburg eine genaue Aufarbeitung vorgenommen, sagte der Landespolizeipräsident Michael Schwald im Ausschuss. Eine Task Force mit Vertretern aus Justiz, Strafvollzug und Polizei solle die Ergebnisse nun bewerten und Schlüsse daraus ziehen. 

Der SPD-Abgeordnete Horst Arnold forderte unter anderem eine bessere Ausbildung in der Polizei speziell für Vorführbeamte. Bisher würden Streifenbeamte ohne spezielle Schulung eingesetzt. Im Regensburger Fall handelte es sich um eine Streife der Verkehrspolizeiinspektion Würzburg. Schwald widersprach dem: Vorführungen gehörten zum Kerngeschäft eines jeden Polizisten. 

Der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl forderte eine Aufstockung der Justiz-Wachtmeistereien, um die Polizei von den Vorführungs-Aufgaben zu befreien. Eisenreich betonte, das bisherige System funktioniere grundsätzlich gut. 

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