In München demonstrieren an die 100.000 Menschen gegen Rassismus. Mehren sich zugleich auf Faschingsumzügen diffamierende Parolen? Was erlaubt das Narrentreiben - und was verletzt Strafrecht?
Mehrere möglicherweise rassistische Vorfälle bei Faschingsumzügen beschäftigen derzeit die Ermittler. Ein juristisches Nachspiel hat ein Eklat beim Faschingsumzug vom vergangenen Donnerstag in Landsberg am Lech. Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet. Von einem Umzugswagen wurde dort laut Polizei ein Lied gespielt, zu dem zeitweise rassistische Parolen gegrölt wurden. Mehrere Medien hatten über weitere Vorkommnisse mit mutmaßlich diffamierendem Inhalt in Kempten und im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen berichtet. In München hatten am Sonntagabend an die 100.000 Menschen mit einem Lichtermeer ein Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Hetze gesetzt.
Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, rief unter Verweis auf den Fall in Landsberg am Lech die Karnevalsvereine zur aktiven Beteiligung am gesellschaftlichen Kampf gegen Rassismus auf. Karneval solle ein Fest der Demokratie sein, sagte Daimagüler am Rosenmontag.
„Dieser und andere Vorfälle zeigen, dass der Karneval ein Bereich ist, in dem der gesellschaftlich vorhandene Rassismus und Antiziganismus immer wieder zum Vorschein kommen“, sagte Daimagüler, der als Anwalt unter anderem Nebenkläger im NSU-Prozess vertreten hatte. „Karnevalsvereine sind wichtige gesellschaftliche Akteure, und Brauchtum kann einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten.“ Sowohl der organisierende Verein als auch der Kreisverband der Landjugend hätten den Vorfall verurteilt. „Dass rassistische Vorfälle verurteilt werden, ist wichtig, reicht aber nicht aus.“
Auch wegen eines möglicherweise diffamierenden Spruchs bei einem Faschingszug am Sonntag in Kempten hat die Polizei Ermittlungen eingeleitet. Dort war an einem Traktor ein Plakat mit einem möglicherweise rassistischen Kommentar über Deutschlands Einwanderungspolitik gezeigt worden. Das Staatsschutzkommissariat habe die Ermittlungen wegen des Plakats übernommen, sagte Holger Stabik, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West am Montag. „Ob damit eine Straftat verwirklicht ist, können wir noch nicht sagen.“ Geprüft werden müsse auch, ob von dem Wagen Parolen gerufen oder fremdenfeindliche Lieder gesungen worden seien. Zunächst sollten nun die für den entsprechenden Wagen Verantwortlichen befragt werden.
Einen weiteren Vorfall gab es in Sachsenkam im Landkreis Bad Tölz/Wolfratshausen. Dort soll Medien zufolge bei einer sogenannten Traktoren-Rallye eine Wagenbesatzung mit schwarz angemalten Gesichtern gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft protestiert haben. Die Details konnte die Polizei bisher nicht bestätigen. Der Sachverhalt werde aber zur Prüfung bezüglich strafrechtlicher Relevanz an die Staatsanwaltschaft München II weitergeleitet, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd am Montag auf Anfrage.
Strafrechtlich relevant oder „nur“ ehrverletzend und unfreundlich - die Grenzen sind im Fasching gelegentlich fließend. Daimagüler verwies auch auf Fälle, in denen antiziganistische Stereotype in der Karnevalskultur reproduziert würden - mit Kostümen, Umzugswagen, Mottos oder Vereinsnamen. „Deshalb sollten Karnevalsvereine das Gespräch mit Selbstorganisationen der Sinti und Roma suchen, um darüber zu sprechen, wie eine Karnevalskultur geschaffen werden kann, die alle Teile unserer Gesellschaft anspricht und zusammenbringt, und niemanden herabwürdigt oder ausgrenzt.“
Der Vorsitzende der SPD Oberbayern und frühere Landtagsabgeordnete Florian Ritter schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter), rechtsradikale und rassistische Vorkommnisse bei Faschingsumzügen seien nicht neu. Bisher seien es in der Regel Nazis und Teile der Identitären Bewegung gewesen, „die sich reingeschmuggelt haben und den Umzug missbrauchten“. Die aktuellen Vorkommnisse seien etwas „völlig anderes“. Sie gingen von Gruppen aus, die nicht zur rechten Szene gehörten. „Das sind oft "ganz normale Leute". In Landsberg war die Organisation, unter deren Dach das passierte, Teil des aktiven "Bollwerks gegen rechts"“, schrieb Ritter. „Wenn man Menschen nicht mehr erreicht, die eigentlich gut in demokratische Strukturen eingebettet sind, ist das ein Warnsignal.“
In Landsberg am Lech rief die Polizei inzwischen Besucher des Umzugs vom Donnerstag auf, sich als Zeugen zu melden, wenn sie den Vorfall beobachtet hätten. Sie stehe mit den Initiatoren des Faschingswagens in Kontakt, um die Aufklärung zu beschleunigen und die Beschuldigten „hinsichtlich ihres strafbaren Verhaltens zu sensibilisieren“, hatte die Polizei bereits an den Vortagen mitgeteilt.
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