Ärztin darf nach Terror-Urteil in Deutschland bleiben

25.08.2021 | Stand 26.08.2021, 22:45 Uhr

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann spricht während einer Pressekonferenz.- Foto: Peter Kneffel/dpa/archivbild

Einer türkischen Ärztin drohte nach einem umstrittenen Terror-Urteil des Münchner Oberlandesgericht die Abschiebung. Die ist nun vom Tisch - aber nur vorerst.

Eine wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe verurteilte türkische Kommunistin darf vorerst in Deutschland bleiben - und wird erstmal nicht abgeschoben. Das Ausweisungsverfahren gegen sie ruhe im Moment, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch mit.

«Nach unserer Verfolgung als Kommunisten in der Türkei hatte
ich meine erste Heimat verloren. In Deutschland habe ich eine zweite
Heimat und viele Freunde gefunden. Es wäre schrecklich gewesen, auch
diese zu verlieren», sagte die Ärztin, die als Psychiaterin am Klinikum Nürnberg arbeitet, laut einer Mitteilung der Gewerkschaft Verdi.

Das Oberlandesgericht München hatte die Ärztin im Juli vergangenen Jahres wegen ihrer Mitgliedschaft in der Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) als Terror-Unterstützerin zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die Richter kamen in dem Mammut-Prozess nach mehr als vier Jahren zu dem Schluss, dass die Ärztin und neun mit ihr angeklagte Männer türkischer sowie kurdischer Abstammung für TKP/ML Geld beschafft, Veranstaltungen organisiert und Mitglieder geworben hatten. Der erklärten Gegnerin des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan drohte damit die Abschiebung in das Erdogan-Regime.

Die Verteidigung forderte Freisprüche beziehungsweise die Einstellung des Verfahrens und legte Revision gegen das umstrittene Urteil ein, das zwischen zwei Jahren und neun Monaten und sechseinhalb Jahren Haft für die Angeklagten vorsieht.

Die in den 1970er Jahren gegründete und in Gruppen aufgespaltene TKP/ML führt einen teils militanten Kampf gegen den türkischen Staat. In Deutschland beobachtet sie der Verfassungsschutz, sie ist aber nicht illegal.

Mehrfach hatten Kritiker moniert, die deutsche Justiz mache sich zur Handlangerin des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, vor dem Gericht gab es während des Prozesses immer wieder Demonstrationen für die Angeklagten.

Die Frau habe nun schriftlich erklärt, die Partei nicht mehr zu unterstützen, sagte Herrmann - zumindest bis zu einem rechtskräftigen Urteil. Darum sei es möglich, die Ausweisung auszusetzen.

Damit seien die Vorwürfe gegen sie aber keinesfalls vom Tisch, betonte Herrmann: Sie habe dazu beigetragen, «dass die TKP/ML in der Türkei terroristische Akte wie Attentate, Entführungen und Brandstiftungen durchführen konnte, wobei auch unschuldige Menschen starben». Ein Sprengsatz des bewaffneten Arms der Partei habe «bei seiner Explosion vier spielende Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren in den Tod gerissen».

Nach Angaben Verdis hatte sich der gesamte Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), mehrere Parteien, Ärzteorganisationen und Amnesty International dafür eingesetzt, dass die Frau nicht abgeschoben wird.