Ein Paartherapeut klärt auf
Unerfüllter Kinderwunsch: Was tun, wenn der Partner keine Kinder will?

17.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:58 Uhr

Oft wünscht sich ein Partner ein Kind, der andere möchte noch warten. Oftmals ist es dann zu spät. Sollte man den Kinderwunsch unterdrücken oder sich doch besser trennen? −Foto: picture alliance/dpa/Christin Klose

Mit 14 schon Eltern werden, so, wie es die Evolution ursprünglich für uns Menschen vorgesehen hat – das kann sich heute kaum ein Jugendlicher vorstellen. Interessanter wird das Thema meist mit Anfang 30. Doch was tun Paare, wenn sich plötzlich herausstellt, dass der Partner gar keine Kinder möchte?



Paar- und Sexualtherapeut Engelbert Ober aus Regensburg kennt das Problem: „Ich habe oft Paare, bei denen der eine Kinder möchte und der andere nicht.“ Seine Erfahrung habe gezeigt, dass in 80 bis 90 Prozent der Fälle die Frau einen Kinderwunsch hege, der Mann allerdings zurückhalten reagiere.

Oft handle es sich laut Engelbert Ober außerdem um Paare, die Ende 30 und Akademiker sind und einen gleichaltrigen Partner haben, der später Kinder will. „Der Mann ist da in einer besseren Position. Bei Frauen ab 38 besteht ein Risiko bei der Geburt“, weiß der 62-Jährige. Frauen befänden sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Kinderwunsch und ihrem Alter. Der Tipp des Experten: „Klären Sie vor der Beziehung, ob ein Kinderwunsch besteht!“ Denn selbst wenn es den Frauen in jüngeren Jahren noch gelingen sollte, den Kinderwunsch zu unterdrücken, so weiß Ober: „Mit Mitte oder Ende 30 holt die Frauen der Wunsch wieder ein“. Denn: „Ein Kinderwunsch verschwindet nicht einfach.“ Laut dem 62-Jährigen, der selbst Vater von zwei Kindern ist, gibt es nichts auf der Welt, das den Wunsch nach Kindern ersetzen könnte.

Frauen, mit unterdrücktem Kinderwunsch, hassen ihren Partner



Doch abzuklären, ob der Partner ein Kind will, kommt meist erst ab Mitte zwanzig in Frage – für 16-Jährige ist das Thema zu weit weg. Ein verliebtes jugendliches Paar denkt daran, was es alles erreichen will, bevor der Ernst des Lebens eintritt – sowohl finanziell, als auch im Hinblick auf Reisen und Zeit zu zweit. „Meine Erfahrung ist, dass diese schöne Vorstellung vom Leben bei Paaren, die 50 oder älter sind, zu verblassen beginnt“, sagt Engelbert Ober. „Luxusartikel, die einen mit 30 vielleicht noch fasziniert haben, beginnen ihren Reiz zu verlieren. Und dann fangen die Frauen an, ihren Mann zu hassen“, weiß der Therapeut aus Erfahrung. Dann werden Vorwürfe laut wie: „Wegen dir ist mein Traum nicht in Erfüllung gegangen“. Welchen Rat hat der Experte für solche Paare? „Um ehrlich zu sein, habe ich für diese Situation keinen Rat, denn das, was sie haben wollen, ist nicht mehr möglich“, bedauert Ober.

Frauen sollen „die Reißleine ziehen“



Doch nicht nur die Frauen leiden unter der Situation, sondern auch die Männer. Oft haben sie Schuldgefühle. Doch sie sind es auch, die es bis zu dieser Situation kommen lassen, wie Ober weiß: „Männer spielen oft auf Zeit, sagen den Frauen, dass es gerade nicht passt. Sie sind oft unfair und hoffen darauf, dass der Kinderwunsch irgendwann weggeht“, sagt Ober. Dabei weiß der Paar- und Sexualtherapeut aus eigener Erfahrung, dass es nicht „den perfekten Zeitpunkt gibt“, um Kinder zu bekommen. Deshalb rät er den Frauen, sich nicht mit dieser Aussage abspeisen zu lassen.

Männer, die mit ihrer Partnerin zu ihm kommen, nimmt Ober dann unter vier Augen ins Gebet. „Ich sage ihnen, dass wenn sie den Wunsch nach Kindern weiter rausschieben, werden sie keine glückliche Beziehung haben, sondern von ihrer Partnerin dafür gehasst werden.“ Auch für die Frauen hat er einen, wie er selbst sagt, sehr harten Ratschlag: „Sie müssen die Reißleine ziehen und aufhören, sich unrealistischen Vorstellungen hinzugeben.“ Er rät den Frauen, sich zu trennen. Und oftmals würde es sich der Partner dann anders überlegen und die meisten Männer seien dann am Ende auch gute Väter.

„Meiner Meinung nach hat der Kinderwunsch Priorität eins“



Doch woran liegt es eigentlich, dass sich Frauen häufiger Kinder wünschen als Männer? „Das hängt mit der Evolutionsbiologie zusammen. Das Ziel der Beziehung zwischen Mann und Frau ist die Reproduktion“, sagt Ober. Liegt es dann vielleicht an der heutigen Generation, dass immer mehr Paare kinderlos bleiben? „Der Kinderwunsch wird weit über 30 rausgeschoben, weil es viele Akademiker gibt. Die Evolution jedoch hat Teenager als optimal gebärfähig eingestuft und nicht Frauen um die 40.“ Für die heutige Gesellschaft findet der 62-Jährige die Jahre zwischen 25 und 35 am besten, um ein Kind auf die Welt zu bringen. Seine Begründung: „Viele Frauen wollen ihre Karriere zuerst fördern, vergessen dabei aber oft, dass ihr Körper nicht dafür ausgelegt ist, so spät noch Kinder zu bekommen.“ Der Therapeut lernte im Laufen seines Berufslebens schon viele Paare unterschiedlichen Alters kennen: „Meiner Meinung nach hat der Kinderwunsch Priorität eins. Wenn man mich fragt, welche Menschen am glücklichsten werden, sind es die mit Kindern.“

Experte rät kinderlosen Paaren zu „gemeinsamen Projekt“



Und welchen Ratschlag hat Ober für all diejenigen, die zwar gerne Kinder hätten, bei denen es aber rein biologisch nicht möglich ist? Neben der Adoption, sofern sie altersbedingt noch möglich ist, empfiehlt er ein „gemeinsam Projekt“. „Der Mensch hat das Bedürfnis, sich um etwas oder jemanden zu kümmern. Das gibt ihnen Befriedigung und ist sinnstiftend.“ Er nennt als Beispielstätigkeit die Arbeit mit anderen Menschen oder rät dazu, sich ein Haustier anzuschaffen. Ob sie am Ende ihr eigenes Kind oder ihr Projekt als ihr „Baby“ bezeichnen, sei am Ende egal, solange sie sich denken: „Mein Leben hat einen Sinn“.