„Tieftraurig und sehr wütend“
Sea-Eye-Einsatz: Junge Mutter stirbt im Mittelmeer - Über 100 Menschen gerettet

03.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:57 Uhr

Bei einem weiteren Rettungseinsatz in der Nacht rettete die Crew 77 Menschen von einem anderen Boot, darunter eine schwangere Frau. −Foto: Sea-Eye e. V.

Die Mitglieder des Rettungsschiffs „Sea-Eye 4“ haben in der Nacht auf Freitag über 100 Migranten aus Seenot auf dem Mittelmeer gerettet. Für zwei Menschen kam die Hilfe jedoch zu spät, so die Regensburger Hilfsorganisation.



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„In den vergangenen sechs Jahren kamen wir in mehr als zwei Dutzend Einsätzen immer rechtzeitig“, so Gorden Isler, Vorsitzender des Sea-Eye e.V. Es sei das erste Mal, dass vor der Ankunft der Retter zwei Menschen starben. „Wir sind zutiefst bestürzt. Unsere Gedanken sind bei den trauernden Angehörigen der Verstorbenen.“

Junge Mutter stirbt bei Überfahrt



Unter den beiden Todesfällen ist laut Sea-Eye eine junge Mutter. Ihr Baby und dessen Vater würden nun an Bord des Rettungsschiffs versorgt werden. Sie waren Passagiere auf einem hochseeuntauglichen Metallboot. Wie Isler berichtet, trieben sie sechs Tage auf dem offenen Meer. „Das ist unverzeihlich.“

Entdeckt und gemeldet wurde der Seenotfall durch das zivile Aufklärungsflugzeug Seabird von Sea-Watch e.V. am späten Donnerstagnachmittag. Nach sechs Stunden Anfahrt konnte die Sea-Eye-Crew nur noch ihre Leiche bergen. Eine weitere Person überlebte die Überfahrt nicht. Von den restlichen 32 Passagieren mussten mehrere im Bordkrankenhaus behandelt werden. Eine Person wurde mit einem Rettungshubschrauber am Freitagvormittag evakuiert.

Bei einem weiteren Rettungseinsatz in der Nacht rettete die Crew 77 Menschen von einem anderen Boot, darunter eine schwangere Frau. Das Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ sei nun mit insgesamt 109 Überlebenden an Bord auf dem Weg zur rund fünf Tage entfernten Hafenstadt Pesaro. Auf eine Anfrage nach einem näher gelegenen Hafen hätten die italienischen Behörden bis Freitagmittag nicht reagiert.

Schiffsarzt: „Tieftraurig und zugleich sehr wütend“



„Die Nachricht, dass unsere Hilfe für zwei Menschen zu spät kam, macht uns tieftraurig und zugleich sehr wütend. Es ist menschenverachtend und beschämend, dass die EU-Mitgliedsstaaten dem Sterben im Mittelmeer seit Jahren tatenlos zusehen“, erklärt Dr. Harald Kischlat, Vorstand des German Doctors e.V. Der Verein stellt regelmäßig ehrenamtliche Schiffsärzte für die Rettungseinsätze und war auch bei diesem beteiligt.

Die Hilfsorganisation Sea-Eye wurde 2015 im bayerischen Regensburg gegründet. Seither hat sie nach eigenen Angaben mehr als 17.000 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet. Neben privaten Spenden wird die Organisation von Kirchen und Kommunen gefördert. Dem Verein Sea-Eye gehören etwa 800 Mitglieder an. Spenden erhält er nach eigenen Angaben jährlich von etwa 20.000 Einzelpersonen. Darunter seien allerdings wenige Dauerspender, das mache Sea-Eye krisenanfällig, hieß es.

− dpa/ajk